Fußball:Mourinho tut sich schwer mit alten Eisen

United For UNICEF Gala Dinner

Beim United-for-Unicef-Dinner standen sich José Mourinho (links) und Bastian Schweinsteiger (rechts) an diesem Montag sehr nahe - mehr aber auch nicht.

(Foto: Manchester United/Getty Images)

Die Frage, ob Bastian Schweinsteiger noch mal für Manchester United spielt, bewegt die Fans. Aber nicht nur am Beispiel des Weltmeisters zeigt sich, dass José Mourinho seinen Zauber verloren hat.

Von Raphael Honigstein, London

Vom Verschmähten zum Retter: Das klingt nach einer dieser wunderschönen, leicht sentimentalen Fußballgeschichten. Es ist aber nicht zu erwarten, dass es eine solche tatsächlich gibt an diesem Sonntagnachmittag im Liberty Stadium in Swansea, wenn dort um 16 Uhr der englische Rekordmeister Manchester United aufläuft. José Mourinho, der berühmte Trainer des berühmten Klubs, lässt den berühmten Bastian Schweinsteiger inzwischen zwar wieder bei seinen Profis mittrainieren.

Die Chance aber, dass der Weltmeister auch bei der Auswärtspartie mitwirken darf, siedelte der Coach nach der 1:2-Niederlage bei Fenerbahce Istanbul in der Europa League ziemlich übel gelaunt ziemlich genau bei null an. Das Swansea-Spiel komme "zu früh" für den Rückkehrer, beschied Mourinho Donnerstagabend. Selbst, dass sich der 105-Millionen-Euro-Mittelfeldmann Paul Pogba in Istanbul am Oberschenkel verletzt hat, hilft Schweinsteiger wenig: "Er trainiert erst seit drei, vier Tagen wieder mit der Mannschaft, er kann auf diesem Niveau noch nicht spielen", findet Mourinho. Sentimentalität ist nicht so sein Ding.

Seit Saisonbeginn verschmäht Mourinho Schweinsteiger. Ob der inzwischen 32-Jährige bei United je wieder zum Einsatz kommt, ist äußerst fraglich. Aber immerhin: Inzwischen wird er zumindest nicht länger totgeschwiegen und wie ein ins sibirische Exil abgeschobener Dissident behandelt. Noch vor einer Woche, auf dem reichlich verspäteten offiziellen Teamfoto, hatte von Schweinsteiger jede Spur gefehlt. Interessanterweise fehlte auf dem Bild allerdings auch der FA-Pokal - jene silberne Trophäe, die Mourinho-Vorgänger Louis van Gaal gewonnen hatte. Aus Mourinhos Sicht zählen Titel, die nicht er geholt hat, schlicht nicht. Und mit Schweinsteiger hält er es offenbar ähnlich. Der gehört für ihn quasi zum alten Eisen.

In der Vereinsbilanz wurde der Deutsche schon komplett abgeschrieben. Im September wies der Verein einen Umsatz von 577 Millionen Euro aus - und für Schweinsteiger keinerlei materiellen Wert mehr. Die Boulevard-Zeitung The Sun berichtete, Schweinsteiger solle mit einer Abfindung von elf Millionen Euro im Januar frühzeitig abgeschoben werden. Mourinho begnadigte den Spieler zwar am Montag partiell - er durfte nach langer, ihm gegenüber nie näher erläuterter Isolation wieder mit den Profis trainieren - stellte ihm aber keine grundsätzliche Besserung der Lage in Aussicht.

Empathie-freier Umgang mit dem Weltmeister

Mourinho sprach zwar von "menschlichen Gründen" für die Rückkehr des verhinderten Mittelfeld-Strategen ins Kollektiv. Welche das gewesen sein sollen, ließ er aber offen. Allein die "Anzahl der Spieler im Training" machten jedoch seine Teilnahme an den Übungseinheiten in Carrington wünschenswert, so Mourinho weiter.

Der kapriziöse, völlig Empathie-freie Umgang mit dem Deutschen ist längst kein Einzelfall. Mourinho, von United verpflichtet, um den nach dem Rücktritt von Alex Ferguson vor drei Jahren von einer sportlichen Krise in die nächste taumelnden Riesen wieder aufzurichten, hat in drei Monaten beinahe mehr Spieler demontiert als Punkte gesammelt.

Mourinho bringt sich nicht viel ein ins Training

Linksverteidiger Luke Shaw und Flügelstürmer Jesse Lingard ("der Situation nicht gewachsen") wurden nach dem 1:2 im Derby gegen Pep Guardiolas Manchester City von dem 53-Jährigen namentlich angezählt - ebenso wie Henrikh Mkhitaryan, der gegen Fenerbahce erst zum zweiten Mal seit seinem Wechsel von Borussia Dortmund zu United auf den Platz durfte. Der Armenier, nur gute 20 Minuten auf dem Rasen, war hinterher der Sündenbock für eine insgesamt "verwirrte Leistung" (Guardian): "Er muss mehr zeigen", so Mourinho, "die Ansprüche sind hier hoch."

Unter der Hand ließ der Trainerstab unlängst bösartig verbreiten, Mkhitaryan fehle es vielleicht grundsätzlich an Inseltauglichkeit, das Spiel sei wohl zu hart und zu schnell für ihn. Und Mourinho erklärte dem recht verzweifelten Neuling auf Nachfrage, dass er für seinen Geschmack zu wenig verteidige.

Selbst erfahrene Spieler zeigen sich überrascht, wie wenig sich Mourinho ins Training einbringt, er überlässt die Arbeit weitgehend Mini-Mou Rui Faria, 41. Von einem Defizit an klaren Anweisungen ist die Rede und von einem "Klima der Furcht": Im Kader hätten viele Angst, den schnell unzufriedenen, verbittert wirkenden Übungsleiter mit Fehlern zu verärgern, sein Verhalten sei kaum kalkulierbar.

Underdog-Fußball hat keinen Erfolg mehr

Platz acht in der Tabelle zeugt also nicht nur von dem schwierigen Prozess, Mourinhos Underdog-Fußball mit vielen langen Bällen auf eine einzelne Sturmspitze mit den Fähigkeiten des konfus konzipierten Kaders in Einklang zu bringen, sondern auch von einer schlechten Stimmung. Diese erinnert schon ein wenig an den Zusammenbruch des Systems bei Meister FC Chelsea im Vorjahr. Mourinho wurde dort vor elf Monaten auf Platz 16 gefeuert. Saisonübergreifend hat er 18 seiner letzten 42 Spiele verloren.

Warum der Mann aus Setúbal seine Spieler nicht mehr wie einst mit einer raffinierten Mischung aus Disziplin und Lob für sich zu vereinnahmen versucht, bleibt ein Rätsel. Vielleicht kommt der frühere Inter-Mailand-Coach Leonardo der Sache mit einem musikalischen Vergleich nahe. Mourinho erinnere ihn an den Chansonier Lucio Dalla, sagte der 47-Jährige im italienischen Fernsehen: "Der hatte gute Songs in den Siebzigern, aber danach nicht mehr den gleichen Erfolg."

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