Basketball-EM:Alles nur wegen Schröder?

EuroBasket Litauen - Deutschland

Dennis Schröder (3.v.l.) ist umringt von litauischen Spielern

(Foto: dpa)
  • Die deutschen Basketballer sind bei der EM ins Achtelfinale eingezogen und spielen so gut wie seit Jahren nicht mehr.
  • Die jüngste Vergangenheit war von negativen Erlebnissen geprägt, zwei NBA-Profis haben die Teilnahme an der EM abgesagt.
  • Die gute Stimmung im Team trägt viel zum Erfolg bei.

Von Sebastian Fischer

Der Basketballtrainer Gregg Popovich sieht nicht nur ein wenig so aus wie der Zauberer Gandalf aus dem Herrn der Ringe, man darf ihn tatsächlich als einen der Weisen des Sports bezeichnen. Der Trainer der San Antonio Spurs ist einer der erfolgreichsten in der Geschichte der NBA, außerdem schimpft er gerne über den US-Präsidenten Donald Trump, es lohnt sich also in jeder Hinsicht, ihm zuzuhören. Derzeit schaut sich Popovich die Basketball-Europameisterschaft an, und fiel dort nun mit einer interessanten Weisheit auf. Er sagte dem Sport-Informations-Dienst über das EM-Turnier: "Es wird besser und besser. Und dieses war bis jetzt das beste." Zuvor, und das war das Besondere, hatte sich Popovic ein Spiel der deutschen Mannschaft angesehen.

Nun empfiehlt es sich selten, mitten in einem Turnier ein Fazit zu ziehen, Sportler machen so etwas nie. Doch wer sich auf einen Weisen berufen kann, der darf vor dem Achtelfinale vorsichtig behaupten: Die deutsche Nationalmannschaft wird gerade besser und besser - und vielleicht ist sie die beste seit ein paar Jahren.

"Wenige Menschen in Deutschland glauben an uns", sagt Danilo Barthel

Zwar verlor Deutschland am Mittwoch das abschließende Gruppenspiel gegen Litauen 72:89 (43:47), doch das änderte nichts an der Qualifikation für das Achtelfinale, wo das Team am Samstag in Istanbul auf Frankreich trifft. Vielleicht ist es aber sogar ganz gut, dass die Deutschen mit der abschließenden Niederlage nach zuvor drei Siegen in vier Spielen den Gruppensieg verpassten. Nationalspieler Danilo Barthel sagte nach dem Sieg gegen Italien am Vorabend jedenfalls: "Wenige Menschen in Deutschland glauben an uns." Genau dann würden die deutschen Basketballer aber oft zeigen, dass sie es doch ganz gut können.

Wer verstehen will, warum der Achtelfinal-Einzug ein Erfolg ist, muss ein Jahr zurückschauen. Im September 2016 verlor Deutschland gegen Dänemark - ein Land, das sich zuvor nur Gerüchten zufolge mit diesem Sport beschäftigt hatte. Die Qualifikation für die Europameisterschaft war in Gefahr. Die Stimmung war bescheiden. So mancher Spieler nutzte die Gelegenheit für ein Probetraining, um sich zu verabschieden, Hauptsache weg. Die Teilnahme an der EM sagten die NBA-Profis Paul Zipser und Maxi Kleber ab. Doch Barthel erzählt vom gemeinsamen Kartenspielen, von einem Besuch beim Italiener in Tel Aviv, von guter Stimmung: "Wir sind eine Gruppe, die sich gut versteht. Wir sind alle jung und heiß. Wir haben Spaß."

Die naheliegende Erklärung für den deutschen Erfolg ist Point Guard Dennis Schröder, der zwar dem Vernehmen nach eine Tasche mit 22 000 Euro (!) im Mannschaftsbus vergaß, aus der dann (warum auch immer lediglich) 500 Euro verschwunden waren, als sie eineinhalb Stunden später gefunden wurde, der aber auch im fünften Spiel überragte, 26 Punkte erzielte. Fragt man Barthel, bislang in jedem EM-Spiel als Forward in der Starting Five, lobt er die weltweit bekannten Fähigkeiten des besten deutschen Basketballers, wie er die gegnerische Defense mit schnellen Schritten zerschneidet, zum Korb zieht; wie er inzwischen das Team anführt, anstatt sich vor allem mit sich selbst zu beschäftigen.

Zurzeit ist der Kader der jüngste Europas

Barthel sagt auch: "Wir schaffen es besser, ihm die Last abzunehmen." Zum Auftakt gegen die Ukraine übernahm Kapitän Robin Benzing Verantwortung, Daniel Theis überzeugte mit 15 Punkten und 15 Rebounds bei der Niederlage gegen Israel, gegen Italien war Center Johannes Voigtmann der Zweitbeste. Als gegen Litauen erstmals niemand in Schröders Pausen einsprang, war Deutschland prompt chancenlos. "Alle ordnen sich ein, machen ihre Sachen", sagt Assistenztrainer Henrik Rödl.

Die Negativerlebnisse während der Qualifikation, die peinliche Niederlage gegen Dänemark, die Siege danach gegen Österreich und die Niederlande, um es doch zu schaffen: "Das hat uns zusammengeschweißt." Ihm ist die Dankbarkeit anzuhören, endlich wieder über Basketball sprechen zu dürfen, nicht über schlechte Stimmung; darüber, wie er bis tief in die Nacht Deutschlands Gegner analysiert - und die Pläne, das Spiel gegen Litauen ausgenommen, auch funktionieren.

Die EM ist für Deutschlands Basketball eine Zäsur. Rödl, 48, wird demnächst im Mittelpunkt stehen, er übernimmt den Job von Bundestrainer Chris Fleming, der sich zukünftig auf seine Aufgabe als Assistenztrainer des NBA-Klubs Brooklyn Nets konzentriert. Nach dem Turnier erwächst die talentierteste Generation deutscher Nationalspieler seit den WM-Bronzemedaillengewinnern um Dirk Nowitzki 2002 dem jugendlichen Alter, zurzeit ist der Kader der jüngste Europas. Barthel, 25, der als konstanter Arbeiter unter dem Korb auffiel, sagt: "Ich traue mir immer noch mehr zu." Er bestätigt, dass er damit auch für seine Kollegen sprechen könne.

Gegen Frankreich ist Deutschland wieder Außenseiter, ein Sieg wäre die nächste Überraschung. Doch es heißt, die Spieler hätten sich schon erkundigt, wo man in Istanbul gut essen gehen kann. Für den nächsten Teamabend.

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