Basketball:Gedrosseltes Tempo

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Dirk Nowitzki (links) und sein deutscher Nationalmannschaftskollege Nils Giffey bremsen gemeinsam den heranstürmenden Letten Janis Timma aus. (Foto: imago/Camera 4)

Der Supercup-Sieg täuscht nicht darüber hinweg, dass die Deutschen nur langsam Fortschritte machen.

Von Joachim Mölter, Hamburg

Dass die deutschen Basketballer am Sonntag zum vierten Mal den Supercup gewannen, stand bereits vor dem abschließenden Spiel gegen die Türkei fest, war aber im Grunde nebensächlich. Bei dem seit 1987 ausgetragenen Turnier war es diesmal vor allem darum gegangen, sich einzuspielen für die am 5. September beginnende Europameisterschaft, bei der ein Teil der Vorrunde in Berlin ausgetragen wird. Und da täuscht der Gesamtsieg nach Erfolgen über die EM-Teilnehmer Lettland (85:80), Polen (82:69) sowie den Vorrundengegner Türkei (68:66 nach einem desaströsen ersten Viertel, 10:29) möglicherweise darüber hinweg, dass es eher schleppend vorangeht. "Es wäre verwunderlich, wenn wir nicht noch Verbesserungsbedarf hätten zu diesem Zeitpunkt", beschwichtigte Bundestrainer Chris Fleming, der lieber die positiven Erkenntnisse aus der Hamburger Inselparkhalle mitnehmen wollte und seine Akteure deshalb überwiegend lobte.

Das Timing stimmt noch nicht - zu sehen beim Pick and Roll, dem Standard-Spielzug

Zunächst natürlich den NBA-Profi Dirk Nowitzki, 37, der bei seiner Rückkehr nach vier Jahren Nationalmannschaftspause zumindest am Samstag gegen Polen mit 18 Punkten andeutete, wie wertvoll er für die Mannschaft sein kann. "Das war mein bestes Spiel in diesem Sommer", fand der gebürtige Würzburger im Trikot der Dallas Mavericks. Dann den künftigen NBA-Center Tibor Pleiß, 25, der mit 21 Punkten gegen Lettland, 16 gegen Polen und 14 gegen die Türken jeweils zu den Besten im Team zählte. Der 2,16-Meter-Mann von Utah Jazz gehörte jedoch auch zu denen, die auf die durchaus noch vorhandenen Abstimmungsprobleme hinwiesen, zum Beispiel in der Defensive: "Aber das ist nichts, was wir nicht bewältigen können", beruhigte er. "Unter dem Korb haben die kleineren Spieler nicht so helfen wollen, wie sie sollten", präzisierte der Münchner Paul Zipser, 21, selbstkritisch, obwohl er überwiegend angenehm auffiel, gegen Polen zum Beispiel mit zwölf Punkten, sechs Rebounds und drei geblockten Würfen.

"Wir sind als Team noch in der Findungsphase", erklärte Pleiß, der wie seine NBA-Kollegen Nowitzki und Dennis Schröder erst später zur Auswahl gestoßen war. Die größte Herausforderung dieser Phase ist nun offensichtlich, herauszufinden, wie die jungen Spielmacher Schröder, 21, und Maodo Lo, 22, den Altmeister Nowitzki am wirkungsvollsten in Szene setzen können. "Wir müssen besser mit Dirk spielen", forderte Trainer Fleming schon nach dem Sieg gegen Lettland, zu dem Nowitzki nur elf Punkte beigetragen hatte. Bei seinem Comeback gegen Kroatien eine Woche zuvor waren es auch nicht mehr gewesen, einmal elf Zähler, einmal sieben. Gegen die Türkei am Sonntag war es sogar bloß einer, aber da machte der 37-Jährige auch nicht lange mit: Im dritten Spiel innerhalb von drei Tagen wurde er weitgehend geschont.

Zuvor war aber zu sehen gewesen, dass das Timing zwischen den schnellen Guards und dem nicht mehr ganz so schnellen Nowitzki nicht passt, vor allem beim sogenannten Pick-and-Roll, einem Standard-Spielzug, bei dem ein großer Akteur einen Block für seinen kleineren Kollegen stellt und im Idealfall einer der beiden danach freie Bahn zum Korb hat. "Ich habe mich immer einen Schritt zu langsam gefühlt", gab Nowitzki zu. Trainer Fleming formulierte spitzer: "Wenn Dirk einen Block gestellt hat, waren Dennis und Maodo immer schon am Korb." Gegen Lettland war jedenfalls Schröder mit 22 Punkten bester Werfer des deutschen Teams, er hatte sich aber auch die meisten Würfe selbst genommen.

Center Maik Zirbes verletzt sich an den Bändern - für die EM fällt er aus

Weil sich der bis dato stark aufspielende Center Maik Zirbes in dieser Partie eine Bänderverletzung zuzog und nun für die EM ausfällt, pausierte der leicht angeschlagene Schröder gegen Polen und die Türkei vorsichtshalber von vornherein. Und als nach einer Viertelstunde gegen Polen auch sein Vertreter Lo wegen einer leichten Hüftprellung seinen Supercup-Einsatz lieber beendete, kam Dirk Nowitzki besser ins Spiel. "Dadurch, dass wir Dennis und Maodo nicht mehr hatten, hatten wir auch ein anderes Spieltempo", stellte Fleming fest.

Der bei der Aufholjagd gegen die Türkei mit 19 Punkten und sieben Assists überzeugende Heiko Schaffartzik, 31, sowie Anton Gavel, 30, die fortan den Spielaufbau gestalteten, drosselten jedenfalls das Tempo, was einerseits dazu führte, dass der Mannschaft gegen Polen kein einziger Korb durch einen Fast break gelang, einen schnellen Gegenstoß. Andererseits brachten sie Ruhe ins Spiel und nicht nur Nowitzki in bessere Wurfpositionen. Das ganze Team profitierte von den uneigennützigen Routiniers, der Ball lief flüssiger durch die Hände, was sich in 22 Assists ausdrückte, Vorlagen, die direkt zum Korb führten.

Dass das Mannschaftsspiel ohne den hoch talentierten, aber eben auch noch ungeduldigen Schröder besser funktionierte, traute sich nachher freilich niemand zu sagen. Im Deutschen Basketball Bund (DBB) wissen ja alle, dass er gebraucht wird - für die bevorstehende EM, aber vor allem für die Zeit danach, die Zeit nach Nowitzki. Vor den letzten EM-Tests gegen Titelverteidiger Frankreich am Freitag in Straßburg und am Sonntag in Köln muss der Bundestrainer Fleming seinem Regisseur nun schonend beibringen, dass er sich im Dienst der Mannschaft etwas zurücknehmen und vor allem mehr Rücksicht auf den Altmeister Nowitzki nehmen muss.

© SZ vom 24.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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