Basketball-Trainer Phil Jackson:Termiten statt Sonnenuntergänge

Phil Jackson

Er ist ein Guru mit mehr Meisterschaftsringen als Fingern an den Händen: Phil Jackson versucht sich nun in New York.

(Foto: dpa)

Phil Jackson ist der erfolgreichste Trainer der nordamerikanischen Basketball-Liga NBA. Er hat elf Mal die Meisterschaft gewonnen - jetzt verlässt er überraschend Los Angeles, um als Team-Präsident die maroden New York Knicks zu übernehmen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Warum? Das ist die Frage, die einem nicht mehr aus dem Kopf geht, wenn man vor diesem wunderbaren Strandhaus von Phil Jackson in Playa Vista steht. Von der Terrasse aus braucht man keine zehn Sekunden, dann berühren die Füße den weißen Sand. Noch ein paar Schritte weiter, dann steht man im Pazifischen Ozean und kann sich gemeinsam mit den Delfinen den Sonnenuntergang ansehen. Also noch einmal: Warum? Warum sollte jemand auf dieses Anwesen verzichten, um in New York ein Haus zu übernehmen, das kurz vor dem Einsturz steht?

Jackson, 68, wird am Dienstag von den New York Knicks als President of Basketball Operations vorgestellt werden. Das klingt imposant, sein Amt wird mit zwölf Millionen Dollar honoriert, als Gegenleistung soll Jackson als Klub-Architekt ein Team schaffen, das zumindest mittelfristig um die Meisterschaft mitspielen kann.

Klar, es sind die Knicks, es ist New York, und Jackson hatte dort auch irgendwann mal selber gespielt. Dennoch: Das Haus, das Jackson übernehmen soll, ist teuer, marode und von Termiten befallen. Es geht um den kompletten Verein, über den Jackson noch vor einem Jahr sagte: "Es gibt viel zu viel Arbeit, die man in dieses Team investieren muss."

Jackson gilt als Zen-Meister in der nordamerikanischen Basketballliga NBA. Bezogen auf seinen neuen Job wäre er vielleicht ein Feng-Shui-Architekt, der die Zimmer durchaus individuell gestaltet, aber stets ein harmonisches Gesamtgebilde errichtet. Er brachte als Trainer der Chicago Bulls dem Egomanen Michael Jordan bei, dass es noch andere Mitspieler gibt und gewann drei Titel.

Später integrierte er den leicht wahnsinnigen Dennis Rodman und holte darauf drei weitere Meisterschaften. Bei den Los Angeles Lakers brachte er den beiden Pfauen Kobe Bryant und Shaquille O'Neal bei, dass sie nur gemeinsam erfolgreich sein können - wieder gab es drei Titel. Und als O'Neal seine Federn woanders präsentieren wollte, holte Jackson den schüchternen Pau Gasol und wurde noch zwei Mal Meister. Als Coach hat er mehr Meisterschaftringe gewonnen, als er Finger hat: elf.

In New York trifft er auf den tasmanischen Teufel. Der Eigentümer der Knicks ist James L. Dolan, ein für seine Wutausbrüche bekannter Unternehmer, zu dessen Hobbys das Feuern von Managern (fünf in den vergangenen zwölf Jahren) und Trainern (sechs im gleichen Zeitraum) zählt. Die Knicks sind vor allem deshalb erfolglos, weil sie immer wieder Spieler mit aufgeblasenen Verträgen ausgestattet haben, die entweder verletzt waren oder enttäuschten. Der Verein bezahlt die zweithöchsten Gehälter in der NBA, dürfte aber in diesem Jahr erneut die Ausscheidungsrunde verpassen.

Auch Jackson kann an dieser Misere kurzfristig kaum etwas ändern. Der prägende Spieler Carmelo Anthony dürfte sich im Sommer zum "Free Agent" erklären, die Knicks müssen ihm wohl den Maximalvertrag (129 Millionen US-Dollar für fünf Jahre) anbieten, damit er in New York bleibt. Danach bliebe kaum Spielraum, um talentierte Akteure nach New York zu locken. Zudem haben die Knicks das Erstrunden-Wahlrecht für die kommende Auswahl der besten Nachwuchsakteure vor vier Jahren an Denver abgegeben.

Sogar Jeanie Buss zieht mit um

Dass sich der ehemalige Trainer Jackson, der noch nie Manager war, trotz dieser Hindernisse den Job antut, könnte einen einfachen Grund haben. Er will beweisen dass er auch ein guter Manager ist. Wie der einstige Trainer Pat Riley, der in Miami zeigte, wie es geht: Er lockte 2005 O'Neal und Gary Payton zu den Heat und gewann den Titel. Im Sommer 2010 dann holte er Chris Bosh und LeBron James, es folgten bislang zwei Meisterschaften. Aus dem Showtime-Trainer Pat Riley war ein gewiefter Spielerflüsterer geworden.

Diesen Beweis könnte Jackson statt in New York zwar auch bei den Lakers antreten, doch die persönlichen Motive, die ihn bislang an den Klub aus Los Angeles banden, haben sich erledigt. Jeanie Buss, seine Lebensgefährtin, die Anteile an den Lakers hält, scheint nun doch bereit zu sein, mit ihm umzuziehen. In der vergangenen Woche spazierte sie vor dem Strandhaus in Playa Vista mit ihrem Hund und trug eine Kapuzenjacke, auf der New York stand.

Auf Nachfrage sagte sie: "Das ist mein Lieblingsshirt." Buss zankt mit ihrem Bruder Jim gerade über die Ausrichtung des Vereins - der hatte nach dem Tod seines Vaters Jerry Buss durchgesetzt, dass Phil Jackson im Herbst 2013 keine dritte Amtszeit als Trainer bekam. Auf die Frage, ob New York für ihren Lebensgefährten etwas Besonderes sei, antwortete Jeanie Buss: "Natürlich! Dort war er als Spieler."

Die Knicks hatten damals an diesen jungen Mann geglaubt, der vielleicht weniger Talent hatte als viele andere, der aber mit seinem Engagement dabei half, zwei Titel zu gewinnen. Die Lakers dagegen haben ihn zuletzt verschmäht. Tatsächlich ist es wohl so, dass da einer helfen will, so lange das auch dauern und so schwer das auch sein mag, das kaputte Haus seiner Kindheit wieder in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Dafür kann man schon ein paar Sonnenuntergänge verpassen.

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