Bayern-Dominanz in der Bundesliga:Heynckes' Gegengift wirkt

Bayern-Dominanz in der Bundesliga: Der FC Bayern siegte nicht einfach so 2:1 in Wolfsburg, sondern in letzter Minute. Robert Lewandowski und David Alaba freuten sich.

Der FC Bayern siegte nicht einfach so 2:1 in Wolfsburg, sondern in letzter Minute. Robert Lewandowski und David Alaba freuten sich.

(Foto: AFP)

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Hinterher, als man Jupp Heynckes im Pressesaal der Wolfsburger Arena gegen den Husten ankämpfen hörte, als man sah, dass er angegriffen war, konnte man sich natürlich schon fragen, warum er überhaupt mitgefahren war. Statt die Grippe, die ihn vergangene Woche noch aufs Krankenlager gezwungen hatte, endgültig auszukurieren.

War nicht hinreichend absehbar, dass FC Bayern beim sportlich und verwaltungstechnisch krisengeschüttelten Abstiegskandidaten VfL Wolfsburg gewinnen würde? Sei es aus Gründen der Konjunktur oder wegen dieser seltsamen Normen, die dem physikalischen Trägheitsgesetz nahekommen und Worte wie Bayern-Dusel, Sieger-Gen oder Last-Minute-Bayern erschöpfen halfen? Und die schließlich unerbittlich griffen?

Sandro Wagner entwickelt sich zu einer Teilzeitkraft, die die gewünschte Verlässlichkeit zeigt

Denn so war es dann ja: Der FC Bayern siegte nicht einfach so 2:1, sondern in letzter Minute. Durch einen Elfmeter, hervorgegangen aus Wolfsburger Unbedarftheit und Münchner Abgezocktheit: Stürmer Arjen Robben ging nach einer unzweifelhaften, aber doch eher zärtlichen Berührung durch VfL-Verteidiger Gian-Luca Itter sozusagen robbenesk im Strafraum zu Boden; Mittelstürmer Robert Lewandowski, der erst spät eingewechselt wurde, verwandelte den Strafstoß sicher.

Das alles geschah nicht nur Sekunden vor dem Spielende, wenn es dem Gegner am meisten wehtut. Sondern auch, nachdem Robben zum ersten Mal seit 2012 einen Elfmeter vergeben und Bayern-Kapitän Franck Ribéry Glück hatte, dass Schiedsrichter Sascha Stegemann ihm für einen Schlag ins Gesicht von Renato Steffen nur Gelb und nicht Rot zeigte. Trotz Ansicht des Videobeweises.

"Für den VfL ist das sehr bitter, weil er überragend gekämpft hat", versuchte Heynckes nach dem gleichwohl verdienten Erfolg Trost zu spenden. Thomas Müller dagegen fand krude Freude an der Grausamkeit, die der Tabellenführer wieder mal verströmt hatte. "Wenn der FC Bayern trotz 0:1-Rückstand gewinnt, und Du in die Gesichter von Gegnern schaust, die sich wieder fragen, warum es ganz knapp nicht geklappt hat gegen die Bayern. . . Dann ist es zwar irgendwo ein bisschen unfair. Aber für uns fühlt es sich gut an", sagte Müller mit Blick auf den Spielverlauf lachend.

Die Wolfsburger hatten nämlich fast eine Stunde lang geführt: Ehe Lewandowski den Siegtreffer erzielen konnte, hatte Daniel Didavi im Anschluss an eine Ecke die Wolfsburger per Kopf in Führung gebracht (8. Minute). Den zwischenzeitlichen Ausgleichstreffer besorgte, ebenfalls per Kopf und nach Vorarbeit von Robben, die im Januar aus Hoffenheim dazu geholte Teilzeitkraft Sandro Wagner (64.), die immer dann zum Einsatz kommt, wenn Lewandowski - wie am Samstag - ein wenig Ruhe gegönnt werden soll. Und die die gewünschte Verlässlichkeit entwickelt.

"Dass es etwas holprig wird, habe ich einkalkuliert"

Dass die Bayern sich gegen Wolfsburg lange quälten, muss sie kaum sorgen. Die Gründe, die zu der Pein führten, waren zu sehr an den Tag gebunden. So kräftig wie in Wolfsburg, wo er im Vergleich zum Schalke-Spiel gleich acht Spieler wechselte, Thiago nach dreimonatiger Verletzungspause zu einer gut 60-minütigen Spielpraxis verhalf und nur Torwart Ulreich, Ribéry und Robben in der Startelf blieben, dürfte Heynckes nicht mehr oft rotieren - auch wenn er betonte, dass er die Tiefe des Kaders bewusst ausschöpfte, um allen zu signalisieren, dass sie ihren Anteil am unvermeidlichen 28. Meistertitel haben und Einsatzzeiten verdienen. Dafür durften Spieler wie James Rodríguez oder Kingsley Coman daheim bleiben.

"Dass es etwas holprig wird, habe ich einkalkuliert", sagte Heynckes, "die Mannschaft hat auch ein bisschen gebraucht, um sich aneinander zu gewöhnen", ergänzte Müller, der sich das Spiel eine Stunde lang von der Reservebank aus ansah. Erst durch seine Einwechslung fanden die Bayern Räume, wo keine zu sein schienen, wurde ihr Spiel besser und der VfL für seine ausschließlich defensive Ausrichtung bestraft. Und wer weiß, vielleicht wird es im Verlauf der Saison noch mal wichtig, sich daran zu erinnern, wie man einen so statisch und tief verteidigenden Gegner überwindet wie Wolfsburg - mit Geduld, Intensität und einer Justierung der Positionen ("wir hatten in der ersten Halbzeit zu viele Männer hinter dem Ball", sagte Robben). Wobei: Im weiteren Verlauf der Saison einen Gegner zu finden, der dem Ball so viel Indiferrenz entgegenbringt wie Wolfsburg, dürfte schwer werden.

Auch Beşiktaş Istanbul dürfte sich kaum ein Beispiel an Wolfsburg nehmen wollen. "Da sind ein paar Spieler dabei, deren Karriereweg nicht hundertprozentig optimal gelaufen ist, aber die viel Qualität mitbringen", sagte Müller; Spieler wie Chiles Pitbull Gary Medel, der brasilianischen Torliebhaber Vágner Love oder den portugiesische Freestyle-Dribbler Ricardo Quaresma spielen ganz gern Fußball. Auch wenn sie aktuell nur Vierter der türkischen Liga sind.

Das aber gilt auch für den FC Bayern. "Diese Mannschaft ist geil!", rief Müller aus, um zu unterstreichen, dass da Fußballer am Werk sind, die gewinnen wollen. Immer. Überall. Egal wie. Das dürfte das beste Gegengift sein gegen die Gefahr, die Anspannung wegen des großen Vorsprungs in der Liga zu verlieren. Jupp Heynckes hält sie eh für überschaubar. "Der FC Bayern hat ein Credo, das heißt, dass man nicht nachlassen darf", und "wer mich kennt, der weiß auch, dass es kein Nachlassen gibt." Den Umgang mit einem Vorsprung, der so lang ist wie ein Gähnen nach durchwachter Nacht, sind die Bayern eh gewohnt. Im Jahre 2012/13 "hatten wir am Schluss, glaube ich, 25 Punkte Vorsprung gehabt...", warf Heynckes den Blick zurück. Oder doch nach vorn? Denn 2012/13 war das Jahr des Triples, des Sieges von Meisterschaft, Pokal und Champions League. Unter Jupp Heynckes.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: