Basketball in der NBA:Trend zum deutschen Dribbler

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Basketballer Moritz Wagner wurde bei den Wolverines der University of Michigan berühmt - bald dürfte er in der NBA spielen. (Foto: AFP)
  • Gleich sechs Deutsche hatten sich ursprünglich für den NBA-Draft gemeldet, bei dem die besten Talente von amerikanischen Basketballteams ausgewählt werden.
  • Auch wenn einige Talente es erst kommendes Jahr versuchen wollen, bleibt die Erkenntnis: Deutsche Basketballer sind sehr gefragt.
  • Die besten Chancen, in der neuen Saison in der NBA zu spielen, haben Moritz Wagner und Isaiah Hartenstein.

Von Jonas Beckenkamp

Wer etwas werden will im Basketball, träumt von diesem Moment wie andere vom Lottosechser: Der Draft-Abend der NBA, er ist der Karrierebeschleuniger einer Profiliga, auf die dieses Mal auch ein paar deutsche Körbewerfer hoffen dürfen. Ein Event der Superlative mit Basketballern aus Germany, die nicht Dirk Nowitzki heißen? In der kommenden Nacht tritt dies in New York tatsächlich ein. Draft, das klingt in deutschen Ohren noch immer sehr amerikanisch, und in gewisser Weise ist dieses Prozedere der Talenteziehung natürlich ein prototypisches US-Sport-Ereignis: Basketball als Traumfabrik für die Jugend.

Dort werden bisher wenig dekorierte Sportler mit einem Kameraschwenk berühmt. Es beginnt die Zeit der ersten Absahner-Verträge, wenn NBA-Klubs aus einer Liste ihre Zukunftshoffnungen auswählen und diese auf die Bühne bitten. Auf dieser Liste befinden sich dieses Mal gleich drei Deutsche: Moritz Wagner (21, bisher am College in Michigan), Richard Freudenberg (19, Frankfurt Skyliners) und Isaac Bonga (18, ebenfalls Frankfurt).

Der Trend zum deutschen Dribbler in Amerika hätte sogar noch deutlicher ausfallen können, wenn nicht im letzten Moment drei weitere Bundesliga-Talente ihre Meldung für die Draft-Lotterie zurückgezogen hätten. Leon Kratzer (21, s. Oliver Würzburg), Louis Olinde (20, Brose Bamberg) und Karim Jallow (21, FC Bayern) haben diesmal nur ihren Marktwert geprüft und in diversen NBA-Camps vorgespielt. Ernsthaft versuchen wollen sie es bis zum finalen Moment erst 2019.

Die besten Chancen, demnächst ein NBA-Trikot zu tragen, hat ohnehin der gebürtige Berliner Wagner, der kürzlich beim Uni-Spektakel "March Madness" ein paar eindrucksvolle Empfehlungsbilder ablieferte - und zwar im landesweiten US-Fernsehen, wo College-Basketball mitunter mehr Fans erreicht als die NBA. Basketball aus Deutschland hat also Zukunft, dafür steht der Centerspieler aus der Alba-Berlin-Jugend wie kaum ein anderer. "Ich bin stolz auf den deutschen Vibe, ist doch klasse", sagte Wagner selbst, als er kürzlich bei einigen Klubs zum Workout vorspielte.

Dass im US-Basketball Menschen aus Würzburg, Braunschweig oder Heidelberg eine Plattform bekommen, ist eine Entwicklung, die längst in Gang ist: Mit Nowitzki, Maxi Kleber (beide Dallas Mavericks), Paul Zipser (der die Chicago Bulls wohl verlässt), Dennis Schröder (den es aus Atlanta wegzieht) und Daniel Theis (Boston Celtics) spielen bereits fünf Deutsche in der besten Basketballliga der Welt - so viele wie nie zuvor.

Isaiah Hartenstein spielte ein Jahr in Litauen bei Žalgiris Kaunas, ehe er in die USA zum Farm-Team Rio Grande Valley Vipers wechselte. Jetzt geht er in die NBA. (Foto: Linas Zemgulis/dpa)

Hinzu kommt der 20-jährige Isaiah Hartenstein, der das Bohei einer Draftnacht schon hinter sich hat. Er wurde vergangenes Jahr von den Houston Rockets gewählt und zunächst in der zweiten Mannschaft des Klubs, dem "Farm-Team", geparkt. Auch ihm ist bei ordentlichen Leistungen im Sommer-Trainingscamp zuzutrauen, einen Kaderplatz an der Seite von Größen wie James Harden oder Chris Paul zu bekommen. "Die NBA bedeutet alles für mich. Seit ich ein Kind bin, träume ich dort zu spielen", erzählte der 2,11-Meter-Lulatsch dem Kölner Express, der ihn beim Gewichte stemmen mit seinem Privatcoach besuchte.

"Wahrscheinlich werde ich im Juni einen NBA-Vertrag unterschreiben. Ich habe nach der letzten Saison gutes Feedback bekommen und die Coaches sind sehr zufrieden mit mir", berichtet der Sohn des früheren Bundesligaprofis Florian Hartenstein. Isaiah Hartenstein und Moritz Wagner gelten als Typen, die im modernen Spiel besonders gefragt sind: Lang, beweglich, treffsicher auch von jenseits der Dreierlinie. Speziell Wagner, in Michigan nur "Moe" genannt, hat sich an der Uni zur Attraktion entwickelt. Seit er im Final Four der besten College-Mannschaften in einer entscheidenden Partie 24 Punkte und 15 Rebounds hinlegte, gilt er bei zahlreichen Draftologen sogar als möglicher "Erstrunden-Pick".

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Gezogen werden die Talente in zwei Durchgängen - je 30 verteilen sich pro Runde auf die NBA-Teams. Die ersten drei Zugriffsberechtigten sind die Phoenix Suns, die Sacramento Kings und Atlanta. Bei einem dieser Klubs wird Europas größtes Versprechen landen: Real Madrids 19-jähriger Slowene Luka Dončić. Moritz Wagner dürfte etwas später dran sein und kommt damit für Standorte wie Utah, Charlotte oder die LA Lakers (wo er bereits zum Tryout vorspielte) in Frage.

Sein facettenreiches Spiel und seine Wettkämpfer-Attitüde kennen die Klubmanager mittlerweile. Und sie kennen auch die Vergleiche mit Dirk Nowitzki, die Wagner nicht ganz unbegründet begleiten. Er selbst hat daran seinen Anteil. Bekannt gegeben hatte Wagner seine NBA-Ambitionen in einem Essay im renommierten Magazin The Players Tribune. Dort erzählte er von seinen Anfängen als Jugendlicher, von seinem Vorbild Nowitzki und seinem Lebensmotto: "Alle Träume klingen verrückt. Bis sie wahr werden."

Seit 2011 hatte ihn ein riesiges Nowitzki-Poster erst durch seine Schul- und dann durch seine Collegezeit begleitet. "Es hat mich jeden Tag daran erinnert, dieser Junge kommt aus deinem Land, er wurde zum NBA-Allstar, zum MVP, holte den Titel. Und dabei war er nicht lange davor nur ein Teenager aus Deutschland, wie ich", so Wagner.

Ein solcher Teenie ist auch Isaac Bonga noch. Mit gerade achtzehneinhalb Jahren ist er der jüngste aller 60 Draft-Kandidaten, dabei bringt er bereits Länderspiel- und Playoff-Erfahrung in der Bundesliga mit. Gegen Meister FC Bayern zeigte er vor wenigen Wochen in der ersten Runde mehrfach sein Können, das vor allem auf seiner Physis beruht. Bei einer Länge von 2,03 Meter ist er als Spielgestalter für den Bizeps-Basketball in den USA besonders geeignet, schließlich sind dort alle einen Kopf größer und breiter. In Amerika ist er in Fachkreisen schon aufgefallen, einzig sein wackeliges Händchen bei Würfen aus der Ferne brauche noch Schliff, heißt es auf einschlägigen Scouting-Seiten.

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Der Deutsche zieht mit Michigan ins Finale der US-Collegeliga NCAA ein. Elias Elhardt landet auf Platz zwei beim Saison-Finale der Freerider. Klitschko-Bezwinger Anthony Joshua siegt gegen Joseph Parker.

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Weil die Amerikaner dem Draft entgegen fiebern wie sonst nur dem Super Bowl, existieren reihenweise Prognosen und Rankings, die junge Basketballer wie Bonga einstufen. In einer durchaus ernstzunehmenden Vorhersage des Senders ESPN wird Bonga aktuell auf Position 49 geführt und könnte somit eine Option für die San Antonio Spurs sein. Ob ein NBA-Klub das Wagnis eingeht, einen 18-jährigen Deutschen zu holen, der noch einiges an wohlwollender Betreuung benötigt, ist eine andere Frage.

Denkbar ist in Bongas Fall daher auch der Weg, den Hartenstein ging: Ein Klub sichert sich mit seiner Ziehung die Rechte an ihm, um ihn dann noch einmal zum Praktikum auszuleihen. Ein, zwei Jahre Aufbauarbeit zwischen Farmteam und Frankfurt, ehe ein endgültiger NBA-Versuch mit Reife im Gepäck mehr Sinn macht. Eine entscheidende Rolle spielen bei der Rekrutierung schließlich die Kaderplanungen der Vereine. Hartenstein kommt zu Gute, dass Houston gerade Bedarf an großgewachsenen Spielern hat, Bonga könnte vor allem dann eine Chance kriegen, wenn ein Team den Neuaufbau forciert und Raum für den Nachwuchs schafft.

Dass eine NBA-Franchise sich für Richard Freudenberg erwärmt, ist derweil schwer vorstellbar. Der Flügelspieler und frühere Bayern-Profi nimmt aufgrund seines College-Vertrags an der New Yorker Uni St. Johns (wo er 2016/17 spielte) automatisch am Draft teil - seine Möglichkeiten sind als BBL-Greenhorn ohne Überflieger-Potenzial aber begrenzt. Hoffen auf Zufälle und Lotterieglück darf er wie Bonga trotzdem, findet sein derzeitiger Chef, Frankfurts Geschäftsführer Gunnar Wöbke: "Die Nacht vom 21. auf den 22. Juni ist für Isaac und Richard und ihre Familien eine ganz besondere, denn der NBA-Draft ist im wahrsten Sinne des Wortes ein einmaliges Erlebnis. Das erlebt man maximal einmal in einer Spielerkarriere und beide haben jahrelang darauf hingearbeitet." So ist das mit Träumen - sie sind unbedingt gestattet.

© SZ vom 21.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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