Wechsel in die USA:Schweinsteiger sucht das Feuer in Chicago

Im Nationaltrikot verehrt, bei Manchester United zuletzt verschmäht: Nun wechselt der frühere DFB-Kapitän in die USA. Seine große Karriere in Bildern.

Von Jonas Beckenkamp

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(Foto: dpa)

Wenn in Deutschland der Name Schweinsteiger fällt, geht es meistens um die großen Geschichten. Schweinsteiger, der Weltmeister, der Mann mit dem dezent ergrauten Haar an den Schläfen - "Schweini", der ewige Bayern-Profi. Dieser Schweinsteiger hat nun ganz neue Pläne: Er wechselt ganz offiziell zu Chicago Fire in die amerikanische Profiliga MLS. In Bayern könnte man also sagen: Ois Chicago bei Schweinsteiger. Nachdem er bei Manchester United unter Trainer Mourinho kaum spielen durfte, soll es jetzt noch einmal anders werden. Glücklicher, erfolgreicher - mit 32 lässt sich ja durchaus noch Fußball spielen. Ein Einjahresvertrag in Chicago sorgt dafür, dass "Schweini" auch genug verdient: Im Gespräch sind 4,2 Millionen Gehalt. Schweinsteigers Karriere bekommt damit noch einmal einen besonderen Dreh. Von ihm bleiben neben seiner Bayern-Zeit vor allem seine Jahre in der deutschen Nationalelf in Erinnerung.

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(Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Die Zeiten des sogenannten "deutschen Rumpelfußballs" waren gerade am Ausklingen, als plötzlich ein blonder Jüngling im DFB-Dress auftauchte. Sein Name: "Schweini". Seine Haare: blondiert. Sein erstes Länderspiel: Am 6. Juni 2004 in Kaiserslautern gegen Ungarn. Deren Trainer hieß damals Lothar Matthäus - und er besiegte Bastian Schweinsteiger und die Deutschen in der EM-Vorbereitung 2:0.

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(Foto: Andreas Rentz/Getty Images)

Die Euro 2004 in Portugal bestritt er zunächst als Einwechselspieler, schließlich regierten im deutschen Mittelfeld noch Leute wie Bernd Schneider, Michael Ballack oder Torsten Frings. Doch schon bei seinem ersten EM-Einsatz von Anfang an demonstrierte Schweinsteiger im dritten Gruppenspiel sein Können. Beim 1:2 gegen Tschechien legte er Ballack das 1:0 auf - das deutsche Aus kam trotzdem.

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(Foto: REUTERS)

Nach einem absurden Schauspiel um die Nachfolge von Bundestrainer Rudi Völler ("Trainerfindungskommission") übernahm schließlich Jürgen Klinsmann die DFB-Elf - und er erkannte sogleich das Potenzial des jungen Bayern-Profis. Unter Klinsmann wurde Schweinsteiger schnell Stammkraft, er agierte meist im linken Mittelfeld, so wie beim Confederations Cup 2005 in Nürnberg (Bild).

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(Foto: Tobias Kuberski/dpa)

Vor der WM 2006 durfte Schweinsteiger auch die Kanzlerin kennenlernen. Einige weitere Treffen mit ihr sollten folgen. Vorne im Bild übrigens der bestgelaunte DFB-Mann ever: Gerald Asamoah.

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(Foto: AFP)

Die WM im eigenen Land war geprägt von "Schweini, Poldi, Lahm" - auch, wenn Michael Ballack zu dieser Zeit als der eigentliche Chef im Nationalteam galt. Schweinsteiger begann das Turnier stark, er machte alle Vorrundenspiele, doch im Halbfinale gegen Italien saß er draußen. Dass die Italiener in der Verlängerung 2:0 gewannen, lag auch daran, dass im deutschen Mittelfeld der gesperrte Torsten Frings fehlte. Schweinsteiger trauerte wie der Rest - doch schon im Spiel um Platz drei gab er die richtige Antwort: Drei Weitschussgranaten beeindruckten beim 3:1 gegen Portugal selbst Cristiano Ronaldo.

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(Foto: dpa)

Die Bronzemedaille feierten die Deutschen in Stuttgart. Und natürlich waren sich die Freunde Schweini und Poldi auch in diesem Erfolgsmoment ganz nah.

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(Foto: REUTERS)

2008 war ein besonderes Nationalelf-Jahr für Schweinsteiger, denn sein Stellenwert war unter dem neuen Bundestrainer Joachim Löw enorm gewachsen. Die Erwartungen wurden größer, der junge Schweini sollte endlich in die Führungsrolle wachsen, die er sich selbst auch zutraute. Die Haare waren wieder wasserstoffblond und draußen jubelte bei der Euro in der Schweiz und Österreich seine Freundin Sarah Brandner mit. In der Vorrunde flog er gegen Kroatien vom Platz, doch seine Rückkehr in der K.-o.-Runde verlief triumphal. Erst traf Schweinsteiger gegen Portugal, dann im Halbfinale gegen ...

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(Foto: dpa)

... die Türkei. Es waren Erweckungsmomente für den Münchner, denn im grimmigen deutschen Mittelfeld um Ballack und Frings tat sich nun endlich ein Stammplatz auf. Mit Podolski feierte Schweinsteiger den Finaleinzug - und auch im Endspiel gegen Spanien spielten beide von Beginn an. Das 0:1 konnten sie zwar nicht verhindern, aber schon im ersten Länderspiel nach der EM bekam Schweinsteiger nach der Pause erstmals die Kapitänsbinde umgehängt, weil Miroslav Klose den Platz verließ.

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(Foto: dpa)

Als Co-Capitano hinter Philipp Lahm ging Schweinsteiger in die WM 2010. Längst hatte er sich als absoluter Leader etabliert, längst hatte ihn Bayern-Trainer Louis van Gaal vom Linksaußen zum defensiven Mittelfeld-Organisator umfunktioniert. Es war die Phase, als aus "Schweini" der erwachsene Bastian Schweinsteiger wurde. Das mussten bei der WM in Südafrika gleich mehrere Mannschaften anerkennen. Seinen wuchtigsten Auftritt hatte der kurzgeschorene, seriöse Schweinsteiger im Viertelfinale gegen Argentinien. Beim 4:0 in Kapstadt blockte er mehrfach einen gewissen Lionel Messi ab - und lieferte mit einem Sololauf schließlich die Vorlage zum 3:0 durch Arne Friedrich.

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(Foto: dpa)

Im Halbfinale waren dann erneut die Spanier zu stark. Schweinsteiger versuchte, das deutsche Spiel zu ordnen, aber überall wirbelten die Xavis und Iniestas durch die Prärie. Den entscheidenden Treffer zum 1:0 erzielte Carles Puyol - er tröstete Schweinsteiger hinterher fair. Es war die dritte prägende Niederlage für den neuen deutschen Leader nach dem verlorenen WM-Halbfinale gegen Italien 2006 und dem EM-Finale 2008.

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(Foto: REUTERS)

Schweinsteiger und Bundestrainer Löw, dieses Gespann prägte den deutschen Fußball. Beim mittlerweile gereiften, stets staatsmännisch auftretenden Schweinsteiger häuften sich die Verletzungen, doch Löw hielt immer an ihm fest. So auch bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine.

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(Foto: dpa)

Dorthin reiste der ewige Schmerzensmann mit einem lädierten Knöchel. Deutschland sorgte sich um den wochenlang verletzten Patienten - und der antwortete in der Vorrunde gegen die Niederlande mit einem echten Statement: Beim 2:1 in Charkiw bereitete Schweinsteiger beide Tore durch Mario Gomez vor. Und plötzlich dachten alle: Schweinsteiger angeschlagen? Iwo!

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(Foto: REUTERS)

Doch seine Schaffenskraft hatte gelitten, wie sich im weiteren Verlauf des Turniers zeigte. Schweinsteiger spielte zwar, aber er wirkte nicht fit. Im Viertelfinale gegen Griechenland schleppte er sich noch durch, doch schon im Semifinale gegen Italien wurde klar: Schweinsteigers Kräfte reichten nicht aus, um die Wuchtmaschine der Italiener zu stoppen. Bei seiner Heimkunft am Frankfurter Flughafen wirkte Schweinsteiger nachdenklich. Sollte er wie Ballack ein unvollendeter Nationalspieler bleiben?

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(Foto: Getty Images)

Natürlich nicht. Trotz erneuter Wehwehchen an der Sehne, am Sprunggelenk, trotz eines Kapselrisses kurz vor der WM 2014, tauchte Schweinsteiger auch in Brasilien im DFB-Dress auf - und wie! In der Vorrunde konnte er noch kaum laufen, was ihn nicht daran hinderte, gegen Ghana hereinzukommen und beim 2:2 ordentlich mitzuhelfen. Von da an spielte Löws emotionaler Anführer. Und er spielte gut. Große strategische Leistung im Viertelfinale gegen Frankreich, ein beschwingter Auftritt beim 7:1 gegen Brasilien. Und dann dieses Finale gegen Argentinien! Es war die Partie, in der Schweinsteiger zur Legende avancierte.

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(Foto: REUTERS)

Tritte, Rempler, Ellbogen - all das musste er aushalten. Und dann ritzte ihm Javier Mascherano auch noch ein Veilchen unters Auge. Schweinsteiger hielt alles aus. Mit seinem schmerzverzerrten Bergsteigergesicht rannte er immer weiter, er pflügte sich durch die argentinischen Zweikämpfer und stand so oft wieder auf, dass es schon unheimlich war. Der Mythos des Überlebensmannes Schweinsteiger gipfelte im Abpfiff, als ...

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(Foto: REUTERS)

... er nur noch erschöpft zu Boden sank. Der Held von Rio hatte sich so sehr verausgabt, dass er im ersten Moment keine Kraft mehr zum Jubeln hatte. Gut, dass ihm irgendwann Joachim Löw um den Hals fiel. Schweinsteiger hatte seine Karriere veredelt, er war Weltmeister. Dabei hatten ihn bis dahin schon mindestens vier Millionen deutsche Sofa-Bundestrainer abgeschrieben.

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(Foto: Getty Images)

Während seine Kollegen Mertesacker und Lahm ihre DFB-Karriere mit dem Titelgewinn beendeten, wollte Schweinsteiger sich noch ein letztes Mal quälen. Der neue Kapitän suchte sich die EM 2016 in Frankreich als finales Ziel aus - dabei war er längst zu einem Profi geworden, der nur noch punktuell Fußball spielen konnte. Adduktoren, Innenband - überall zwickte es ihn. So kam es, dass ein immer noch lädierter, leicht ergrauter Mann mit der Nummer sieben zum EM-Auftakt gegen die Ukraine eingewechselt wurde. Schweinsteiger war wieder da. Zum hundertsten Mal. Und er sprintete bei einem Konter in letzter Minute nach vorne, wo ihn Mesut Özil bediente - 2:0. Was für ein Wahnsinn. Der alte, schwer pumpende Mann hatte wieder getroffen.

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(Foto: AP)

Es wurde eine holprige Euro, ein Event, bei dem es knarzte - nicht nur bei Schweinsteiger. Schon im zweiten Gruppenspiel gegen Polen pausierte Löws Bergführer wieder, um gegen Nordirland und im Achtelfinale gegen die Slowakei immerhin eingewechselt zu werden. Alles lief auf einen letzten Schweinsteiger-Moment zu. Und es kamen gleich zwei: Erst verschoss er im Viertelfinale gegen Italien einen Elfmeter (es reichte trotzdem zum Weiterkommen). Dann hatte Schweinsteiger im Semifinale gegen Frankreich den Laden im Griff wie seit Jahren nicht mehr. Er dirigierte, er kontrollierte, er ließ halb Frankreich an sich abprallen. Doch dann sprang er bei einem Eckball mit der Hand in eine Flanke und es gab Elfmeter. Frankreich siegte 2:0. Schweinsteiger hatte grandios gespielt - aber seine Karriere endete mit einer Enttäuschung. Wobei: Kann man bei so viel Hurra im DFB-Trikot überhaupt von einer Enttäuschung sprechen?

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(Foto: Ina Fassbender/dpa)

Am 31. August 2016 gab es schließlich einen bewegenden Abschied vom DFB. Beim Länderspiel gegen Finnland schauten alle auf Schweinsteiger. Der wirkte locker und erfreut, bis er vor dem Spiel offiziell gerühmt wurde. Blumen, warme Worte, die Hymne, sein letztes Länderspiel - da brach es aus dem Gefühlsmenschen Schweinsteiger heraus. Er weinte. Und mit ihm Millionen Fans an den Fernsehschirmen. Seine Spielerkarriere im Nationalteam war vorbei, doch im Klubfußball sollte es weitergehen. In Manchester aber folgte die Ausbootung durch Trainer Mourinho, der ihn fast nie spielen ließ. Sogar seinen Spint musste Schweinsteiger irgendwann räumen, als er zum Training mit der zweiten Mannschaft geschickt wurde. Er trug es mit Fassung, beschwerte sich nie und schoss Ende des Jahres ein Seitfallzieher-Tor im Pokal. In England bekam er trotzdem keine Chance mehr. Jetzt beginnt Schweinsteigers letzte Reise im Fußball: Es geht nach Illinois.

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