Basketball:Über Bayern

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Vor Beginn der Playoffs bestätigen die Klubs aus dem Freistaat ihre Vormachtstellung in der Bundesliga. München trifft zum Auftakt auf Berlin.

Von Joachim Mölter, München

Im Grunde betreibt der Basketball-Bundesligist Ratiopharm Ulm Etikettenschwindel: Weder die Geschäftsstelle, noch die Trainings- oder die Spielhalle befinden sich in Ulm. Der Klub ist jenseits der Donau zu Hause, in der Nachbarstadt Neu-Ulm. Der Unterschied ist größer als nur drei Buchstaben: Wenn man den Fluss überquert, überschreitet man auch die Landesgrenze von Baden-Württemberg nach Bayern. Man darf also guten Gewissens behaupten, dass der Weg zur deutschen Basketball-Meisterschaft der Männer in diesem Jahr nur durch und über Bayern führt: Wer den Titel holen will, muss dort gewinnen und zwar mehr als nur einmal.

Der Freistaat hat sich zum Zentrum der Basketball-Bundesliga entwickelt, wie ein Blick auf die Meisterliste dieses Jahrzehnts zeigt: Seit 2010 ist dort sechsmal Brose Bamberg verzeichnet und einmal der FC Bayern München (2014). Der Blick auf die ersten vier Tabellenplätze nach der aktuellen Hauptrunde bestätigt diese Vormachtstellung: Hinter den schwäbischen Ulmern aus dem bayerischen Neu-Ulm folgen Titelverteidiger Bamberg, der FC Bayern sowie das Überraschungsteam Medi Bayreuth auf den Plätzen zwei, drei und vier. Diese Mannschaften haben sich einen Heimvorteil für die am kommenden Wochenende beginnenden Playoffs der besten Acht erarbeitet, die nach dem Modus "Best of five" ausgespielt werden: Die ersten Vier haben Heimrecht zum Auftakt sowie im dritten Spiel, in dem die Serie frühestens entschieden werden kann, und in der fünften und dann letzten Partie wieder, falls das Duell über die volle Distanz geht. Um eine Runde weiter zu kommen, genügt es also, die Heimspiele zu gewinnen. Im Umkehrschluss bedeutet das für ihre Gäste: Sie müssen mindestens einmal auf bayerischem Boden erfolgreich sein.

Während die halb- und vollbayerischen Klubs ihre Reihenfolge bereits am vorletzten Bundesliga-Spieltag festlegten und somit am letzten entspannt aufspielen konnten, rangelte die Konkurrenz bis zuletzt um die Plätze fünf bis acht, und das zufälligerweise in direkten Vergleichen: Telekom Bonn unterlag dabei am Montag EWE Oldenburg 72:86, was einen Tausch der Ränge fünf und sieben zur Folge hatte; Alba Berlin besiegte zur gleichen Zeit die MHP Riesen Ludwigsburg 86:76, was für diese beiden Mannschaften nichts änderte. Die Ludwigsburger treffen als Tabellenachter nun in der ersten Playoff-Runde auf Tabellenführer Ulm, das hat mehr Brisanz als es den Anschein hat. Die Mannschaft von Trainer John Patrick ist vielleicht nicht gerade ein Angstgegner der Ulmer, aber sicher ein unangenehmer Kontrahent: Im Januar verhinderten die Riesen den Einzug von Ulm in die Pokal-Endrunde (72:67), am Samstag fügten sie Ratiopharm die erst zweite Saison-Niederlage im Liga-Betrieb zu. Die fiel mit 79:61 sogar recht deutlich aus, was Ulms Coach Thorsten Leibenath trotz allem nicht sonderlich beunruhigte: "Der Knackpunkt war im dritten Viertel, als Ludwigsburg einen 14:0-Lauf hingelegt hat", resümierte er, "davon konnten wir uns nicht mehr erholen, dazu haben uns heute Mittel und Personal gefehlt."

Die Ulmer waren ohne die angeschlagenen Amerikaner Da'Sean Butler, Braydon Hobbs und Casey Prather in die Partie gegangen, die alle für die Playoffs geschont wurden; dafür bekamen heimische Talente wie Joschka Ferner, 21, David Krämer, Marcell Pongo, beide 20, und Till Pape, 19, viel Einsatzzeit. Zudem nahmen sich Ulms bester Korbjäger Raymar Morgan sowie Spielmacher Per Günther quasi eine Auszeit: Morgan verwandelte nur einen seiner neun Würfe, Günther gar keinen Wurf bei sieben Versuchen.

Bambergs Coach Andrea Trinchieri schonte seine Akteure am letzten Wochenende vor den Playoffs ebenfalls, zum Teil allerdings unfreiwillig. Spielmacher Nikos Zisis war beim mühsamen 85:84 gegen Bremerhaven am Samstag schon nach zwei Minuten umgeknickt, der Grieche pausierte beim abschließenden 74:61 in Jena am Montag. An seiner Stelle feierte der 19 Jahre alte Litauer Arnoldas Kulboka sein Liga-Debüt, ein ordentliches dazu. Der 2,05-Meter-Mann sammelte auf Anhieb 13 Punkte. Kurz vor Beginn der entscheidenden Saisonphase gönnte sogar der FC Bayern einem älteren Spieler eine Pause: Anton Gavel, 32, konnte sich das 110:60 gegen Gießen () am Montag in Zivil anschauen, für ihn durfte Karim Jallow, 20, ran. "Es war wichtig für uns, die Hauptrunde in guter Art und Weise zu beenden", bilanzierte FC-Bayern-Coach Aleksandar Djordjevic offenbar guten Mutes. Dass seine Mannschaft zwei Tage zuvor in Bayreuth einen 17-Punkte-Vorsprung verspielt und nach 15 Siegen in Serie erstmals wieder verloren hatte (72:74), fand der Serbe jedenfalls nicht so dramatisch. "Für uns ist es gut, dass wir mal wieder verloren haben", fand er sogar und erklärte: "Wichtiger als die Siegesserie ist, dass wir uns jetzt auf die Playoffs fokussieren, nicht auf den 16. oder 17. Erfolg. Ab jetzt liegt der Fokus voll auf Alba Berlin." Gegen Berlin besteht ja immer eine große Rivalität, das hat Djordjevic in seinem ersten Jahr in Bayern schon gelernt.

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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