Basketball:Hitze am Ring

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Zug zum Korb: Würzburgs Robin Benzing (rechts) lässt sich auch von zwei Tübingern – Tony Easley (li.) und Reggie Upshaw – nicht abschrecken.

(Foto: Heiko Becker/imago/HMB-Media)

Würzburg führt überraschend die Basketball-Bundesliga-Tabelle an. Das sei nicht erschwindelt, sagt Trainer Bauermann.

Von Matthias Schmid, Würzburg/München

Wenn Robin Benzing in diesen Tagen mit seinem Bruder und einem Freund durch Würzburgs Altstadt flaniert, kommt es schon mal vor, dass Menschen den Basketball-Profi anhalten, um mit ihm ein bisschen zu reden. Oder Kinder an seinen langen Armen zerren und um ein Selfie oder eine Unterschrift bitten. Benzing, 28, weiß die Anteilnahme der Fans zu schätzen und die gestiegene Begeisterung für die Basketballer in der Stadt, die am Sonntag nach dem Sieg gegen Tübingen die Tabellenspitze erklommen haben, zum ersten Mal in der Vereinshistorie überhaupt.

Würzburg ist die einzige Mannschaft in der Basketball-Bundesliga (BBL), die noch unbesiegt ist. Unter anderem gewann der Klub aus Unterfranken zu Hause gegen den deutschen Meister Bamberg und beim FC Bayern München. "Das waren extrem wichtige Siege für uns", findet Nationalspieler Benzing, "aber es ist noch überhaupt nichts passiert."

Über die Kritik, seine Spielweise sei langweilig, lächelt der Coach

Um zu ergründen, warum es dem Vorjahres-14. plötzlich gelingt, die wohl derzeit besten beiden deutschen Teams zu überlisten, landet man bei Cheftrainer Dirk Bauermann. Er ist der erfolgreichste Bundesligacoach der Geschichte, hat mit Leverkusen und Bamberg neun Meistertitel errungen, aber er lechzt auch mit 59 Jahren nach Erfolg wie ein Wüstenwanderer nach einem Schluck Wasser. Als er im Dezember des vorigen Jahres den Job in Würzburg übernahm, sprach er sofort recht unbescheiden vom Meisterschafts-Halbfinale als Ziel, obwohl der Klub gerade um sein sportliches Dasein in der Bundesliga kämpfte.

Einige fanden die Ansage hochmütig, Bauermann war das egal. Wichtig sind ihm nur ambitionierte Ziele. In den nächsten drei Jahren will er Würzburg mit der Unterstützung des finanzstarken Hauptsponsors an die deutsche Spitze führen, die Playoff-Teilnahme soll für den Verein so selbstverständlich werden wie für München oder Bamberg. Dass sein Klub nach fünf Spieltagen vor diesen beiden Rivalen steht, interessiert ihn nicht, wie er betont: "Es macht wenig Sinn sich am fünften Spieltag am Tabellenbild zu ergötzen." Er mache seine Arbeit nicht vom Tabellenplatz abhängig, sondern vom spielerischen Fortschritt seiner Mannschaft. Und der begeistert auch Bauermann. Die Siege gegen Bamberg und München seien nicht "erschwindelt" gewesen, wie der Trainer es ausdrückt. Das bedeutet ihm viel, keine glückliche Fügung, sondern das Ergebnis harter und konsequenter Arbeit. Bauermann tüftelt vor allem in der Abwehr an jedem Detail, fast besessen tut er das, er liebt die hohe Kunst der Verteidigung. Das brachte ihm auch schon Kritik ein, langweilig sei sein System, durchsichtig, altmodisch. Kein moderner Basketball, nicht schnell und offensiv genug. Bauermann begegnet dem mit einem Lächeln und sagt: "Alle Trainer in der BBL würden sich über die beste Verteidigung der Liga freuen."

Man würde Bauermann in der Tat unrecht tun, wenn man ihn als reinen Verteidigungskünstler abtun würde. Einer seiner Lehrsätze lautet nämlich: "Nur wenn alle Spieler an der Offensive beteiligt sind, verteidigen sie auch gerne." Benzing, sein bisher auffälligster Spieler im Angriff, will da nicht wiedersprechen, der sich im September dem Würzburger Projekt angeschlossen hat. Der Kapitän der Nationalmannschaft und Bauermann kennen sich schon lange, Bauermann, damals Bundestrainer, hatte dem damaligen Zweitligaspieler Benzing im Alter von 20 Jahren zum Debüt in der Nationalmannschaft verholfen. Später holte er ihn als Chefcoach auch zum FC Bayern. Bei Würzburg hatte Bauermann lange nach einem Spieler wie Benzing für seinen Kader gefahndet, "weil er Hitze auf den Ring bringt", wie er es ausdrückt. Im Würzburger Kader fehlte ihm einer, der den Korb unerlässlich attackiert. Der Flügelspieler ist für seine Länge von 2,08 Metern sehr geschmeidig und beweglich, er ist mit seinem schnellen ersten Schritt auf dem Weg zum Brett schwer aufzuhalten. Zudem vermag Benzing auch von jenseits der Dreierline und aus der Mitteldistanz verlässlich zu treffen. "Wir habe keine übertrieben gute Mannschaft", sagt er, "aber eine starke und ausgeglichene, die mir meine Stärken in perfekter Weise ermöglicht."

"Ich habe selten eine bessere Chemie erlebt", sagt Benzing

Bauermann findet die geräuschlose Integration Benzings nicht selbstverständlich. "Es ist nicht so, dass die Mitspieler einen Scorer wie ihn gleich umarmen würden", sagt Bauermann. Aber sie merkten schnell, dass sich Benzing auch in der Defensive aufreibt und diese Aufgabe ernst nimmt. "Ich habe selten eine bessere Teamchemie erlebt", freut sich der gebürtige Hesse. Einen Hang zur Sorglosigkeit kann er angesichts der überraschenden Siege ebenso wenig erkennen wie Bauermann: "Die Spieler neigen nicht dazu, die Bodenhaftung zu verlieren." Als Beleg nennt der Trainer den Sieg gegen Tübingen (84:69), nur zwei Tage nach dem Coup in München (84:76).

Natürlich gibt es auch Spieler, die nun forscher auftreten. Zum Beispiel der 20 Jahre alte Leon Kratzer, der glaubt, dass nun alles möglich sei. "Jugendlicher Leichtsinn" bescheinigt ihm der weit gereiste Benzing mit einem Lächeln. Er will keine Prognosen abgeben: "Wenn wir es in die Playoffs schaffen, wäre das schon sehr gut für uns." Vielleicht denken sie dann in Würzburg, wenn es um Basketball geht, nicht mehr sofort an Dirk Nowitzki, den bekanntesten Sohn der Stadt. Sondern auch an Robin Benzing.

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