Basketball:Zirkus der Giganten

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Devin Booker (li.) ist einer der neuen Spieler beim FC Bayern, die helfen sollen, den Meister zu stürzen. Der Italiener Nicolo Melli hat im vergangenen Jahr seinen ersten deutschen Titel gewonnen, er will Booker und Kollegen erneut in die Schranken weisen.

(Foto: Imago)

Bunte Brillen, flinke Händchen und enge Sitzreihen im Flugzeug: Das Spiel zwischen Bamberg und München verspricht hochklassigen Basketball.

Von M. Schmid, P. Schneider und R. Tögel

Es ist so weit: das Duell der Giganten, der Branchengrößen, der erste Saisonhöhepunkt. Ein bisschen übertrieben? Keineswegs, auch wenn es noch früh in der Saison ist, kommt dem Spiel zwischen Brose Bamberg und dem FC Bayern München am Sonntag (20.30 Uhr, Bamberg) viel Aufmerksamkeit zu. Die Fakten: Beide Mannschaften sind ungeschlagen, sie sind die Favoriten auf die Meisterschaft, diese zwei Kontrahenten haben den deutschen Basketball in den vergangenen Jahren auf ein neues Level gehoben. Doch am Ende sind es Menschen, die da auf dem Spielfeld stehen, aus Fleisch und Blut - ein Vergleich der maßgeblichen Körperteile.

Die Beine

Brose Bamberg: Die Bamberger Basketballer genießen bei den Charter-Flügen zu ihren erstklassigen Gegnern in der Euroleague natürlich auch eine erstklassige Beinfreiheit. So viel wie nie zuvor sitzen die Spieler des deutschen Meisters im Flugzeug, weil das neue Format im stärkste Klubwettbewerb Europas allein 15 Auswärtsspiele vorsieht. Am Donnerstag hatten sie nun ein Heimspiel gegen Mailand, das die Bamberger nach Verlängerung mit 106:102 gewannen. Sind ihre Beine gegen den FC Bayern nun müde und langsam? Ist nicht zu erwarten. Bamberg kann sich den tiefsten und auch exklusivsten Kader in Deutschland mit außergewöhnlichen Spielern wie dem früheren NBA-Profi Darius Miller und dem griechischen Europameister Nikos Zisis leisten. Der frühere Bayern-Profi Lucca Staiger zum Beispiel spielte gegen Mailand keine Sekunde.

FC Bayern: Auch lang wie Giraffenstelzen und somit schwer in die engen Sitzreihen der Linienflugzeuge zu bringen, die den FCB zu ihren Gegnern im zweitklassigen Eurocup bringen. Seit dieser Saison sind die Beine auch: schnell und athletisch. Uli Hoeneß, erster Basketball-Förderer der Münchner, der sich vor seiner Wiederwahl zum Präsidenten öffentlich zunehmend warm redet, will neuerdings Spektakel sehen. "Wir profitieren jetzt davon, dass wir auch große Leute haben, die sehr athletisch sind", erklärt er die Zugänge Alex King (2,01 Meter), Vladimir Lucic (2,04 Meter), Devin Booker (2,05) und natürlich Ondrej Balvin (2,17). Vorbei sind die Zeiten von Spielern wie "Big" John Bryant, der sein Gewicht nicht immer optimal auf seine 2,11 Meter Körpergröße (siehe Bauch) verteilte. Er habe das Spiel langsam gemacht mit seiner Statur, findet Hoeneß. Für Bryant sei es "schwer gewesen, im Sprint rückwärts zu laufen. Oder auch einen Überfallangriff zu machen." Kein Problem mehr, die neuen Beine sind flinker.

Der Kopf

Bamberg: Der markanteste Lockenkopf der Liga gehört zweifellos Trainer Andrea Trinchieri, modisch garniert von seinen bunten Brillen. Hinter diesen zermartert er sich am liebsten sein Hirn über listige Taktiken. Der Italiener lässt gerne auch mal drei kleine Spieler auflaufen, eventuelle Gemeinsamkeiten mit den Golden State Warriors aus der NBA, die mit wuseligen, pass- und wurfstarken Spielern zu den besten Mannschaften der Welt gehören, sind nicht zufällig. Auch die Bamberger passen den Ball schnell weiter zum besser postierten Mitspieler, als würde er glühen.

Bayern: Trainer Sasa Djordjevic mag mit seinem rasierten Schädel und dem Gefrier-Blick rein äußerlich dem von Marlon Brando gespielten Colonel Kurtz in Apocalypse Now ähneln. Woran auch die himmelblaue Brille (vergleiche: Kopf, Bamberg) nichts ändert. Doch sein Wesen ist weitaus liebenswerter. Der ehemalige Weltklassespieler (Weltmeister 1998) spielt im Training immer noch locker mit, verteilt die Bälle flink und präzise wie früher, dann schnappt sich der 49-Jährige einen Stuhl, klemmt ihn zwischen die Beine, setzt sich verkehrt herum drauf und hält die Pressekonferenz in der Halle ab: Der Bayern-Kopf ist ein besonders lässiger. Während der Matches ist er meist an der Seitenlinie so unaufgeregt wie Colonel Kurtz. Kaum Gesten, kaum rudernden Arme, nur das Nötigste. Meist. In Malaga war das schon anders, mal sehen ob in Bamberg wieder Colonel Kurtz an der Linie steht.

Die Hände

Bamberg: Hat gewöhnlich jeder zwei, im Optimalfall an jedem Arm eine. In Leon Radosevic sind rechtzeitig vor dem Spitzenspiel zwei weitere hinzugekommen. Der Kroate ist nach einer Knöcheloperation wieder genesen. Diese Hände brauchen die Bamberger vor allem unter dem eigenen Korb, gegen die athletischen und beweglichen Center beim Gegner. Radosevic ist ein äußerst lästiger Verteidiger, der seinen Gegenspielern auch mal die Lust am Spielen nehmen kann. Sein Kollege Vladimir Veremeenko ist zwar mit 2,08 Metern noch ein Zentimeterchen größer, doch der Zugang tapst bisweilen so unbeholfen wie ein Tanzbär im Zirkus (siehe: Beine, Bayern) umher. Gegen Tübingen oder Hagen reicht das, aber gegen den FC Bayern?

Bayern: Sind seit dieser Woche komplett, die letzten beiden Hände sind da: Combo Guard Nick Johnson. In dem 23-Jährigen glauben die Münchner den entscheidenden Mann gefunden zu haben, der sich mit den Kreativspielern Reggie Redding, Alex Renfroe und Anton Gavel optimal ergänzt. "Johnson hat den Körper von Anton, den Instinkt von Alex und den Kopf von Reggie. Er ist eine Mischung aus allen dreien", sagt FCB-Sportchef Marko Pesic über seinen neuen Lieblingshybriden. 28 Mal stand er für die Houston Rockets in der NBA auf dem Parkett, er will lernen, sich schnell an den europäischen Basketball anpassen. Es wird sich zeigen, ob der Bayern-Sportchef das richtige Händchen hatte.

Der Bauch

Bamberg: Sollte bei einem Basketballer im Idealfall nicht sonderlich dick sein, sonst könnte es schnell zu Ende gehen (siehe: Beine, Bayern) - wegen Problemen beim Überfallangriff. Der Bauch ist aber nicht nur als Nahrungsspeicher wichtig, sondern auch für bestimmte Gefühle. Hört man auf selbige, muss man Bamberg zum Favoriten erklären. Das sei die Mannschaft, die es auf dem Weg zur Meisterschaft zu schlagen gelte. Anton Gavel, der noch nie einen dicken Bauch hatte, hat das gesagt. Keiner kann das so gut wissen wie er, Gavel hat jahrelang in Bamberg und München gewohnt und lecker gegessen.

Bayern: Die Münchner haben den wohl bekanntesten Bauchmenschen der Nation. Und der gibt momentan wieder den Ton an. Für Hoeneß ist es nicht nur eine Herzensangelegenheit, sondern auch eine Frage der Ehre. Der Bald-wieder-Präsident will sein Basketball-Projekt bekanntlich an die nationale Spitze hieven, weshalb er derzeit auffallend präsent in dieser Sparte ist. Sein Bauchgefühl sagt ihm, wie wichtig dafür ein Gegner wie Bamberg ist.

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