Basketball-Europameisterschaft:Der beneidenswerte Hausmann

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Frankreichs NBA-Champion Tony Parker hat sich seinen Respekt erst erarbeiten müssen. Zum Held wurde er dann nach der Hochzeit mit Hollywoodsternchen Eva Longeria.

Andreas Burkert

Es müffelt nach Chlor im Polideportivo Triangulo de Oro, zweifelsfrei beherbergt der städtische Sportkomplex im weniger akkuraten Norden Madrids auch ein Schwimmbad. Das Licht in der Basketballhalle ist sehr grell, von der Deckenkonstruktion rieseln ständig dicke Staubbüschel aufs gewienerte Parkett. Im Eingang stehen zwar einige Putzfrauen in weißen Kitteln, aber sie kümmern sich nicht um den Staub; der löst nur bei den Ordnern Hektik aus. Die spanischen Frauen starren rüber aufs Parkett zu Tony Parker. Er gähnt gerade.

Spielemacher Tony Parker unter dem Korb der Italiener. (Foto: Foto: AFP)

Es hat einen Grund, weshalb sogar spanische Reinigungsfrauen Tony Parker kennen. Das liegt weniger am französischen Nationalteam, mit dem er an diesem Abend trainiert vor dem EM-Zwischenrundenstart gegen Deutschland. Und wohl auch nicht am neuesten Championsring, den er sich in der NBA mit den San Antonio Spurs erspielt hat, nach dem Finalsieg über Cleveland wurde er zum wertvollsten Spieler der Serie gewählt - als erster Europäer überhaupt. Von seinen 24,5 Punkten bei fast 57 Prozent Trefferquote wissen sie ganz sicher auch nichts. Aber sie kennen Miss Parker. Deswegen ignorieren sie den Staub.

Miss Parker heißt eigentlich Eva Longoria, sie spielt in der Fernsehserie Desperate Housewifes mit; sie ist ein Hollywoodstar mit Wohnsitz in LA. Tony Parker hat sie dieses Jahr in Paris geheiratet, wenige Wochen nach seinem NBA-Triumph. Es ist keine gewöhnliche Hochzeit gewesen an diesem 7.7.07. Sie hat angeblich mehr als eine Million Euro gekostet, bezahlt haben sie französische Magazine wie Gala oder Paris Match und internationale Agenturen. Sie haben die Hochzeitsfotos gekauft. Auf den Fotos sah man das Ehepaar auf seinem Hochzeitsnachtsbett; oder tanzend im Ballsaal des Schlosses Vaux-le-Vicomte, mit Thierry Henry, Michael Douglas und Victoria Beckham. Parker wirkte auf den Bildern manchmal wie der schüchterne Hausmann. Denn er war dabei kein Basketballspieler. Sondern ein Glamourboy.Versteht er sich denn selbst als Star? Tony Parker, 25, überlegt, dann sagt er: "Naja, schon, sicher bin ich ein Star. Aber einer, der Titel gewinnen will."

Deswegen ist er auch hier bei der EM in Spanien, obwohl er müde ist nach seinem in jeder Hinsicht beneidenswerten Sommer. Und Nationalcoach Claude Bergeaud muss ihn einmal lautstark antreiben, "ey, ey!", ruft er, als Parker eine Fastbreak-Übung im Spaziertempo beendet. Doch, doch, bis zur Linie, mault er. Für ihn ist Parker "ein Spieler".

Einer unter vielen, das ist lange Parkers Image gewesen. Obwohl er als 19-Jähriger in der Starting Five der Spurs stand, obwohl er mit ihnen schon 2003 und 2005 den NBA-Ring gewann. Doch Parker haben sie lange nicht für voll genommen. Franzosen finden sie drüben ohnehin merkwürdig, und beim ersten Probetraining ließ ihn Spurs-Coach Gregg Popovich durchfallen: zu weich. "Pop hat mich all die Jahre praktisch nur angeschrieen", hat Parker im Juni nach den Finals erzählt. Jetzt ist ihr Verhältnis ein anderes. Denn erstmals hat der Spielmacher das Team geführt, er hat überragend gepunktet, mit seinen Drives zum Korb und sogar aus der Distanz, seine alte Schwäche. "Ich bin viel erfahrener und habe unheimlich am Wurf gearbeitet", sagt Parker, der in San Antonio bisweilen ein inoffizielles "Dreier-Verbot" hatte. Nun konnte Meistertrainer Popovich amüsiert zurückblicken: "Früher war es für mich wie ein Ballverlust, wenn Tony aus der Distanz warf: Keine Chance, dass das Ding reingeht."

William Anthony Parker hat sich in seiner Karriere alles erarbeiten müssen, den Wurf, das Vertrauen, den Respekt. Doch um ein Held zu sein, hat er einer verzweifelten Hausfrau einen Ring anstecken müssen. In Frankreich indes steht er schon länger auf einer Stufe mit Fußballidolen wie Henry und Zidane; denn der Sohn eines einst in Europa spielenden US-Basketballers und einer Holländerin betont stets seine Wurzeln, sie liegen im französischen Sportinternat INSEP und in Paris, wo er aufwuchs. "Ich will mit Frankreich etwas gewinnen", sagt Parker, "deshalb bin ich hier." Zwar verwarf er gegen Slowenien (66:67) den Freiwurf zur Verlängerung, doch die 36 Punkte gegen Italien (69:62/im Schnitt 25) sind für ihn Rekord im Nationalteam.

Fragen zum Privatleben werden übrigens nicht beantwortet, das hat der Presseattaché schon vorher gesagt. Aber die Flitterwochen sind ja auch vorbei. Zwei Wochen nach der Hochzeit rückte Parker ein, doch Hausfrau Longoria war schon hier, in Alicante gegen Polen (74:66). Angeblich kommt sie Samstag nach Madrid, wenn der Final-MVP den deutschen MVP der NBA-Saison wiedersieht, Dirk Nowitzki. "Gegen Dirk, das wird großartig", sagt Parker, ehe er in der Umkleide verschwindet. Die spanischen Hausfrauen schauen ihm nach. Sie sind ziemlich begeistert.

© SZ vom 08.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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