Bayer 04, Köln und der Fall Helmes:Reykjavik im Rheinland

Lerverkusen hat den Stürmer Patrick Helmes vom FC abgeworben. Jetzt giften sich Rudi Völler und Chritsoph Daum öffentlich an.

Philipp Selldorf

Wären die Fußballklubs Bayer Leverkusen und 1. FC Köln zwei souveräne Staaten, hätte es Ende der vergangenen Woche vermutlich gewaltsame Zwischenfälle an der nachbarschaftlichen Grenze gegeben.

Daum und Völler Streiten um Helmes FC Köln Bayer Leverkusen

An ihm ist der Streit entbrannt: Stürmer Patrick Helmes

(Foto: Foto: dpa)

Glücklicherweise befehligen aber weder Rudi Völler noch Christoph Daum bewaffnete Einheiten, deswegen blieb es bei einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den Protagonisten der Klubs. Die immerhin auch beachtliche Schärfe hatte.

Augenzeugen erlebten Völler in ähnlich aufgebrachtem Zustand wie bei der legendären Reykjaviker Mist & Käse-Tirade, als er nun Daums Äußerungen über die Leverkusener Transferpolitik und die Abwerbung des Kölner Stürmers Patrick Helmes konterte.

Dass Kölns Trainer Daum die Vorgehensweise der Leverkusener unter Berufung auf die Regeln des guten Benehmens beklagte ("unter Herrn Holzhäuser werden alle moralischen Sitten über Bord geworfen"), veranlasste Völler, die Frage der Manieren persönlich zu nehmen.

Als sei es gestern geschehen

"Wenn ich einen Ausdruck wie Moral aus seinem Mund höre, dann finde ich das abenteuerlich. Wenn es um den Begriff Moral geht, kann ich ihm gerne erklären, was er bedeutet", sagte der Bayer-Sportchef. Und dass Daum aus der Transfergeschichte einen "Imageschaden" für Bayer 04 abgeleitet hatte, schien Völler ebenfalls eine willkommene Gelegenheit zu sein, in alten Zeiten eingelagerte Ressentiments hervorzuholen. "Ein Imageschaden bei Bayer ist vor sechs Jahren entstanden", giftete Rudi Völler, und natürlich wusste jeder, was gemeint war.

Im Rest des Landes mag Daums Vorleben vergessen und vergeben worden sein, doch in Leverkusen ist Daums Drogen- und Lügenaffäre präsent, als sei das alles gestern geschehen. Auch der gewöhnlich gutmütige Rudi Völler bildet da keine Ausnahme im verschwörerisch gesinnten Bayer-Lager.

"Du hast angefangen"

Anderntags hat es aber angeblich "nur eine Minute gedauert, bis der Rudi eingesehen hat, dass er überzogen hat", wie Reiner Calmund erzählt, der sich unaufgefordert als Vermittler einschaltete. Calmund, der beiden Parteien nahe steht, erreichte zumindest einen vorläufigen Friedensschluss, indem er Daum überzeugte, den ersten Schritt zur Versöhnung zu unternehmen ("Du hast angefangen").

Man telefonierte miteinander, und jetzt gilt für beide Seiten die Absichtserklärung, den Zwist demnächst beim gemeinsamen Abendessen auszuräumen.

Ohnehin sind Kenner der rheinischen Verhältnisse davon überzeugt, dass es sich eher um eine Art Scheingefecht zu handeln schien, als Daum den Nachbarklub attackierte. Irgendwie musste er ja den Schmerz über den Verlust des Sturmtalents Helmes abreagieren, den der Trainer neben dem Nationalspieler Lukas Sinkiewicz zur "Galionsfigur" des neu zu formierenden Teams erheben wollte.

Manager und Präsident versäumten Verlängerung

Die Alternative wäre gewesen, die Mitstreiter beim FC, also Manager Michael Meier und Präsident Wolfgang Overath, anzuklagen, weil sie es versäumt hatten, die Vereinbarung mit dem 22-Jährigen zu verlängern oder wenigstens rechtzeitig jene Option geltend zu machen, die den Vertrag über Sommer 2007 hinaus bis 2008 verlängert.

Das aber taten die FC-Oberen erst, als ihnen Helmes' Berater Gerd vom Bruch mitteilte, dass sein Klient einen Vertrag in Leverkusen unterschrieben habe. Daum war über diese fahrlässige Personalpolitik nicht sehr begeistert, umso mehr, als sich Manager Meier auf Kosten des Spielers zu rechtfertigen suchte: Der Klub habe sich "maximal um Helmes bemüht", behauptete er, "über die Vorgehensweise sind wir menschlich sehr enttäuscht".

Fans beschimpfen Helmes

Resultat: Die FC-Anhängerschaft verdammte den einstigen Publikumsliebling als Überläufer. Vor lauter Aversionen gegen Helmes vergaßen sie während des Heimspiels gegen Carl Zeiss Jena (1:0) sogar die üblichen Beschimpfungen gegen Bayer Leverkusen.

Von "maximalen Bemühungen" des FC konnte aber wohl keine Rede sein, wie Helmes nun mit sehr offenen Worten in den Kölner Zeitungen klar machte. Die ihm angebotene Gehaltsaufbesserung im Falle der Vertragsverlängerung bis 2010 hätte 15 000 statt 12 000 Euro betragen - in Anbetracht des Interesses von Vereinen wie VfB Stuttgart oder Werder Bremen eine eher amüsante Offerte, die sich allein dadurch erklären lässt, dass sich der FC weiterhin für unwiderstehlich hält. "Elitäre Arroganz" hatte Meier noch bei der letzten Jahreshauptversammlung als Leitmotiv ausgegeben.

Führung beschäftigt mit sportlichen Niedergang

Vorerst herrscht aber eher Ignoranz: Overaths Zusicherung an den Spieler, die indiskutable Summe zu erhöhen, folgte monatelang keine Reaktion - die FC-Führung war wohl zu sehr mit dem eigenen sportlichen Niedergang und mit dem Trainerwechsel beschäftigt.

Von Moral ist inzwischen keine Rede mehr. Dafür von Geld. Seinem Kapitän Sinkiewicz möchte der FC auf Daums Betreiben hin die Vertragsklausel abkaufen, im Sommer gegen zwei Millionen Euro den Verein verlassen zu dürfen, falls der nicht wieder erstklassig ist. Bayer Leverkusen hat bereits Interesse an dem Spieler erklärt.

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