Bayern-Gegner AC Florenz:Der Anti-Berlusconi

Diego Della Valle ist der Patron des AC Florenz - und erinnert an Silvio Berlusconi, weil er Fußball- und Medienmacht verknüpft. Und doch unterscheidet er sich vom Ministerpräsidenten enorm.

Birgit Schönau

In Florenz nennen sie ihn nur DDV. Der Mann, der sich als Ehrenpräsident der Fiorentina selbst in den Hintergrund befördert hat, um seinem kleinen Bruder das Feld zu überlassen. Offiziell führt deshalb Andrea Della Valle den Klub, aber der wahre Boss ist DDV: Diego Della Valle, einer der einflussreichsten Männer Italiens.

Ob Mode oder Möbel, ob Vespas oder Kaffeemaschinen, ob Fußball oder Banken - überall hat Della Valle mindestens einen Fuß drin. Aus der Schuhfabrik des Großvaters unweit der Adriaküste machte er das Atelier für Luxustreter der Marke Tod's, aus dem Abbruch des Jura-Studiums einen beeindruckenden Marsch durch die Institutionen.

Heute hält der 56-Jährige Anteile an der Tageszeitung Corriere della Sera und an der Geschäftsbank Mediobanca - beides Zentren bürgerlicher Macht. Seite an Seite mit seinem engen Freund Luca Cordero di Montezemolo kaufte Della Valle die Symbolmarken des Made in Italy auf, jetzt wollen der Fiat-Präsident und der Fiorentina-Besitzer auch noch der Staatsbahn Konkurrenz machen. 650 Millionen Euro werden DDV und LCM in Hochgeschwindigkeitszüge investieren.

Della Valle selbst ist der Schienenverkehr viel zu langsam, er bewegt sich am liebsten im Privatjet und in der knappen Freizeit in einer Yacht, die einst JFK beförderte. Dass der Schuhfabrikant das Boot des legendären amerikanischen Präsidenten erwarb, um standesgemäß zwischen Neapel und Capri zu schippern, sagt einiges über Della Valle. Aber eben längst nicht alles.

So größenwahnsinnig seine öffentliche Person erscheint, im persönlichen Umgang ist er witzig und bescheiden. Gern gibt DDV zu, dass er in seinem Leben noch keinen Schuh genäht hat. "Aber Fußball spielen kann ich." Regelmäßig kickt Diego Della Valle in seinem Heimatdorf. "Ich spiele nur dort, wo es keine Gnade gibt", sagt er, "bei der Fiorentina würden sie mich ja nur mitmachen lassen, weil ich der Boss bin." Seine Position sei da "wo alle stehen, die viel reden und wenig treten: im Mittelfeld".

Solche Selbstironie hält ihn davon ab, sich in Fragen der Spieltaktik einzumischen oder gar öffentlich dem Trainer die Mannschaftsaufstellung zu diktieren, wie das Della Valles Kollege beim ACMailand so gern tut. Viele sehen in Diego Della Valle nicht nur deshalb eine Art Anti-Berlusconi. Genau wie der Ministerpräsident macht er in Medien und Fußball. Genau wie Berlusconi hat er den weniger erfolgreichen, jüngeren Bruder am Geschäft beteiligt, muss aber selbst immer wieder einspringen, wenn Entscheidungen gefragt sind. Allerdings hat Della Valle keinerlei politische Ambition. Das hält ihn nicht davon ab, Berlusconis Interessenkonflikte scharf zu kritisieren. Der Premier forderte im Gegenzug schon zum Tod's-Boykott auf.

Der Erfinder der dritten Halbzeit

2002 übernahm Della Valle den AC Florenz. Vier Jahre später wurde er als Nebenakteur im Schiedsrichter-Manipulationsskandal angeklagt. Die Fiorentina erhielt einen Punktabzug, der Prozess gegen den Besitzer läuft noch. Della Valle sieht sich als Opfer. Aus Protest gegen seine Pläne für ein neues Stadion trat kürzlich die Florentiner Sportdezernentin zurück. Die Lokalpolitikerin fühlte sich dem Machtkampf mit DDV nicht gewachsen. Er ist gewohnt, zu bekommen, was er will. Zu seinen Bedingungen.

An der Fiorentina interessierte Della Valle ursprünglich "die Marke Florenz". Also Michelangelo, Medici, Machiavelli, die weltberühmten Renaissance-Ikonen eben. Hätte Venedig einen brauchbaren Fußballklub hervorgebracht, wäre es für DDV vielleicht Venedig geworden. Siena schon nicht mehr: zu provinziell. Neapel schon gar nicht: schlechtes Image. Man kann nicht in eine Stadt investieren, wo sich kaum einer traut, eine Tod's-Tasche spazieren zu führen.

DDV ist Inter-Mailand-Fan, aber Florenz passt perfekt. Von der vierten in die erste Liga, dann in die Champions League, alles im Schnelldurchgang. "Wenn wir gegen die Bayern gewinnen und ins Viertelfinale kommen, gehen wir in die Geschichte ein", glaubt der Patron. "Wenn es nicht klappt, war es trotzdem schön. Dieses Achtelfinale ist ein Prestigeakt für den Klub und die Stadt." Zum Prestige gehört auch eine vorzeigbare Fankurve, und die Tifosi der Fiorentina sind in der Tat vorzeigbar.

Das marode Franchi-Stadion ist eine Arena der Familien geworden, in der die Fiorentina auch beklatscht wird, wenn sie verliert - was jüngst öfter vorkam. "Hauptsache mit Herz!", sagt Della Valle, was wie ein Reklamespruch klingt in der hysterischen Ergebnisfixiertheit des Calcio, aber wohltuend beruhigend klingt.

Als der Patron die sogenannte dritte Spielzeit einführte, also die höfliche Verabschiedung des Gegners, erntete er in der Liga mehr Spott als Beifall. Dennoch hat der Unternehmer einen neuen Stil der Leichtigkeit geprägt, der immer mehr Anhänger findet. Die Fiorentina ist der heimliche Zweitklub vieler Italiener, ihr Trainer Cesare Prandelli der aussichtsreichste Kandidat als Nachfolger von Nationaltrainer Marcello Lippi.

An diesem Dienstag, gegen die Bayern, reicht der Fiorentina ein 1:0. DDV sagt, er verlange nur Charakter. Für seine Marken das Wichtigste. Birgit Schönau

Im Video: Im Achtelfinal-Rückspiel reicht dem FC Bayern München beim AC Florenz ein Unentschieden.

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