Deutsches Team bei der Basketball-EM:Vom Wunschgegner gedemütigt

Germany v Turkey - FIBA Eurobasket 2015

Dirk Nowitzki ist nach der bitteren Niederlage gegen die Türkei sichtlich enttäuscht.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Die deutschen Basketballer hatten mit ihren Leistungen gegen Serbien viel Hoffnung gemacht.
  • Im wichtigen Spiel für das erreichen der Endrunde gegen die Türkeit zeigte das DBB-Team eine desolate Leistung.
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Von Joachim Mölter, Berlin

Am Ende wurde es in der großen Arena am Berliner Ostbahnhof recht ruhig, obwohl sie mit 13 050 Zuschauern erneut ausverkauft gewesen war und lange mächtig Lärm geherrscht hatte. Während das Gros der Besucher, die Anhänger der deutschen Basketballer, still von dannen zog, sangen ihnen in einer Ecke ein paar hundert türkische Fans hinterher: "Auf Wiedersehen!" Die Türken können sich nach ihrem 80:75 (41:24)-Sieg schon mal mit der Weiterreise zum EM-Achtelfinale nach Lille/Frankreich beschäftigen, für die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes wird es schwer, in den verbleibenden Gruppenspielen gegen Italien (Mittwoch) und Spanien (Donnerstag, beide 17.45 Uhr/ARD) nachzuziehen. Eine Niederlage gegen Italien bedeutet jedenfalls schon den Abschied vom Turnier. "Jetzt stehen wir unter Druck", sagte Teamkapitän Heiko Schaffartzik.

Das hat der DBB nun davon, dass er sich die Türkei als Vorrundengegner ausgesucht hat. Nachdem der ursprüngliche Ausrichter Ukraine das Turnier wegen der militärischen Konflikte im Land zurückgegeben hatte und Deutschland, Lettland, Frankreich und Kroatien die EM kurzfristig gemeinsam schulterten, durfte sich ja jeder Gastgeber einen Gruppengegner wünschen - der DBB nahm die Türken. Natürlich, weil deren in Berlin lebenden Landsleute die Halle füllen sollten; aber auch, weil die deutsche Auswahl lange kein EM-Spiel mehr gegen die Türkei verloren hatte: das bis dato letzte 2001, im Halbfinale in Istanbul, 78:79 nach Verlängerung, ein Frust-Erlebnis der anderen Art.

Den Türken fehlen bei dieser EM die NBA-Center Enes Kanter, der sich mit dem Verband überworfen hat, und Amer Ösik, der wegen Rückenproblemen absagte, so dass die Flügelspieler Ersan Ilyasova und Aldemir Furkan die einzigen NBA-Profis im Team von Trainer Ergin Ataman sind. Dessen wichtigster Mann ist aber der Spielmacher Ali Muhammed alias Bobby Dixon, ein kürzlich eingebürgerter Amerikaner. "Ein kurioser Spieler, auf den man sich einstellen muss, damit er nicht heiß läuft", wie Niels Giffey den flinken, unkonventionellen, mitunter auch eigensinnigen 32-Jährigen beschrieb.

Dennis Schröder schafft es nicht, das Offensiv-Spiel zu organisieren

Das Kaltstellen des nur 1,78 Meter großen Neu-Türken war die Aufgabe von DBB-Regisseur Dennis Schröder gewesen. Das misslang dem 21-Jährigen allerdings gründlich: Muhammed versenkte gleich mal zwei Dreier, nach nicht mal zwei Minuten stand es 0:9, Bundestrainer Chris Fleming nahm die erste Auszeit; und nur drei Minuten später die zweite, da stand es 4:15. Fleming konnte umstellen, wie er wollte, personell wie taktisch - es wurde nur schlimmer. Noch im ersten Viertel wuchs der Rückstand auf 21 Punkte an (8:29/9. Minute). "Wir haben einfach kein Mittel gefunden, die Blutung zu stoppen", sagte Fleming. "Das Loch, in das wir uns gebuddelt haben, wurde immer tiefer", sagte Schaffartzik.

Im deutschen Team waren sich alle einig, dass sie selbst schuld waren an der Niederlage. "Wir waren im ersten Viertel nicht bereit, weder in der Abwehr noch im Angriff", stellte Fleming fest: "Wir müssen uns fragen, warum wir so angefangen haben." Zu statisch seien die Aktionen gewesen, fand Dirk Nowitzki: "Wir konnten das Spiel nicht schnell machen. Wir sind jedes Mal vorgetrottelt und ein System gerannt, das die Türken wahrscheinlich besser kannten als wir selbst." Die durchschauten jedenfalls etliche Pläne von Spielmacher Schröder und entwendeten ihm den Ball. "Vier Ballverluste in den ersten Minuten gehen einfach nicht, da muss ich besser sein", sagte der 21-Jährige zerknirscht.

Die deutschen Basketballer kommen nur langsam heran

Was nach dem verheerenden ersten Viertel noch Hoffnung machte: Als die Teams vor zwei Wochen beim Supercup in Hamburg aufeinandergetroffen waren, lag das deutsche nach einer Viertelstunde sogar 24 Punkte zurück (14:38) - und gewann 68:66. Auch beim EM-Auftaktsieg gegen Italien (89:87) hatten die Türken gezeigt, dass sie in der Lage waren, jeden beliebigen Vorsprung zu verspielen. Da führten sie schnell mit 16 Punkten und hatten am Ende Glück, dass die Italiener ihre Siegchancen verdaddelten.

Also begaben sich die Deutschen auf Aufholjagd. Mit einer bissigen Defensive verhinderten sie fünf Minuten lang einen Korb der Türken. Dass sie trotzdem nur auf 14 Zähler (17:31/14.) verkürzten, lag an einer unfassbaren Wurfschwäche: Von 15 Dreiern flutschte in der ersten Halbzeit nur einer durch den Ring - von Nowitzki, der neben dem von einer Bänderverletzung aus dem Islandspiel (71:65) genesenen Robin Benzing dafür sorgte, dass der Rückstand wenigstens nicht anschwoll. Für sie standen am Ende 15 bzw. 13 zu Buche.

Obwohl sich Center Tibor Pleiß gleich nach dem Seitenwechsel seine Fouls Nummer drei und vier einhandelte und damit akut feldverweis-gefährdet war, kamen die Deutschen weiter heran. Als sie beim 36:46 (25.) kurz davor waren, den Abstand auf eine einstellige Punktzahl zu verkürzen, wurden sie aber jäh wieder zurückgeworfen von den Türken, bis auf 40:59 (29.). "Das war dann zu weit weg, um noch mal die Kurve zu kriegen", sagte Fleming.

Im letzten Viertel avancierte der längst von Abwehraufgaben gegen den überragenden Ali Muhammed befreite Dennis Schröder zwar noch zum Topscorer seines Teams mit 24 Punkten; die meisten erzielte der insgesamt enttäuschende NBA-Profi der Atlanta Hawks aber von der Freiwurflinie, als die Partie längst verloren war. Diesmal retteten die Türken ihren Vorsprung über die Zeit.

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