Bayer Leverkusen:Meister der Übrigen

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Besser geht's nicht: Bayer Leverkusen (vorne: Kapitän Lars Bender) feiert Platz drei.

(Foto: Eibner/imago)

Als feststehender Liga-Dritter wähnt sich Bayer Leverkusen auf dem Gipfel seiner Möglichkeiten. Zur Feier des Tages ertönt nach dem 2:1 gegen Hertha die Champions-League-Hymne - und Torwart Leno verkündet sein Bleiben.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Christoph Kramer kam mit einem Stück Pizza aus der Mannschaftskabine. Zwar handelte es sich nicht um eine Pizza mit Salamibelag, wie er nach intensiven Befragungen berichtete, aber auch ohne die Wurstzugabe erhärtete Kramers Genussmittel den Verdacht, dass die Spieler von Bayer Leverkusen an diesem Abend beschlossen hatten, sich nicht länger dem Leistungssportler-Kodex von Verzicht und gesunder Ernährung zu unterwerfen.

Tatsächlich kündigte, mitten im Saisonfinale, der schwäbische Torwart Bernd Leno ausschweifende Feierlichkeiten an ("heute Nacht wird keiner schlafen"), und allseits heiter wurde zur Nebensache erklärt, dass Bayer am nächsten Samstag in Mönchengladbach und am letzten Spieltag gegen Ingolstadt anzutreten hat. Die Teams, die mit Gladbach um den verbliebenen (halben) Champions-League-Rang vier konkurrieren - Hertha BSC, Schalke und Mainz - wird es vermutlich nur geringfügig trösten, dass Julian Brandt den Festivitäten Grenzen steckte: "Wir gehen nicht auf einen Mallorca-Trip und fahren besoffen zu jedem Spiel", versicherte er.

Die Spieler loben die Macher des Vereins - weil sie in der Krise an Trainer Schmidt festhielten

Andererseits ist es halt nicht zu leugnen, dass die Saison für Leverkusen gelaufen ist. Die Stadionregie hat diese Erkenntnis am Samstag um zwanzig nach acht nach dem 2:1-Sieg gegen Hertha BSC musikalisch untermalt, als sie aus den Boxen die Champions-League-Hymne dröhnen ließ. Auf dem Platz wurden Fäuste gereckt, der eine oder andere Bayer-Profi sank selig auf den Rasen. Was zum vollkommenen Glück noch fehlte, war ein Siegerpokal der DFL, dessen Vergabe dem sportlichen Lebensgefühl der Leverkusener durchaus entsprochen hätte. Die Hierarchie der Liga bewirkt ja, dass sich Bayer auf dem dritten Tabellenrang als heimlicher Meister empfindet, der den Gipfel seiner Möglichkeiten erreicht hat. Erster der Übrigen - mehr werde wohl auch in der nächsten Spielzeit nicht gehen, meinte Christoph Kramer: "Ich denke, dass es ganz schwer wird, Tuchel-Dortmund und den Bayern eine ganze Saison lang Paroli zu bieten."

Sieben Siege in Serie haben die Rheinländer nun ans Ziel ihrer Wünsche gebracht, viel schneller, als sie selbst das für möglich gehalten hatten. Diese Serie habe man "nicht auf der Rechnung gehabt", gab Angreifer Karim Bellarabi zu. Nicht nur die Spieler erhielten Komplimente, auch die Klubverantwortlichen bekamen ein Lob - von den Spielern. Vor zwei Monaten hieß es in den Medien, dass Trainer Roger Schmidt nur deswegen noch im Amt sei, weil man sich mit der Kündigung bis Saisonende Zeit nehmen wolle. Nachfolge-Kandidaten wurden diskutiert, als hätte Sportchef Rudi Völler den Beschluss bereits amtlich verkündet. Stattdessen verkündete Völler das Gegenteil. Zwar räumte er ein, Schmidt habe "seine Macken", auch sein Spielsystem müsse "nicht jedem gefallen", und ferner gebe es da auch "ein paar Dinge, die er verändern muss" - doch das Eine, das sei klar: "Was seine Qualitäten angeht, da gibt es hier im Klub nicht ein Minimum an Bedenken oder Zweifeln."

Zwei Tage später verlor Bayer in Villarreal ziemlich kläglich 0:2. Erst ein duseliges 1:0 gegen Hamburg verschaffte Schmidt am nächsten Wochenende Luft - und setzte jene Serie in Gang, die mit dem verdienten Sieg gegen eine zwar widerstandsbereite, aber substantiell unterlegene Hertha fortgesetzt wurde. Brandt - im sechsten Spiel hintereinander erfolgreich - und Lars Bender schossen die Tore, Vedad Ibisevic erzielte das 1:2 für die Berliner, die sich nun laut Kapitän Lustenberger der Sicherung von Platz fünf widmen wollen.

"Man kann den Hut ziehen vor der Geschäftsführung", sagte Brandt nun zum Saisonverlauf, "woanders wäre der Trainer vielleicht entlassen worden". Diese Äußerung ist zwar nicht mit einer Liebeserklärung an Völler und Schmidt zu verwechseln, aber sie entspricht dem professionellen Charakter, der dieser ausgewogen zusammengestellten Mannschaft innewohnt. "Am Ende entscheidet das Ergebnis, und wie es aussieht, haben sie alles richtig gemacht", setzte der knapp 20-jährige Brandt seine abgeklärte Analyse fort. Dem Tenor schloss sich Kramer an, als er meinte: "Dem Trainer wurde die Zeit gegeben, jetzt ernten alle die Früchte."

Was Bayer außer dem aktuellen Erfolg in der Liga hervorhebt, ist die Perspektive, die der jugendliche Kader bietet. Was in ihm steckt, das haben die vorigen Wochen gezeigt, als begnadete Spieler wie Brandt und Bellarabi aus ihren Formtiefs fanden und im Mittelfeld Charles Aranguiz den bestimmenden Platz einnahm, den die Planer vor der Saison für ihn vorgesehen hatten - bis dem Chilenen beim ersten Training auf rheinischem Grund und Boden die Achillessehne riss. Verluste auf dem Transfermarkt muss Schmidt nicht befürchten, die Mannschaft soll beisammenbleiben und verstärkt werden, allenfalls der karrierebewusste mexikanische Torjäger Chicharito könnte im Falle eines obszönen Angebots abhandenkommen.

Die Sorge um Stammtorwart Bernd Leno hat den Leverkusenern der Stammtorwart Leno selbst genommen, als er am Samstag vor dem Spiel erklärte, keinen Gebrauch von seiner Ausstiegsklausel machen zu wollen. Die angebotene Vertragsverlängerung hat Leno aber abgelehnt.

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