Basketballer Tim Duncan:Nie sexy, aber immer sagenhaft gut

NBA: Finals-Miami Heat at San Antonio Spurs

Tim Duncan konnte alles: Werfen, dribbeln, passen - nur Posen und laute Sprüche waren ihm fremd.

(Foto: REUTERS)

In der Machowelt der NBA war er die große Ausnahme: Tim Duncan hat den Basketball 19 Jahre dominiert wie kaum ein anderer - seinen Abschied bedauert selbst sein ewiger Widersacher Dirk Nowitzki.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Ohne Worte. Das war die Rolle von Tim Duncan bei diesem wundersamen Ritual, das er und Gregg Popovich jahrelang zu Beginn der Vorbereitung auf eine neue Spielzeit aufführten. Nach einer schwächeren Aktion von Duncan stauchte der Trainer der San Antonio Spurs seinen Star vor versammelter Mannschaft derart zusammen, dass sich die jüngeren Spieler verblüfft und verschreckt ansahen.

Niemand, das war die Botschaft dieses Schauspiels, darf bei diesem Basketballklub eine Sonderrolle für sich beanspruchen, noch nicht einmal der fünfmalige Meister und 15-malige All-Star Duncan. Der nahm den Anschiss ohne Widerworte hin und versicherte den Mitspielern danach, dass der Trainer schon recht gehabt habe.

Popovich muss sich nun einen neuen Partner für seine Darstellung des Gleichheitsprinzips bei den Spurs suchen, denn der 40 Jahre alte Duncan hat am Montag seine Karriere beendet.

In der nordamerikanischen Profiliga NBA, deren Protagonisten mittlerweile lieber Marken als Sportler sein wollen, war Duncan einer der Letzten einer aussterbenden Spezies. Er war kein Selbstdarsteller, kein eitler Pfau, kein Müllredner - am liebsten sprach er überhaupt nicht. Er nahm Erfolge ebenso gleichmütig hin wie Niederlagen: Als ihn Popovich etwa während der Finalserie gegen Miami im Jahr 2013 durch Boris Diaw ersetzte und damit das Spiel und letztlich den Titel verlor, beschwerte sich Duncan nicht über die Auswechslung, sondern verfolgte das Spiel mit stoischem Blick. Nachher sagte er, dass der Trainer schon recht gehabt habe.

"Wenn du Freude zeigst, dann zeigst du oftmals auch Enttäuschung und Wut", sagte Duncan, der an der Uni in Wake Forest einen Abschluss in Psychologie machte: "Wenn dein Gegner das bemerkt, dann hat er einen Vorteil." Er frustrierte seine Kontrahenten nicht nur mit aufmerksamer Verteidigung und präzisen Würfen, die meist vom Brett in den Korb tropften - er zermürbte sie dadurch, weil er dabei guckte wie ein Panda beim Bambuskauen.

In einem kleinen Kreis: Die NBA-Profis mit den längsten Karrieren

Jahre Spieler Zeitraum

21 Robert Parish 1976 - 1997

Kevin Willis * 1984 - 2007

Kevin Garnett 1995 - 2016

20 Kareem Abdul-Jabbar 1969 - 1989

Kobe Bryant 1996 - 2016

19 John Stockton 1984 - 2003

und acht weitere Spieler, darunter

Tim Duncan 1997 - 2016

-------

* Willis setzte zwei Spielzeiten aus

Er war nicht sexy, keiner für spektakuläre Videos oder Poster im Kinderzimmer. Er war einfach nur gut: In jeder seiner 19 Spielzeiten erreichten die Spurs die Playoffs. Zweimal wurde der 2,11 Meter große Flügelspieler zum wertvollsten Spieler der Liga gewählt, drei Mal zu dem der Finalserie.

Nowitzki: "Er wollte nie eine Marke aus sich machen"

Die bedeutendste, die symbolischste Statistik dieser Karriere - Duncan ist einer, der in inklusive Playoffs 1643 NBA-Partien durchschnittlich 19,2 Punkte und 10,9 Rebounds schaffte - stammt von den All-Star-Spielen, bei denen jeder glänzen und spektakulär Punkte erzielen darf. Duncan schaffte bei diesen Gaudi-Zockereien kaum Punkte (9,9), er kümmerte sich wie bei den Spurs lieber um die Drecksarbeit und holte deshalb durchschnittlich 9,1 Rebounds.

Viele seiner Kollegen strömten zum Rampenlicht wie Motten, Duncan erledigte zuverlässig seine Arbeit und setzte sich dann lieber wieder in den Schatten. "Es ging ihm immer nur ums Gewinnen. Er wollte nie eine Marke aus sich machen. Das habe ich am meisten bewundert", sagte der aus Würzburg stammende Power Forward Dirk Nowitzki von den Dallas Mavericks über seinen langjährigen Rivalen, und fügte hinzu: "Bester Forward aller Zeiten."

Er ist der Einzige, der Titel in drei Dekaden gewonnen hat

Auch LeBron James würdigte Duncans Karriereleistung. "Timmy D, du weißt, wie viel ich von dir halte. Ich danke dir für das, was du für mich und die gesamte NBA getan hast", twitterte der aktuelle NBA-Meister mit den Cleveland Cavaliers. Duncan ist der einzige Spieler der NBA-Historie, der Titel in drei verschiedenen Dekaden gewonnen hat (zuletzt 2014), er hat diese Liga in jüngerer Vergangenheit geprägt wie vielleicht nur Kobe Bryant. Der kündigte sein Karriereende in einem rührseligen Brief an, absolvierte eine groteske Abschiedstour und erzielte bei seiner letzten Partie 60 Punkte. In der Pressemitteilung der Spurs wird Duncan nicht einmal zitiert.

Die Liga hat sich gewandelt in den vergangenen Jahren, die erhöhte Gehaltsobergrenze und die Regeln für vertragslose Spieler haben dazu geführt, dass Kevin Durant durch den Wechsel zu den Golden State Warriors seine persönliche Titelchance erhöht, anstatt sich der Konkurrenz zu stellen. Es hat aber auch dazu geführt, dass durchschnittliche Spieler mit aufgeblasenen Millionen-Verträgen ausgestattet werden. Das ist nicht mehr die Welt von Tim Duncan, der einst auf viel Geld verzichtet hat, damit die Spurs konkurrenzfähig bleiben konnten. Er hat diesen Mikrokosmos nun verlassen, so wie man ihn in den vergangenen 19 Jahren kennengelernt hatte. Ohne Worte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: