Bayer Leverkusen:Große Erbse

FC Ingolstadt gegen Bayer Leverkusen am 19.12.2015 in Ingolstadt

Der 19. Treffer im 22. Spiel für Leverkusen: Chicharito Hernández (links) erzielt das 1:0 gegen Ingolstadt.

(Foto: Jens Niering)

Dank des zehnten Ligators des Mexikaners Chicharito beim 1:0 in Ingolstadt feiert Bayer doch noch einen versöhnlichen Hinrundenausklang.

Von maik rosner, Ingolstadt

Auch die Mexikaner werden wieder vernarrt beobachtet haben, wie listig und geschickt Javier Hernández Balcázar das gemacht hat. Nicht nur in seiner Heimatstadt Guadalajara, sondern im ganzen Land und sogar darüber hinaus. Wie er bei diesem Konter loslief, die Abwehrspieler auf sich zog und sich dann von ihnen löste, im richtigen Moment, damit Karim Bellarabi den Ball durchstecken und er, Hernández, vollenden konnte, knapp vorbei am Kopf des Ingolstädter Torwarts Ørjan Nyland. Vermutlich läuft dieses Tor zum 1:0-Sieg von Bayer Leverkusen beim Aufsteiger jetzt in Dauerschleife in Mexiko. Denn Chicharito, wie er nur genannt wird, zieht dort in den Medien sogar weit mehr Aufmerksamkeit auf sich als alles, was der Fußball sonst noch zu bieten hat. Sogar mehr als der größte Künstler unter den Kickern dieser Welt - als Lionel Messi.

Auch in seinem Verein haben sich mittlerweile Schwärmereien eingestellt, weil dieser 1,75 Meter große Angreifer mit wenigen Aktionen Spielen eine Wende geben kann. So unscheinbar wie sein Kosename "kleine Erbse" tritt er phasenweise auf, doch dann versieht er sein Tagwerk gerne plötzlich mit einer großen Pointe. Wie in Ingolstadt, als von Chicharito lange wenig zu sehen war, ehe er in der 73. Minute die Partie entschied und Leverkusen einen versöhnlichen Ausklang der Hinrunde bescherte. Umfangreiche Danksagungen waren der kleinen, großen Erbse danach gewiss. "Er hat nachgewiesen, dass er ein internationaler Stürmer ist", sagte Trainer Roger Schmidt, er lobte dessen "Näschen" und "Coolness" und verwies auf die "herausragende Quote" des 27-Jährigen von wettbewerbsübergreifend 19 Toren in 22 Spielen, elf davon in 14 Ligaspielen.

Besonders beachtlich ist diese Bilanz, weil er sich neu in die Mannschaft und in die Bundesliga einfügen musste, zumal unter erschwerten Bedingungen. Erst kurz vor der Wechselfrist schloss er sich Leverkusen Ende August an, als die Vorbereitung längst vorüber war und die Saison bereits lief. Ähnlich ansatzlos musste Chicharito den Rhythmus der vielen englischen Wochen aufnehmen, jener Agenda, die alle drei, vier Tage Spiele vorsieht. "Er hat bis heute nur gespielt und nie trainiert", sagte Schmidt, was er als weitere Anerkennung verstanden wissen wollte. Zwischen seinen vielen Einsätzen hatte Chicharito ja zwangsläufig fast nur regenerieren können, gezieltes Üben fiel meist aus.

Umso mehr beglückwünschen sie sich zu ihrem späten Transfer, der durchaus gewagt war, weil der Mexikaner in der Vorsaison weniger überzeugt hatte als als Leihspieler bei Real Madrid. Doch bislang kommen jene zwölf Millionen Euro, die an Manchester United überwiesen worden sein sollen, beinahe als Schnäppchenpreis daher, jedenfalls vergleichsweise.

Nicht nur in Ingolstadt hatte Chicharito ja dazu beigetragen, dass die Leverkusener doch noch ihren Frieden mit der wechselvollen Hinrunde schließen konnten, in der sie zwischenzeitlich so schlecht dastanden wie seit fast zehn Jahren nicht mehr und zudem das unnötige Aus nach der Gruppenphase der Champions League beklagen mussten. Nun überwintern sie in der Europa League, und weil vor dem Auftritt in Ingolstadt das Viertelfinale des DFB-Pokals erreicht worden war, erscheint ihnen die Zwischenbilanz doch recht erfreulich.

Beim Aufsteiger gelang zudem der dritte Pflichtspielsieg hintereinander, eine bisher nicht erreichte Serie in dieser Saison. Dass der Abschlusserfolg glücklich zustande kam, weil unter anderem Wendell das eigene Torgestänge und der Ball danach auch noch die Torlinie getroffen hatte, ging in der Freude über Chicharitos große Szene ein bisschen unter. Man habe, befand Geschäftsführer Michael Schade, "eine einigermaßen zufriedenstellende Hinrunde hingekriegt". Ihn beschäftigten aber auch die Gedanken, "wo wir ohne seine Tore stehen würden". Gemeint war Chicharito, der mehrere knappe Siege oder Unentschieden herbeigeführt hatte. In den Stolz über den "Toptransfer", wie Schade sagte, mischte sich also auch Nachdenklichkeit. Zumal, das zeigt die Karriere der kleinen Erbse, ein solcher Lauf bei ihr in Europa bisher die Ausnahme ist.

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