Basketball:Mehr als nur Touristen

28 05 2016 xblx Basketball BBL Playoffs 1 2 Finale Spiel 3 Frankfurt Skyliners rathiopharm Ulm

Noch ein Schritt bis zum Ziel: Per Günther und Ulm zogen gegen Frankfurt und Konstantin Klein (l.) ins BBL-Finale ein.

(Foto: imago)

Die Ulmer fühlen sich vor Beginn der BBL-Finalserie an diesem Sonntag wohl in ihrer Außenseiterrolle. Doch unterschätzen wird man den Hauptrunden-Siebten in Bamberg auf keinen Fall.

Von Ralf Tögel, Ulm/Bamberg

Thorsten Leibenath erzählt eine kleine Geschichte. Er sei gefragt worden, wo er denn die besonderen Stärken der Bamberger Basketballer sehe. Er habe kurz überlegt und dann geantwortet: "Die haben keine Schwächen. Diese Mannschaft ist in allen Bereichen sehr stark aufgestellt."

Der Trainer von Ratiopharm Ulm sagt das ganz ruhig, ihm scheint die bevorstehende Aufgabe kein Kopfzerbrechen zu bereiten. Aus gutem Grund, denn seine Mannschaft ist in der finalen Playoff-Serie um die deutsche Basketball-Meisterschaft, die mit dem ersten Spiel der Best-of-five-Serie an diesem Sonntag in Bamberg (15 Uhr) beginnt, der klare Außenseiter. Doch genau darin könnte auch eine Chance liegen: "Frankfurt war gegen uns der klare Favorit, Oldenburg war der klare Favorit, aber wir haben beide Male als Außenseiter die Überraschung geschafft", sagt Leibenath.

Bekanntlich haben die Ulmer, die nach der regulären Saison nur Tabellensiebter waren, den Vorrunden-Zweiten Oldenburg und den Vorrunden-Dritten Frankfurt jeweils mit 3:1-Siegen doch recht souverän eliminiert. Trotz zusätzlicher personeller Schwierigkeiten: Leibenath muss weiterhin auf Center Philipp Neumann und Forward David Brembly verzichten, jetzt hat der hoch eingeschätzte Carlon Brown seine Saison beendet, er wird sich wohl demnächst operieren lassen. Offenbar hatten die Ulmer auf eine Rückkehr gehofft, doch "sein Knie hat wieder reagiert und ist stark angeschwollen", sagt Leibenath.

Carlon Brown spielt wohl keine Rolle mehr

Der 26-jährige Guard war vor zwei Jahren als Topscorer der israelischen Liga von Hapoel Tel Aviv in die Bundesliga zum seinerzeit entthronten deutschen Meister Bamberg gewechselt, wo er maßgeblich dafür vorgesehen war, die Dominanz der Franken wiederherzustellen. Eine Rolle, die im Übrigen nun Brad Wanamaker so vorzüglich ausfüllt, wovon sich die Ulmer demnächst selbst überzeugen können. Für Brown dagegen begann eine mittlerweile zweijährige Leidenszeit wegen eines Knorpelschadens im Knie. Die Ulmer jedenfalls hätten einen Spieler seines Formats bei bester Gesundheit wohl schwer locken können, nun scheint die Zukunft des Amerikaners mehr denn je ungewiss, Browns Vertrag in Ulm läuft nach der Saison aus. Für Coach Leibenath ist diese Nachricht dennoch keine Katastrophe, zum einen kam Brown im bisherigen Saisonverlauf auf gerade einmal elf Einsätze, zum anderen wäre er der siebte Ausländer und würde einen Kollegen aus dem augenscheinlich so gut funktionierenden Team drängen.

Unangefochtener Leader der Ulmer ist Spielmacher Per Günther, der gerade rechtzeitig in den Playoffs zu herausragender Form gefunden hat. Vor allem die Treffsicherheit des Nationalspielers aus der Distanz hat die Mannschaft in wichtigen Momenten getragen, die Ulmer gehen daher durchaus selbstbewusst in das vermeintlich ungleiche Duell: Der 28-Jährige Kapitän sieht seine Mannschaft jedenfalls nicht in der Rolle des staunenden "Touristen". Teamkollege Chris Babb, der erst im November nachverpflichtet wurde und längst ein wichtiger Faktor ist, hat seiner Mannschaft schon immer einiges zugetraut: "Wenn wir es erst einmal in die Playoffs schaffen, sind wir ein Team, das verdammt schwer zu schlagen sein wird". Der Guard, der schon bei den Boston Celtics und den Golden State Warriors unter Vertrag war, den Durchbruch in der NBA aber nicht schaffte, sollte Recht behalten.

Leibenath, Ulms Geschichtenerzähler, erkennt die einmalige Chance

Dieser Einschätzung pflichtet selbst Bambergs Trainer Andrea Trinchieri mit entwaffnender Logik bei: "Sie stehen im Finale, also sind sie eines der beiden besten Teams der Liga." Der italienische Meistertrainer stellt damit auch klar, dass die Bamberger eines sicher nicht tun werden: Ulm unterschätzen.

Ulms Coach Leibenath wird das nicht überraschen: "Sie überlegen sich für jeden Gegner etwas Neues. Man kann jetzt nicht sagen, wir haben sie gegen München gesehen und wissen, was auf uns zukommt." Neben der individuellen Klasse schätzt der Ulmer Trainer den Gegner vor allem mannschaftstaktisch hoch ein: "Sie sind taktisch sehr versiert und flexibel."

Dann erzählt Leibenath noch eine kleine Geschichte. Nach dem desaströsen Saisonstart habe niemand seine Mannschaft mehr auf der Rechnung gehabt: "Ich bin sicher, dass viele in uns zur Weihnachtszeit die negative Überraschung der Bundesliga gesehen haben." Für ihn sei diese Phase indes keineswegs überraschend gewesen, zum einen sei sein Team "eines der jüngsten der Liga" und der Kader "wurde nahezu komplett ausgetauscht, was die Stammspieler angeht". Doch die Schwaben haben gut nachverpflichtet, findet der Trainer, und "dann sind wir ins Rollen gekommen".

Und dann fügt Leibenath noch etwas leise an: "Allzu viele Chancen, die deutsche Meisterschaft zu gewinnen, bekommt man nicht. Wir wissen das."

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