Basketball:Training bis nach Mitternacht

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Auf dem Sprung: Dennis Schröder (rotes Trikot) ist bislang der beste Akteur der deutschen Nationalmannschaft, hier gegen Georgien. (Foto: Berney Ardov/dpa)

Vor allem die jungen NBA-Profis prägen das Spiel ihrer Mannschaften zu Beginn dieser Europameisterschaft. Das deutsche Team profitiert bei den beiden ersten Siegen des Turniers vom Können von Dennis Schröder.

In den letzten Tagen vor dieser Basketball-Europameisterschaft ist Dennis Schröder, 23, dabei beobachtet worden, wie er des Nächtens heimlich das deutsche Mannschaftshotel in Tel Aviv verließ. Wer nun glaubt, der ständig von einer Entourage von Freunden begleitete und deswegen kritisch beäugte Spielmacher sei fröhlich um die Häuser gezogen, muss sich offenbar eines Besseren belehren lassen: Die Beobachter berichteten nämlich, dass Schröder zwar tatsächlich bis weit nach Mitternacht unterwegs gewesen sei, allerdings in einer Turnhalle, wo er an seinem Wurf gefeilt habe. Und dabei habe er einen "laser-fokussierten" Eindruck gemacht.

Schröders Auftritte in den ersten drei Vorrundenpartien der deutschen Mannschaft scheinen diese Fokussierung aufs Spiel zu belegen: Beim 75:63 zum Turnier-Auftakt über die Ukraine und beim 67:57 über Georgien war er nicht zu stoppen. Und auch die erste Niederlage am Sonntagabend gegen Gastgeber Israel mit 80:82 (43:43) war dem Braunschweiger kaum anzukreiden. Wenn er die gegnerische Abwehr nicht gerade wie ein Laser durchschnitt und den Ball in den Korb legte, traf er aus der Mitteldistanz sowie aus der Ferne; mit 32 sowie 23 und 20 Punkten war er jeweils bester Werfer der deutschen Auswahl. Nur der Slowene Goran Dragic hat mehr Punkte erzielt in den ersten drei Partien, 26,3 im Durchschnitt.

Den ersten Eindrücken zufolge werden Schröder und Dragic bei diesem Turnier um die Auszeichnung des besten Spielmachers rangeln. Und den ersten Eindrücken zufolge werden es auch bei der diesjährigen Basketball-EM mit den Vorrundenspielorten Helsinki, Tel Aviv, Cluj Napoca (Rumänien) und Istanbul die in der US-Liga NBA beschäftigten Profis sein, die dem Turnier ihren Stempel aufdrücken. Wobei sich ein Generationenwechsel abzeichnet.

Zwar gibt es immer noch unverwüstliche Akteure wie die in San Antonio bzw. Memphis angestellten Gasol-Brüder Pau, 37, und Marc, 32, die das Spiel ihrer Mannschaft prägen, in diesem Fall das von Titelverteidiger Spanien. Auch Dragic ist mit seinen 31 ja nicht mehr der Jüngste. Aber die jungen NBA-Profis schieben sich immer mehr in den Vordergrund. Wobei "jung" sowohl jung an Jahren als auch jung an NBA-Erfahrung bedeuten kann. So ist Dennis Schröder mit seinen 23 Jahren ja nicht alt, geht aber demnächst schon in seine fünfte Saison bei den Atlanta Hawks. Demgegenüber steht einer wie der noch 20 Jahre alte Finne Lauri Markkanen, der gerade erst von den Chicago Bulls verpflichtet worden ist. Und der nun bei dieser EM zeigen will, dass er tatsächlich in die beste Liga der Welt gehört. Der 2,13 Meter große Center beeindruckte bislang als bester Mann seiner Mannschaft, sowohl beim 86:84-Überraschungssieg über Frankreich (22 Punkte und sieben Rebounds) als auch beim 78:81 gegen Slowenien (24 Punkte, erneut sieben Rebounds).

Nun ist es tatsächlich so, dass jedes Team, das einen NBA-Profi in seinen Reihen hat, von diesem auch angeführt wird. Ein paar Beispiele: Bogdan Bogdanovic, 25, gerade von den Sacramento Kings in die NBA geholt - effektivster Spieler der serbischen Mannschaft. Oder der Türke Cedi Osman, 22, demnächst beim NBA-Finalisten Cleveland Cavaliers im Kader - bester Werfer seines Teams. Oder der Lette Kristaps Porzingis, 22, seit einem Jahr in New York tätig - ebenfalls bester Werfer. Oder der Spanier Willy Herangomez, 23, auch seit 2016 in New York unter Vertrag - bester Rebounder seines Teams. Schließlich Tomas Satoransky, 25, seit einem Jahr in Washington - Tschechiens bester Pass- und Vorlagengeber.

Satoransky gehört zu den NBA-Profis, die bei dieser EM wieder richtig aufblühen. Der 2,01 Meter große Tscheche war ja zuvor in Sevilla und Barcelona hauptsächlich als Spielmacher eingesetzt worden, in Washington schoben sie ihn wegen seiner Größe aber meistens auf den Flügel ab, wo er nicht so zur Geltung kam. Nun ist er wieder in seinem Element.

Bei dieser EM spielt im Übrigen auch ein Talent vor, das viele für den nächsten großen NBA-Star vom alten Kontinent halten, der Slowene Luka Doncic, 18. Der bei Real Madrid aktive Teenager misst 2,01 Meter, er gilt als ein Guard-Typ wie Satoransky, nur vielseitiger und korbgefährlicher. Bei diesem Turnier soll Doncic vor allem lernen, in NBA-Routinier Goran Dragic hat er einen idealen Mentor. Wenn Real Madrid nicht aufpasst, ist Luka Doncic im nächsten Sommer auch in der NBA. Und bei der nächsten EM 2019 schon einer der spielbestimmenden Männer seines Teams.

© SZ vom 04.09.2017 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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