Basketball:Mit einem Lächeln entlassen

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"Ich habe den Knochen brechen gehört": Center Andrew Bogut bricht sich bei seinem ersten Einsatz für die Cleveland Cavaliers das Schienbein und fällt vermutlich bis zum Saisonende aus. (Foto: Gregory Shamus/AFP)

Tauschgeschäfte und Verletzungen haben die Kräfteverhältnisse in der NBA durcheinandergewirbelt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Jordan McRae ist einer der besten Basketballspieler auf diesem Planeten. In der vergangenen Saison erzielte der Aufbauspieler einmal 36 Punkte in einer Partie, am Ende gewann er mit den Cleveland Cavaliers den Titel. In dieser Spielzeit stand er vier Mal von Beginn an auf dem Parkett, er schaffte 4,4 Punkte pro Partie - doch nun ist er erst einmal arbeitslos. "Ich kann mich nicht beschweren, sondern bin den Cavaliers unendlich dankbar für die Erfahrungen, die ich hier machen durfte", sagt er, und: "Ich verlasse das Gebäude mit einem Lächeln."

McRae ist Opfer des Wettrüstens in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA, das in dieser Saison an eine verschärfte Version der "Reise nach Jerusalem" erinnerte: Jeder Klub darf maximal 15 Akteure in seinem Kader führen; die Mannschaften mit einer Titelchance wollen sich mit rasch integrierbaren Zugängen einen Vorteil verschaffen, alle anderen mit klugen Tauschgeschäften und Entlassungen ihre langfristige Perspektive verbessern. Aufgrund der Gehaltsobergrenze sind erfahrene Spieler, die für die Aussicht auf eine Meisterschaft auf Gehalt und Ego-Spielchen verzichten, ganz besonders begehrt.

Diese Wechselspiele, dazu einige prägende Verletzungen, haben die Kräfteverhältnisse in der NBA einen Monat vor Beginn der Playoffs durcheinandergewirbelt. Titelverteidiger Cleveland war beim Stühlerücken besonders aktiv. Starspieler LeBron James hatte sich bei den Verantwortlichen beschwert wie ein Teenager bei seinen Eltern, wenn die coolen Mitschüler am Wochenende eine andere Party besuchen. Die Golden State Warriors, Finalgegner in den vergangenen beiden Spielzeiten, hatten sich vor der Saison die Dienste von Kevin Durant gesichert und galten seitdem als fast unbesiegbar. Dieses "nahezu" wollte James zumindest in ein "schwer" verwandeln, er forderte mehr Tiefe im Kader.

Die Cavaliers tauschten nun also zunächst einmal zwei Spieler, Geld und künftige Wahlrechte für einen Nachwuchsakteur gegen den 35 Jahre alten Scharfschützen Kyle Korver von den Atlanta Hawks; dann schickten sie Chris Andersen nach Charlotte. Sie verpflichteten den vertragslosen Flügelspieler Derrick Williams und nach der Wechselfrist die von den Dallas Mavericks fortgeschickten Deron Williams und Andrew Bogut (beide 32 Jahre). Das ist ein Zugang zu viel, also musste McRae gehen. Die NBA-Variante des Stühlespiels ist kein Kindergeburtstag.

Eine Verletzung - schon ist die Mannschaft von LeBron James nicht mehr Topfavorit im Westen

Es ist ein höchst interessanter Kader, den Cavaliers-Manager David Griffin da innerhalb weniger Tage gebastelt hat. Der Klub hat in James, Kyrie Irving und Kevin Love drei Spieler im Kader, die unter dem NBA-Gütesiegel Superstar geführt werden, dazu zuverlässige Rollenspieler wie Iman Shumpert und J. R. Smith - und nun diese vier Zugänge, die gemeinsam weniger als 6,5 Millionen Dollar Gehalt kosten. "Ich kann noch nicht sagen, ob wir besser sind als in der vergangenen Saison", sagte James nach der 98:106-Niederlage am Montag gegen Miami Heat.

Das ist eine recht vorsichtige Einschätzung, zumindest auf dem Papier sind es nun die Cavaliers, die als nahezu unbesiegbar gelten, zumal die Verletzungen von Smith (Daumen) und Love (Knie) bis zum Beginn der Ausscheidungsrunde am 15. April auskuriert sein dürften.

Es sah nach all den Transaktionen der vergangenen Wochen jedenfalls so aus, dass am Ende die Warriors (Bilanz derzeit: 52:11 Siege) und Cavaliers (42:20) ins Finale einziehen würden, zum dritten Mal nacheinander. In der vergangenen Woche allerdings verletzte sich dann der Warriors-Flügelspieler Kevin Durant am Knie, und es dürfte frühestens in vier Wochen feststehen, ob er in dieser Saison noch einmal wird auflaufen können. Plötzlich gelten die San Antonio Spurs (49:13), von Verletzungen weitgehend verschont und während der Wechselfrist unauffällig, als favorisiert in der Western Conference.

Am Montagabend dann brach sich Bogut bei seinem ersten Einsatz für die Cavaliers nach weniger als einer Minute das Scheinbein, er dürfte bis zum Saisonende ausfallen. "Ich habe den Knochen brechen gehört und wusste sofort, dass es eine schlimme Verletzung ist", sagte James: "Es ist ziemlich ernüchternd - für ihn, aber auch für unseren Klub. Wir waren froh über seine Verpflichtung und wollten ihn bis zu den Playoffs integrieren. Das ist ein schwerer Schlag." Plötzlich dürfen im Osten die Boston Celtics, die Washington Wizards und womöglich auch die Atlanta Hawks von Dennis Schröder wieder auf eine Finalteilnahme hoffen.

"Wir dürfen jetzt nicht in Panik verfallen", sagte James: "Griffin hatte in dieser Saison einige gute Ideen, ihm dürfte auch jetzt wieder was einfallen." Die Center Larry Sanders und Eric Moreland suchen gerade eine neue Mannschaft, sollten die Cavaliers jedoch lieber einen Scharfschützen verpflichten wollen: Jordan McRae hat das Gebäude gerade mit einem Lächeln verlassen.

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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