Bayer Leverkusen:Ohne Welpenschutz

BayArena Leverkusen 5 11 2016 1 Fussball Bundesliga Saison 2016 17 10 Spieltag Bayer 04 Leverku

Leverkusen-Juwele: Benjamin Henrichs (re.) und Kai Havertz.

(Foto: Kolvenbach/imago)

Brandt, Tah, Henrichs, Havertz: Bayer Leverkusen besiegt die wehrhaften Darmstädter und erweitert ganz nebenbei die Optionen von Bundestrainer Löw.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Der Fußballer Benjamin Henrichs sagt über den Fußballer Kai Havertz: "Er ist ein guter Junge." Das ist üblich in der Branche: Die Alten loben die Jungen. Hakan Calhanoglu ist 22 Jahre alt, er hat früher Julian Brandt und Jonathan Tah gelobt. Brand und Tah sind 20 Jahre alt, sie loben heute Henrichs, den 19-Jährigen, und Henrichs lobt Havertz, der ist gerade mal 17. Havertz wird ein bisschen warten müssen, ehe er einen noch jüngeren Spieler loben kann, aber Trainer Roger Schmidt sucht schon weiter. In den kommenden zwei Wochen sind 16 Spieler von Bayer Leverkusen auf Länderspielreise. Schmidt trainiert dann vor allem mit Jugendlichen und nutzt die Absenz der Etablierten für ein neuerliches Casting.

17 Jahre, 126 Tage - Kai Havertz ist Bayers jüngster Ligaspieler

Schmidt hat soeben die zweite kritische Phase seiner Amtszeit überstanden. Er war zum zweiten Mal gesperrt, in seiner Absenz verlor Leverkusen ein Pokalspiel beim Drittligisten Lotte. Es schien kritisch zu werden für Schmidt. Doch wie im Frühjahr, als er erstmals gesperrt war, erstarkte die Mannschaft ausgangs seiner Strafe und gewann Spiel für Spiel: einem 2:1 in Wolfsburg folgte ein 1:0 bei Tottenham Hotspur und nun das 3:2 gegen Darmstadt. Schmidt ist vorerst rehabilitiert, aber fast wichtiger als der Sieg war am Samstag der Umstand, dass in Calhanoglu, Brandt, Tah, Henrichs und Havertz all die jungen Spieler in der Startelf standen. Calhanoglu und Brandt erzielten die ersten beiden Treffer zum 3:2-Sieg, den dritten markierte der Chilene Charles Aranguiz - einer, der mit 27 für Leverkusener Verhältnisse kurz vor der Pflegebedürftigkeit steht.

Schmidt hilft dieser extrem junge Kader bei der Jobsicherung sowie beim Aufbau von Perspektiven. "Wir haben eine tolle, spannende Mannschaft", sagt er, schränkt aber ein: "Wir haben noch einen weiten Weg vor uns." Das klingt demonstrativ prophylaktisch, so als wollte er schon mal vorwarnen, dass nach der Länderspielpause Rückschläge drohen. Auch der Spielplan suggeriert Ungemach. Leverkusen spielt übernächsten Freitag daheim gegen Leipzig und Samstag darauf beim FC Bayern.

Den Rivalen aus München greifen die Leverkusener vorerst nur außerhalb der Tabelle an: bei der Abstellung von Nationalspielern. Bundestrainer Joachim Löw hat für die anstehenden Länderspiele in Bernd Leno, Kevin Volland, Tah, Brandt und dem Debütanten Henrichs fünf Leverkusener nominiert - die Münchner sind nach der Absage von Jérôme Boateng sogar einer weniger. Allerdings sind Brand, Tah und Henrichs die drei jüngsten Spieler in Löws aktuellem Kader. Die 21-jährigen Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Max Meyer, Julian Weigl und Serge Gnabry können da schon keinen Welpenschutz mehr beanspruchen. Die mitunter beargwöhnte Bayer-Fußball-AG macht sich plötzlich explizit um die Perspektiven der Weltmeistermannschaft verdient.

Benjamin Henrichs, als Sohn eines Deutschen und einer Ghanaerin im westmünsterländischen Bocholt geboren, spielt seit dem achten Lebensjahr für Leverkusen und hat eine derart beschleunigte Entwicklung erlebt, dass er dafür Vokabeln wie "krass" oder "krank" benutzt: "Erst Bundesliga, dann Champions League, jetzt Nationalmannschaft, außerdem drei Siege nacheinander mit Leverkusen, bevor ich erstmals zum Nationalteam fahre - das ist krass." Henrichs, der in der Jugend im zentral-offensiven Mittelfeld spielte, wurde von Schmidt zum Außenverteidiger umgeschult, weil Leverkusen dort Bedarf hatte und im Mittelfeld gut besetzt ist. "Anfangs klang das nicht so gut für mich, aber jetzt bin ich dem Trainer für diese Umschulung dankbar", sagt Henrichs, "denn sonst wäre ich jetzt sicher kein Nationalspieler."

Der nächste Leverkusener, der für die U21-Junioren-Mannschaft und dann für Löws Kader interessant wird, ist Flügelstürmer Kai Havertz. Der jüngste Bundesligaspieler der Klubgeschichte und siebtjüngste (17 Jahre und 126 Tage) Deutschlands kam 2010 von Alemannia Aachen, trug vorige Saison 18 Tore zum Gewinn der deutschen Meisterschaft für Leverkusens B-Jugend bei und erhielt vom Deutschen Fußball-Bund im August als U17-Talent die "Fritz-Walter-Medaille" in Silber hinter dem Wolfsburger A-Jugendlichen Gian-Luca Itter. Die Goldmedaille in der Kategorie U19 ging an: Benjamin Henrichs - als Nachfolger von Jonathan Tah.

Überall steht Leverkusen vorne in der Galerie der Talente.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: