Bayer Leverkusen:Finnisches Finish

Bayer 04 Leverkusen Hamburger SV 10 09 2016 Tor zum 2 1 für Leverkusen Gewaltschuß von Joel Pohj

Ein satter Außenrist-Direktschuss zum 2:1 war das Schmuckstück beim Hattrick des Finnen Joel Pohjanpalo gegen den Hamburger SV.

(Foto: Horstmüller/Imago)

Geheimfavorit? Mit einem 15-Minuten-Hattrick zum 3:1 gegen den Hamburger SV überdeckt Einwechselspieler Joel Pohjanpalo die Startprobleme von Bayer Leverkusen.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Romantische Komödien sind nicht sein Ding. Joel Pohjanpalo liebt James Bond. Es soll scheppern und explodieren, so wie am Samstag, als die Lage um 16.59 Uhr einigermaßen aussichtslos erschien und er beim Stand von 0:1 ins maue Spiel von Bayer Leverkusen eingewechselt wurde. Er war da so eine Art Geheimagent mit Spezialauftrag, James Bond muss ja auch immer alles alleine richten. So hat es Pohjanpalo dann auch gemacht: per Kopf (79.), mit sattem Schuss ins Eck (91.) und am Ende mit feinem Dribbling (94.) zum 3:1-Endstand gegen den Hamburger SV. Hattrick binnen 15 Minuten mit den Siegtreffern in der Nachspielzeit - bessere Showdowns gibt es im Kino auch nicht.

"Good finish", sagte Pohjanpalo und musste selbst lachen. Der Gag mit dem finnischen Finish bot sich an, den hat er nicht zum ersten Mal gemacht. Aber noch nie hat er dafür solch eine Aufmerksamkeit bekommen. Pohjanpalo hat bis 2013 beim finnischen Erstligisten HJK Helsinki gespielt. Als er 17 Jahre alt war, ist ihm dort im April 2012 schon mal ein Hattrick gelungen, mit dem er aus einem 0:1-Rückstand (gegen Mariehamn) einen 3:1-Sieg gemacht hat. Dieser Hattrick war ihm in 2:42 Minuten geglückt, man kann das ungeschnitten im Internet ansehen.

Solche Szenen waren ursächlich dafür, dass die Leverkusener Pohjanpalo 2013 verpflichtet haben, aber sie haben ihn dann erst einmal verliehen, ein Jahr an den Zweitligisten VfR Aalen, zwei Jahre an Fortuna Düsseldorf. In Aalen hat er in 22 Spielen fünf Tore geschossen, in Düsseldorf in 55 Spielen 13 - solide, aber keine herausragenden Quoten. In Leverkusen nun ist Pohjanpalo zwei Mal eingewechselt worden, hat inklusive Nachspielzeit exakt 38 Minuten gespielt und in dieser Zeit vier Tore geschossen. Im Schnitt alle neuneinhalb Minuten ein Treffer. Die Spitze der Bundesliga-Torschützenliste teilt er sich mit dem Münchner Robert Lewandowski.

Nach elf Sekunden verletzt sich Bellarabi und fehlt wochenlang

Ein 21-jähriger Finne, den die Leverkusener drei Jahre lang verliehen haben und von dessen Potenzial sie auch in diesem Sommer lange nicht überzeugt zu sein schienen, hat also den Saisonstart der als Geheimfavorit gehandelten Bayer-Elf gerettet. Im ersten Spiel in Mönchengladbach kam Pohjanpalo in der 78. Minute und erzielte nach zwei Minuten das 1:1, doch dann schossen die Gladbacher noch den Siegtreffer. Gegen den HSV kam Pohjanpalo in der 72. Minute. Seine Tore waren toll herausgespielt, aber sie konnten nicht überdecken, dass die Leverkusener zuvor einfallslos gespielt hatten. Wenn sie das Spiel schnell machen wollten, verloren sie den Ball. So spielt kein Geheimfavorit.

Die Chance, die der turbulente Spielverlauf vom Samstag den Leverkusenern bereits für das Champions-League-Heimspiel gegen ZSKA Moskau eröffnet, wurde von Trainer Roger Schmidt sofort erkannt: "Die Art und Weise, wie wir den Sieg herausgespielt haben, kann sehr wertvoll sein für unser Spiel am Mittwoch." Schmidt verspürt "Rückenwind".

Dabei ist die Situation gerade in der Offensive, in der sich Pohjanpalo soeben in den Fokus gespielt hat, keinesfalls hoffnungsvoll. Stefan Kießling leidet weiterhin unter Rückenbeschwerden und kann nicht spielen, Kevin Volland pausiert mit gebrochener Hand, Karim Bellarabi hat sich eine Bundesliga-Rekord-Verletzung zugezogen - nach nur elf Sekunden. Auch die offizielle Klub-Diagnose am Sonntagmorgen für seinen wochenlangen Ausfall hatte eine rekordverdächtige Länge: "Muskelbündelriss mit Sehnenbeteiligung im Bereich der rechten Adduktoren". Mittelstürmer Javier Hernández alias Chicharito und Flügelflitzer Julian Brandt strahlen noch nicht die von ihnen erhoffte Torgefahr aus, und die einst gefürchteten Freistöße und Fernschüsse von Hakan Calhanoglu verpuffen derzeit. Pohjanpalo ist momentan der Einzige, der echte Torgefahr ausstrahlt, aber er weiß selbst, dass ein Startelf-Einsatz für ihn noch in weiter Ferne liegt: "Wir haben fantastische Spieler, da bin ich in der Auswahl erst mal der letzte Aufruf. Aber ich nehme diese Rolle an und gebe nach jeder Einwechslung mein Bestes."

Diese Einstellung gefällt dem Trainer Schmidt, zumal er Pohjanpalo im Sommer offenbar klar gemacht hat, dass dieser sich bei Bayer ganz hinten anstellen muss. "Diese Situation war klar für ihn, und er fühlt sich damit wohl", behauptet Schmidt. Wären Kießling und Volland gesund, hätte Pohjanpalo seine Chance vermutlich gar nicht erst bekommen. Aber nun hat er sich binnen 38 Minuten als einzig torgefährlicher Leverkusener in der Bundesliga-Startphase erwiesen.

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