Bayerische Fußball-Bundesligisten:Abschwung Süd

Im Sommer freute sich Bayern über einen Rekord: Vier Erstligisten aus dem Freistaat gab es noch nie. Nun könnten am Wochenende Augsburg und Fürth schon den Anschluss verlieren - auch Nürnberg hängt unten fest. Doch die drei Klubs eint auch ein Vorteil: die bayerische Bierruhe, mit der sie der Tabelle begegnen.

Christof Kneer

Eintracht Frankfurt v Greuther Fuerth - Bundesliga

Ihnen droht am Wochenende der Absturz in der Tabelle: Greuther Fürths Gerald Asamoah (re.) und Heinrich Schmidtgal.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Am vergangenen Sonntagabend ist Helmut Hack aufgewühlt nach Hause gefahren. Von Fürth, wo seine Mannschaft spielt, bis nach Vestenbergsgreuth, wo Hack wohnt, ist es nicht sehr weit, aber es ist weit genug, um eine Entscheidung zu treffen. Hack entschied also, die Einladung auszuschlagen. Nein, er würde sich anderntags nicht in die Sportsendung des Bayerischen Rundfunks setzen. Was sollte er dort auch erzählen?

Dass ihn das 2:4 gegen Mönchengladbach schwer bekümmerte, würde sich jeder denken können, und er sah auch keinen Anlass, sich zu rechtfertigen. Warum auch? Dass die SpVgg Greuther Fürth, die erstmals in ihrem Leben bei den großen Jungs mitspielen darf, auf Platz 17 liegt, ist ja eher normal als unnormal. Und das mit den Schiedsrichtern, das würde er im TV-Studio ohnehin nicht sagen können. Dass die Schiedsrichter mit den kleinen Fürthern anders umspringen als mit den großen Münchnern? Harte Worte wären das. Lieber nicht.

Am nächsten Tag ging Helmut Hack ins Fernsehstudio und sagte genau das.

Ein paar Tage sind vergangen seitdem, aber Helmut Hack, Präsident der SpVgg Greuther Fürth, hat seine Medien-Offensive nicht bereut. Er hat vorigen Sonntag ja noch in der Nacht beschlossen, jetzt doch zum Fernsehen zu fahren. Er hat nicht einschlafen können, er hat immer wieder die Kabinenbilder vor Augen gehabt, die niedergeschlagenen Spieler, den niedergeschlagenen Trainer.

"Die Jungs saßen da und haben die Welt nicht mehr verstanden", erklärt Hack an diesem Freitag seine Motivlage, "und da wollte ich signalisieren, dass wir zu ihnen stehen und uns wehren dürfen. Das ist dann in der Wortwahl halt etwas härter ausgefallen." Hack hatte unter anderem gesagt, dass er "den rüden Umgangston" der Schiedsrichter nicht mehr hinnehmen wolle und "dass wir wie kleine, dumme Jungs behandelt werden".

Zwei Platzverweise und 27 gelbe Karten haben die Fürther bislang kassiert, das ist eine ganze Menge für eine Elf, die eher zu brav als zu böse ist. An diesem Spieltag fehlt zum Beispiel der Verteidiger Thomas Kleine, der nach angeblicher Notbremse eine rote Karte aufgebrummt bekam, "die ein Holger Badstuber nie bekommen hätte", wie Fürths Stürmer Gerald Asamoah spitz anmerkte.

Aber jetzt soll's auch wieder gut sein, findet Hack, "über die Umstände des letzten Wochenendes haben wir jetzt genug gesprochen. Wir wollen jetzt lieber über den Gegner dieses Wochenendes sprechen." Der Gegner dieses Wochenendes heißt Borussia Dortmund. Hack weiß: Selbst mit Thomas Kleine wäre es nicht einfach, dort hoch zu gewinnen.

Geheimes Kontingent an Punkten

Man müsse "das Erlebnis in Dortmund aufsaugen", hat Trainer Mike Büskens am Freitag gesagt. Das klingt, als müsse man in diesem verrückten schwarz-gelben Stadion schnell noch ein paar Bilder fürs Poesiealbum schießen, bevor man nächste Saison wieder die Benteler-Arena in Paderborn besichtigt. Büskens ist ein Kämpfer, er meint das nicht so, aber wenn's dumm, mit anderen Worten: normal läuft beim Auswärtsspiel in Dortmund, dann könnte Fürth, sieben Punkte, am Wochenende schon ein bisschen abgehängt sein in der Tabelle. Womöglich können sie sich im Keller dann mit dem FC Augsburg, sechs Punkte, zusammenkuscheln, der in Frankfurt auch kein natürlicher Anwärter auf einen hohen Auswärtssieg ist.

Vor Beginn dieser 50. Bundesliga-Saison haben die Sportmagazine wieder die übliche Deutschland-Karte abgedruckt, jede Erstliga-Stadt war mit einem Fähnchen markiert, aber dieses Mal sah die Karte anders aus als sonst. Man hat sich inzwischen daran gewöhnt, dass es im Westen weniger Fähnchen gibt als früher, weil man für Duisburg, Bochum und Bielefeld in den Zweit- und Drittligakarten nachschlagen müsste; aber diese tektonische Verschiebung war dann doch neu. Im Südosten der Republik, dort, wo der FC Bayern dahoam ist, war ein extrem hohes Fahnenaufkommen zu registrieren. Nürnberg. Augsburg. Und eben, druckfrisch: Fürth.

In jenem Teil der Republik, der nicht aus Bayern besteht, ruft es bisweilen allergische Hautreaktionen hervor, wenn das Boomland sich selbst mal wieder als Branchenbesten im Bildungs-, Bier- und Bankenwesen herbeizitiert und nebenbei den Länderfinanzausgleich hinterfragt. Wer nach einem Drittel der Saison die Tabelle studiert, kommt aber zu dem Schluss, dass der Bundesliga keine bayerische Übernahme droht.

Die Tabelle sieht aus, als gebe es ein geheimes Kontingent an gesamtbayerischen Punkten, einen Länderpunkteausgleich möglicherweise. Jedenfalls hat der mächtige FC Bayern so viele Punkte geholt, dass für die restbayerischen Vereine kaum etwas übrig geblieben ist. Nicht ausgeschlossen, dass Augsburg, Fürth und Nürnberg nach diesem Spieltag eine Skatrunde im Keller gründen können. Wenn's dumm, also normal läuft, könnten sie sich auf den letzten drei Plätzen treffen - denn wie Fürth und Augsburg erwartet auch der Club aus Nürnberg einen Gegner, gegen den er das Gegenteil von Favorit ist. Der Club empfängt den FC Bayern.

"Uns war klar, dass es ein bisschen dauern kann, bis wir die neue Liga kapieren", sagt Helmut Hack, der Fürther Präsident, "Augsburg hat letzte Saison auch mehrere Monate dafür gebraucht." Im natürlichen Ranking der bayerischen Sorgenkinder sieht er seinen Verein auf Platz drei, hinter dem FCA, der über ein Jahr mehr Erstliga-Erfahrung und Erstliga-Einnahmen verfügt, und erst recht hinter dem 1. FC Nürnberg, der sich mit schlauer Nischenpolitik in der ersten Liga eigentlich längst unverzichtbar gemacht hat.

"Ich wehre mich dagegen, nach dem elften Spieltag schon Schlüsse zu ziehen" , sagt Nürnbergs Manager Martin Bader denn auch. Jeder dieser drei Klubs hat seine eigene Geschichte, aber eines eint die Vertreter aus dem südöstlichen Bundesland: diese bayerische Bierruhe, mit der sie der Tabelle begegnen. "Unser größtes Pfund ist, dass hier keine Hektik ausbricht", sagt der Fürther Hack, in Nürnberg steuert Bader den Club weiter auf seriösem Kurs, und Augsburgs Manager Jürgen Rollmann verbringt seine Tage zurzeit damit, Trainer Markus Weinzierl das Vertrauen auszusprechen.

Wann diesmal wohl der Aufwärtstrend beginnt? "Man muss warten können, ohne das Warten als Warten zu empfinden", sagt Rollmann. Wer so schöne Sätze sagen kann, der kann zur Not am Wochenende auch noch mal verlieren, ohne das Verlieren als Verlieren zu empfinden.

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