Basketball:In letzter Zehntelsekunde

GER Beko BBL Playoff Finale FC Bayern Muenchen vs Brose Baskets Bamberg 10 06 2015 Audi Dome M

Die Entscheidung: Dawan Robinson (rechts) legt den Ball in den Korb, Nihad Djedovic kommt zu spät.

(Foto: imago)

Der FC Bayern gibt ein lange überlegen geführtes Heimspiel mit 78:80 noch aus der Hand. Bamberg gelingt beim Titelverteidiger der Ausgleich zum 1:1.

Von Ralf Tögel

Der FC Bayern hat eine große Chance verpasst. In einem packenden zweiten Playoff-Finalspiel gaben die Münchner trotz einer überlegen geführten erste Halbzeit den Sieg noch aus der Hand. In der letzten Zehntelsekunde! Sie verloren mit 78:80 und vergaben damit auch den Heimvorteil vor dem dritten Spiel am kommenden Sonntag in Bamberg. Von Sekunde zu Sekunde hatte sich das Wettwerfen zugespitzt, wollten doch die Bamberger keinesfalls akzeptieren, dass sie auch diese Partie abgeben sollten. Sie entwickelten, während die Uhr runterlief, doch noch die Mittel dazu und steckten nie auf. Angeführt von ihren Topscorern Bradley Wanamaker (19) und dem deutschen Nationalspieler Daniel Theis (15) kamen die Franken Punkt um Punkt näher. 77 Sekunden vor dem Ende gelang der Ausgleich - nun war es ein Spiel der Nerven. Dawan Robinson traf zum 80:78. Es folgten quälende Sekunden, in denen die Schiedsrichter im Videostudium am Spielfeldrand zu entscheiden hatten, ob der Wurf noch in der Zeit war. War er, genau 0,1 Sekunden vor dem Ende. Bayern nahm noch eine Auszeit und versuchte einen letzten, verzweifelten Wurf - ohne Erfolg. Das Drama war zu Ende. Begonnen hatte es am Mittwoch um 20 Uhr. Nach dem doch noch etwas überraschenden 84:73-Erfolg des Titelverteidigers im ersten Spiel in Bamberg - trotz einer deutlich kürzeren Erholungsphase nach dem Halbfinale - hatten sich die Münchner plötzlich in der Favoritenrolle wieder gefunden. Mit einer äußerst disziplinierten Leistung hatten sie sich durchgesetzt. Und auch in ihrem ersten Heimspiel dieser Finalserie, die in maximal fünf Partien das beste deutsche Team küren wird, rollten die Bayern zunächst mit unglaublicher Energie über den Gegner hinweg. Nach dreieinhalb gespielten Minuten kassierte Bambergs Coach Andrea Trinchieri sein erstes technisches Foul, nahm seine erste Auszeit, fluchte, tobte an der Auslinie, wie es sich sonst im Dome eigentlich nur sein Kollege und Gastgeber Svetislav Pesic gestattet.

Zur Halbzeit steht es 49:35 - doch als Dennis Schröder eintrifft, ist die Partie plötzlich ausgeglichen

Es stand 9:2 für Bayern, Trinchieri musste etwas unternehmen, seine Mannen aufrütteln. Es half nur sehr bedingt, die Münchner zogen unaufhaltsam weg. Dabei war es nicht einmal die Dominanz unter den Brettern, die den Bayern dank John Bryant (insgesamt 16 Punkte) und Vladimir Stimac (12) einen großen Vorteil gebracht hatte. Nach anfänglicher Orientierungslosigkeit jedoch hielten die Gäste im Rebound gut mit, sammelten bis zur Pause in dieser Disziplin sogar zwei Bälle mehr als die Gastgeber ein. Aber aus der Distanz trafen die Bamberger in den ersten zehn Minuten: kein einziges Mal.

Ganz anders die Bayern, die sich in einen Rausch spielten. Die 6700 Zuschauer in der ausverkauften Halle waren von der ersten Sekunde an angesteckt von dieser unglaublichen Energie, die die Münchner aufs Parkett brachten. Fortan entstand diese viel beschriebene Wechselwirkung, die Sportler zu Außergewöhnlichem treiben kann. Etwa als sich Heiko Schaffartzik (10) seinen Gegner Janis Strelnieks mit einem Dribbling zurecht stellte, um dann einen Dreier frech über ihn hinweg zu werfen. Es dauerte bis zur 18. Minute, ehe Bambergs Topspieler Bradley Wanamaker den ersten Dreier für sein Team ins Ziel traf.

Wanamaker war es auch - neben dem NBA-erprobten Darius Miller (10) und Center Trevor Mbakwe (10) - der immerhin verhindern konnte, dass der Meister schon nach 20 Minuten enteilt war. Doch den einzigen Dreier der ersten Halbzeit durch den Bamberger Spielmacher beantwortete Münchens Bester, Nihad Djedovic (15), auf seine Art. Unwiderstehlich zog er zum Korb und stopfte den Ball durch den Ring. Nach zehn Minuten führte der Meister 20:13, zur Halbzeit 49:35. Man durfte durchaus den Eindruck gewinnen, dass die Gäste sich nach Kräfte wehrten, Bamberg hatte Pech mit vielen Distanzwürfen, die aus dem Ring sprangen. Die Bayern jedoch ließen mit ihrem leidenschaftlichen Einsatz schlichtweg kaum mehr zu. Nach der Pause wussten sich die Gäste erheblich zu steigern. Trinchieri ("Die erste Halbzeit war grauenvoll") hatte offenbar die richtigen Worte gefunden. Die Verteidigung agierte bissiger, die Würfe fanden plötzlich ins Ziel. Es wurde die Partie zweier Mannschaften auf Augenhöhe, ein würdiges Playoff-Endspiel. Spät, aber noch pünktlich zum Drama im letzten Viertel, traf weitere Sport-Prominenz in der Halle ein. Dennis Schröder von den Atlanta Hawks, der zweite starke Deutsche neben Dirk Nowitzki in der NBA. Schröder sah ein denkwürdiges Finale, nach dem Heiko Schaffartzik, der Antreiber des FC Bayern, ernüchtert feststellen musste: "Jetzt sind wir da, wo wir vor dem ersten Spiel waren." Der Heimvorteil ist wider futsch, verloren in letzter Sekunde.

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