Auftritt von Holger Geschwindner:Unfug aus Dirk Nowitzkis Alphabet

Auftritt von Holger Geschwindner: Der Basketball-Kauz bittet zum Tanz: Holger Geschwindner, ehemaliger deutscher Meister und Nationalspieler, begeistert Münchner Sportstudenten.

Der Basketball-Kauz bittet zum Tanz: Holger Geschwindner, ehemaliger deutscher Meister und Nationalspieler, begeistert Münchner Sportstudenten.

(Foto: Claus Schunk)
  • Holger Geschwindner, Mentor von Dirk Nowotzki, begeistert Münchner Studenten mit seinen irrwitzigen Übungen - und tanzt sogar mit ihnen.
  • Für die einen ist der 69-Jährige ein verrückter Kauz, für die anderen ein Genie, das mit seinen ausgefallenen Ideen Dirk Nowitzki erst zu dessen Weltkarriere verholfen hat.
  • Zu seiner aktiven Zeit war er der kreativste deutsche Basketballer und spielte auch in München.

Von Matthias Schmid

Am Ende seiner eineinhalbstündigen Vorführung entrollt Holger Geschwindner vier Plakate, er legt sie auf den Boden und streicht jedes einzelne noch mal glatt. Darauf zu sehen sind Striche, Kreise, Dreiecke, Doppelpunkte. "Das ist Basketball-Steno", erklärt Geschwindner "das sieht alles recht kompliziert aus, wie Hieroglyphen." Es sind die Symbole aus dem geheimen Alphabet, das die Geschichte erzählt, wie Dirk Nowitzki zu dem wurde, was er heute ist: einer der besten Basketballer, die dieser Sport je hervorgebracht hat.

Auf den Plakaten sind all die Übungen des Aufwärmprogramms zusammengefasst, die Nowitzki und sein Mentor bisher ausgegrübelt haben. Sie sind in keinem Lehrbuch zu finden. "Wundern Sie sich also nicht", hatte Geschwindner am Mittwoch in der Dreifachhalle des Münchner Sportinstituts angekündigt, "wenn alles anders sein wird, als Sie es gewohnt sind. Wir kommen ja schließlich vom Institut für angewandten Unfug."

Vor 38 Jahren war er in München noch ein Pin-up-Boy

Die Studenten erkennen schnell, dass der gebürtige Hesse nicht einfach nur Korbleger und Distanzwürfe anordnet, wenn er ihnen seinen ganz eigenen Basketball-Kosmos erklärt. Es ist für beide Seiten kein alltäglicher Termin. Hier an der Connollystraße war Geschwindner vor 38 Jahren das letzte Mal in das Trikot des Erstligisten USC München geschlüpft.

"Die lebende Legende hing damals als Poster über meinem Bett", erzählt der Basketball-Dozent Gernot Bleicher: "Er war ein Modellathlet." Die Tribüne, die Anzeigetafel und auch die Uhren an der Hallenwand haben sich seit 1977 nicht verändert, aber aus dem Pin-up-Boy von damals ist ein älterer Herr mit lichtem, grauem Haar geworden. Und Geschwindner hatte sich eine Jogginghose aus dem Schrank geholt, die fast so alt sein dürfte wie die Halle selbst.

Geschwindner tanzt mit den Studenten

Der heute 69-Jährige, der Mathematik, Physik und Philosophie studiert hat, ist ein Mensch, der polarisiert. Für die einen ist er ein verrückter Kauz, für die anderen ein Genie, das mit seinen ausgefallenen Ideen Dirk Nowitzki erst zu dessen Weltkarriere verholfen hat. Um seine Übungen zu demonstrieren, hatte er drei hochbegabte Jungs aus Bamberg mitgebracht, die mit ihm an Wochenenden in der Halle stehen, üben und davon träumen, dass sie eines Tages wie Nowitzki in der NBA auflaufen.

Sie zeigen vor Korblegern doppelte Pirouetten wie Eiskunstläufer, irrsinnige Moves wie Hip-Hopper und Sprünge, die Rumpelstilzchen heißen. "Das hat schon Showeffekt", findet Geschwindner, aber alles dient einem höheren Ziel: einer ganzheitlichen Entwicklung. Seine Spieler sollen geschmeidiger, beweglicher und geschickter sein als ihre Gegner. "Die meisten Germanen stolpern ja nur in der Gegend rum", findet er.

Nowitzki musste Saxofonspielen lernen

Es sind Aussagen wie diese, die den viermaligen deutschen Meister und Nationalspieler zum Sonderling in der Szene machen, Kritiker können auch wenig damit anfangen, dass für ihn Basketball viel mit Musik zu tun hat, mit Jazz. Ernie Butler, ein ehemaliger amerikanischer Mitspieler von Geschwindner, hat Nowitzki das Saxofonspielen beigebracht und ihm gezeigt, dass Basketball-Bewegungen mit einem Rhythmus viel leichter zu lernen sind. Also tanzt auch Geschwindner in München mit den Studenten, bis sie johlen und alles mit ihren Smartphones festhalten. Er übt niemals ohne Ball. "Alles andere macht ja keinen Spaß", erklärt Geschwindner. Alles sei erlaubt, alles wird ausprobiert, "sofern es die Basketballregeln nicht verletzt".

"Holger war damals der beste deutsche Spieler und der Zeit mit seiner Kreativität weit voraus", sagt Janos Belik, der mit ihm beim USC spielte und jahrelang Präsident der München Baskets war. Seine Visionen, sein Know-how gibt Geschwindner nun weiter. Wenn es sein muss auch auf Suaheli, sagt er, "weil wir die Übungen der Dritten Welt nicht vorenthalten wollen".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: