Basketball:Gangsta-Party mit den hippen Kids

02 07 2018 Novi Sad Serbia Germany FIBA world cup China 2019 qualifiers men s basketball Danilo Bar

Knapp überlegen: Der deutsche Flügelspieler Danilo Barthel (rechts) übertrifft seinen serbischen Gegenspieler.

(Foto: Aleksandar Djorovic/imago)

Das deutsche Team beendet die erste Etappe auf dem Weg zur WM 2019 makellos. Der DBB feiert eine neue Generation - und scheint seine alten Meister vergessen zu wollen.

Von Joachim Mölter, Novi Sad/München

Henrik Rödl sah ergriffen aus, als er das letzte Vorrundenspiel der deutschen Basketballer in der WM-Qualifikation bilanzieren sollte, und das lag nicht nur an den letzten 68 Sekunden der Partie gegen Serbien. In denen hatte die Auswahl des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) ein 76:81-Defizit in einen 88:81-Sieg verwandelt, dank aktiver Mithilfe der Gastgeber zwar, die sich "unerklärliche Fehler" leisteten, wie ihr Coach Aleksandar Djordjevic fassungslos konstatierte. Aber man muss seine Chancen halt auch nutzen, und das hatte Rödls Auswahl clever gemacht am Montagabend in Novi Sad. "Das war ein großer Erfolg. Ich bin extrem stolz auf mein Team", resümierte der Bundestrainer also und erklärte dann den Grund für seine Ergriffenheit: "Man besiegt Serbien nicht so oft - das ist eine der größten Basketball-Nationen der Welt." Die deutsche Auswahl hat den Olympia-, WM- und EM-Zweiten Serbien sogar schon zum zweiten Mal bezwungen, im Hinspiel im Februar lautete das Ergebnis 79:74. Sie hat die erste Phase der WM-Qualifikation nun mit sechs Siegen in sechs Partien abgeschlossen; in die nächste Runde nimmt sie die Gruppengegner Serbien und Georgien mit sowie alle zwölf Punkte, die sie bislang gesammelt hat. In der Hauptrunde geht es dann von September an gegen Griechenland (ebenfalls 12 Punkte), Israel (9) und Estland (8); die ersten Drei dieser Sechsergruppe qualifizieren sich für die WM vom 31. August bis 15. September 2019 in China. Die Chancen stehen gut für die DBB-Männer, das findet selbst der serbische Spieler Marko Simonovic: "Ich bin sicher, dass sie zu den Top Fünf gehören." Ob schon in der Welt oder erst noch in Europa, ließ er zwar offen, aber so hoch wurden deutsche Basketballer so gut wie nie gehandelt, weder da, noch dort. "Es ist eine super Zeit, um Bundestrainer zu sein. Wir haben eine junge Mannschaft und sehr viel Talent", findet Rödl. In Novi Sad führten die NBA-Profis Dennis Schröder (Atlanta/24 Jahre, 21 Punkte, sechs Assists) und Maxi Kleber (Dallas/26 Jahre, 16 Punkte, sieben Rebounds) die Mannschaft an. Im Idealfall kämen bei der WM vier weitere Profis aus der nordamerikanischen Liga dazu: die verletzten Daniel Theis (26/Boston) und Paul Zipser (24/Chicago) sowie die frisch transferierten Moritz Wagner (21/Los Angeles Lakers) und Isaiah Hartenstein (20/Houston), die aufgrund von Verpflichtungen in den USA fehlten. Dass in Center Tibor Pleiß (28/Valencia) und Spielmacher Maodo Lo (25/Bamberg) zwei Euroleague-erfahrene Kräfte ausfielen, machte sich auch nicht bemerkbar, weil das Reservoir an international tauglichen Männern gut gefüllt ist. "Es hängt nicht nur von unseren NBA-Spielern ab", findet der Oldenburger Karsten Tadda. "Ein solches Potenzial haben wir noch nie gehabt", sagt Rödl, 49, der als Aktiver einer Generation angehörte, die immerhin 1993 Europameister wurde und 2002 WM-Bronze holte. DBB-Präsident Ingo Weiss sagt launig: "Ich gucke freudig in die Zukunft." Es gibt allerdings Basketballer, die es gut fänden, wenn der DBB auch mal in die Vergangenheit schauen würden. An diesem Mittwoch jährt sich nämlich zum 25. Mal ein außergewöhnlicher Erfolg: Am 4. Juli 1993 gewannen die deutschen Basketballer in München den EM-Titel durch ein 71:70 im Finale gegen Russland. Doch der DBB lässt dieses Jubiläum sang- und klanglos verstreichen. "Ich finde es bescheiden, dass es keine Planung gibt", sagt Hansi Gnad, 55, der Kapitän der damaligen Mannschaft: "So viele Europameisterschaften sind ja nicht gefeiert worden vom DBB." Nur diese eine, um genau zu sein; 2005 gewannen die Männer noch EM-Silber, 2002 die erwähnte WM-Bronze. DBB-Chef Weiss findet: "Wir können nicht alle fünf Jahre eine große Feier machen." Zuletzt sei ja das 20. Jubiläum zelebriert worden, und das Präsidium habe beschlossen, dem EM-Titel fortan in Zehn-Jahres-Abständen zu gedenken. "Wir haben vor vier Wochen angefangen, das der Mannschaft zu kommunizieren", sagt Weiss.

"Diese Info hatten wir nicht, das habe ich nie offiziell gehört", sagt Henning Harnisch, 50, neben Gnad sowie dem damaligen Trainer Svetislav Pesic eine treibende Kraft des erhofften Wiedersehens. Auch Kapitän Gnad ist die Entscheidung des DBB neu. "Ich habe im September angefangen, E-Mails zu schreiben", erzählt er, "und ich war überrascht, dass es so eine zähe Angelegenheit wird. Ich warte wochenlang auf Rückrufe von Leuten und nichts passiert. Dabei hätten sich alle Spieler gefreut, mal wieder zusammenzukommen."

Bei der U20-EM in Chemnitz wäre es leicht möglich gewesen, einen Bogen zu spannen

Nach dem tödlichen Herzinfarkt von Christian Welp 2015 sind es nur noch elf. Die verbliebenen Europameister wollen nicht beleidigt wirken, aber ihnen drängt sich der Eindruck auf, dass sie den DBB-Funktionären lästig sind; als wären sie bucklige Opas, die Einlass zur Gangsta-Party der hippen Kids von heute begehren. Dabei geht es ihnen vor allem um ein Miteinander, wie es der Handballbund pflegt: Der lud im Juni seine Weltmeister von 1978 nach München ein und präsentierte sie zwischen Länderspielen von Frauen und Männern auf dem Parkett. Harnisch findet so etwas wichtig: "Sich zu erinnern, wo man herkommt und was mal war, wenn man Perspektiven für die Zukunft entwickeln will." Jetzt treffen sich die 93er-Europameister halt privat, im kleinen Kreis. Der DBB hätte sie mit dem Nachwuchs zusammenbringen können, bei der U20-EM, die in Chemnitz ausgetragen wird, wenn die Fußball-WM vorbei und wieder Platz für andere Dinge ist. Das hätte sicher schöne Bilder gegeben, so wie beim letzten Klassentreffen. 2013 drehte der Bayerische Rundfunk am Finalort München eine einstündige Dokumentation über die Helden von einst; so viel TV-Präsenz kriegt der Basketball hierzulande selten. Aber diese Chance zur Werbung haben sie beim DBB verspielt.

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