Basketball:Tanzende Freaks

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Bamberg gewinnt das umkämpfte und lange offene Derby gegen den FC Bayern 100:87 - angetrieben von den überragenden Miller und Wanamaker, die zusammen 52 Punkte erzielen

Von Philipp Schneider

Manchmal, eher selten, geschehen mehrere große Ereignisse an einem Tag. Am Sonntag war Nikolaustag, außerdem der 39. Geburtstag von Marko Pesic; und weil es der Zufall offenbar so wollte, musste der Sportdirektor der Basketballer des FC Bayern München auch noch nach Bamberg reisen, um dort eine nicht unbedeutende 87:100 (46:43)-Niederlage seiner Mannschaft zu erleben. Und für den deutschen Meister erzielte auch noch der Grieche Zisis sieben Punkte, der mit Vornamen Nikolaos heißt. Sei's drum.

"Es war ein sehr gutes Spiel. Richtige Werbung für unseren Sport. Aber diese Werbung wollten wir natürlich auch gewinnen", gestand später sein Vater, der Bayern-Trainer Svetislav Pesic. "Bamberg hat in den letzten fünf Minuten mehr Frische gezeigt und alles getroffen." In der Tat: Im letzten Viertel trafen die Bamberger zehn von zwölf Würfen, die Hälfte davon Dreier. Neben Pesic saß also Bambergs Trainer Andrea Trinchieri, und dessen Begeisterungslevel erreichte einen Rekordwert, als er sprach: "An manchen Abenden wollen die Spieler eine Partie unbedingt gewinnen." Und diese gerade beendete sei "die beste, die ich jemals erlebt habe".

Bamberg gegen Bayern, das war in erster Linie die Neuauflage der Finalserie der vergangenen Saison. Und es gab ja am Sonntag keinen Einwohner von "Freak City", in dessen Kopf die Erinnerungen an das knappe 3:2 schon verblasst gewesen wären: an den Moment, als sich Bamberg in eigener Halle mit einem 88:84 die siebte deutsche Meisterschaft seit 2005 sicherte und den Titelverteidiger aus München entthronte. Sie hatten auch nicht vergessen, dass Bayern-Trainer Svetislav Pesic nach dem Spiel moserte, die Schiedsrichter hätten seine Mannschaft verunsichert. "Heulsuse Pesic", sangen die Menschen aus der Stadt der Freaks am Sonntag, dazu hielten sie Pappkarten mit dem Spruch in die Luft.

Viel ist ja passiert seither: Bamberg stand vor diesem Spiel in der Liga auf dem vierten Platz, die Münchner zwei dahinter. Und während die Franken in der Euroleague bereits drei Spieltage vor Ende der Vorrunde für die Top16 qualifiziert waren, müssen die Bayern sich international weiter strecken und Kräfte lassen - am Freitag reist der Titelverteidiger Real Madrid an.

Ein halbes Jahr lang waren die Bamberger in eigener Halle unbesiegt, ehe sie am Donnerstag 88:100 gegen ZSKA Moskau verloren. In gewohnt schnoddrigem Tonfall hatte Trinchieri die Niederlage seziert. "Wir waren nicht bereit, auf diesem Niveau zu spielen. Unsere Verteidigung war enttäuschend", sagte der Italiener mit dem Hang zur experimentellen Pädagogik: "Um in dieser Art von Spielen bestehen zu können, musst du zwölf Spieler haben, die bereit sind. Wir hatten keine zwölf."

Am Sonntag hatte er zwölf. Mit einem Dunking eröffnete einer von ihnen, der genesene Nationalspieler Elias Harris, die Partie, auf Münchner Seite verwarf Alex Renfroe den ersten Dreier, Harris erhöhte: 4:0. Doch die Bayern hielten dagegen, wie schon am Freitag beim 82:69 gegen Straßburg - mit einer geschlossenen Mannschaftsdarbietung, bei der die Abläufe stimmten, die Pässe saßen: Taylor, Renfroe, Thompson, Rivers, sie alle trafen wie programmiert in den ersten Minuten. Und diese Unberechenbarkeit im Abschluss ist ja seit Wochen Teil des Plans von Pesics Mannschaft: Die Wurf- und Korblast wird auf viele Schultern verteilt. Trinchieri hielt diesem Konzept so etwas wie eine Maximalrotation entgegen. Wohl in der Überzeugung, im letzten Spiel wirklich keine zwölf Spieler gehabt zu haben, schickte er zehn Profis in den ersten zehn Minuten aufs Parkett. Die Münchnern wirkten ob der Vielzahl von Gesichtern im Gegenverkehr überrascht: Mit 21:20 beendete der deutsche Meister das erste Viertel.

Intensiver und physisch härter ging es danach weiter: Das zweite Viertel sah mehr Fouls, mehr Unterbrechungen und 14 Rebounds auf beiden Seiten. Nachdem die Bayern zunächst wieder die Führung erobert hatten, gaben sie diese nach der Hälfte des Viertels wieder ab. Und kurz vor der Pause wechselte sie erneut: Zipser traf mit der Schlusssirene zum 46:43 für die Münchner. Angetrieben vom überragenden ehemaligen NBA-Prof Darius Miller, der unfassliche 27 Punkte erzielte - zwölf von ihnen im dritten Viertel-, entschieden die Gastgeber nach der Pause das Kopf-an-Kopf-Rennen für sich. Drei Minuten und 50 Sekunden vor Schluss traf Bambergs Daniel Theis zum 86:78, "Defense, Defense" skandierten die Fans, Münchens Taylor versenkte einen Dreier, die Führung schrumpfte bis auf 86:83. Doch in den letzten Sekunden fanden die Bayern keinen Zugriff mehr in der Defensive, dafür die Bamberger Ideen im Angriff. Den 100. Punkt erzielte Brad Wanamaker, der allein im letzten Viertel für 14 Zähler sorgte und mit 25 fast Millers Wahnsinnswert erreichte. "Wir haben nicht genug Kraft gefunden gegen Wanamaker und Miller, die die Matchwinner waren", gratulierte Pesic.

Plötzlich stand Bamberg auf Platz eins, der FCB auf Rang sieben. Und Freak City tanzte an Marko Pesics Geburtstag.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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