Basketball-EM:Die Cinderella-Geschichte geht weiter

Mit einem 76:62 über Slowenien erreichen die deutschen Basketballer das EM-Halbfinale gegen Spanien.

Andreas Burkert

Als Mithat Demirel ein letztes Mal über die Linie dribbelt, dringt plötzlich ein rauschender Beifall durch die Belgrad Arena. 18 000 Menschen befinden sich in der Halle, und bis hierhin hatte man nur die vermutlich zehntausend Fans aus Slowenien rufen, schreien und singen hören. Doch jetzt applaudiert das Publikum angetan dem Außenseiter des ersten Viertelfinalspiels an diesem Freitagabend.

Deutsche Nationalmannschaft

Der Außenseiter siegt und zieht ins Halbfinale ein.

(Foto: Foto: dpa)

Denn er hat das Spiel um den Einzug in das Halbfinale der Basketball-Europameisterschaft in überragender Manier gewonnen. 76:62 (34:34), so steht es auf der Anzeigetafel, und natürlich kämpfen die Slowenen jetzt nicht mehr um den Ball. Sie lassen Demirel gewähren, er dribbelt schließlich mit dem Lederball zur deutschen Bank. Dort nehmen sie sich allesamt in den Arm. Denn die Deutschen feiern.

Das Team um Dirk Bauermann ist damit nicht nur "eine kleine Sensation gelungen", wie der Bundestrainer findet. Sie hat damit auch die Qualifikation für die WM 2006 in Japan sowie für die EM 2007 in Spanien sicher. Im Halbfinale am heutigen Samstag (21 Uhr/DSF) trifft man auf Spanien, das Kroatien 101:85 nach Verlängerung besiegte. "Die Cinderella-Geschichte dieser Mannschaft geht weiter", sagt Bauermann. Der Stolz über diese Leistung ist ihm anzusehen.

Wurfschwache Slowenen

Die Deutschen verblüfften bereits im ersten Viertel alle. Denn sie begannen erstmals in diesem Turnier hoch konzentriert und selbstbewusst. Zwar fehlten ihnen die frühen Punkte von Dirk Nowitzki, dem üblichen Alleinunterhalter in der Offensive. Denn die Slowenen beschatteten ihn - wie zuletzt schon die Türken - zumeist im griechisch-römischen Stil und nahmen ihn damit etwas aus dem Spiel.

Doch dafür starteten seine Kollegen furios, als hätte es ihre Wurfschwäche in den ersten vier Partien nicht geben. Vor allem dieser Umstand erfreut Bauermann später besonders, er sagt: "Wir haben heute ohne einen phänomenalen Dirk Nowitzki gewonnen. Aber er hat uns bis hierhin getragen, und es war jetzt an der Zeit, dass die anderen ihm das zurückzahlen." Wie entschlossen der Außenseiter seine Chance nutzen wollte, zeigte Demirel, als er erstmals Pascal Roller als Playmaker ersetzte: Der Berliner stieg gleich im nächsten Angriff mutig zum Dreier hoch - und traf.

Auch Demond Greene und Roller punkteten früh, während die wurfschwachen Slowenen offenbar nach fünf spielfreien Tagen damit beschäftigt waren, ihre Glieder aufzuwecken. Ihnen sollte das nicht mehr gelingen. Als ihr NBA-Center Nesterovic (2,14 m) von den San Antonio Spurs bei der vermeintlich leichten Übung eines Dunkings den Ball kapital auf den Ring gewuchtet hatte anstatt durch die Reuse, konnte der Favorit seine Nervosität endgültig nicht mehr leugnen. Bis auf 19:6 (9.) zog der Gegner davon, und die lautstarken Slowenen auf den Tribünen verstummten erstmals.

Die Intensität in Angriff und Verteidigung kam der DBB-Auswahl nur im zweiten Abschnitt abhanden. Mehr als fünf Minuten verstrichen ohne einen Korberfolg, ehe Nowitzki dieser Phase ein Ende setzte (23:19). Aber die Slowenen befanden sich nun wieder in Reichweite, weil Nowitzki nach seiner Sicherheit fahndete und die deutsche Deckung mehrfach zweite Wurfchancen zuließ. Vor allem Patrick Femerling griff hier bei manchem Rebound halbherzig zu, auch im Angriff zeigte er wenig von dem, was ihn zu einem der anerkanntesten Brettspieler Europas gemacht hat.

Doch auch diesen Ausfall verkraftete die starke deutsche Deckung, und anstelle von Femerling erhielt eben abermals Robert Maras reichlich Gelegenheit, sich für einen Vertrag bei einem neuen Verein zu empfehlen. Nach dem Spiel sagt Maras zufrieden: "Heute haben alle super gespielt, denn wir haben vorher nicht so viel über die Slowenen gesprochen - sondern nur über das, was wir besser machen können."

"Wie eine Goldmedaille"

Möglichkeiten zur Steigerung besaßen er und seine Kollegen vor allem bei der Entlastung von Nowitzki. Und das gelang ihnen beeindruckend. In Demirel (15 Zähler), Greene (10), Roller (15) und eben Nowitzki (22) schafften es erstmals vier Spieler bei diesem Turnier, zweistellig zu punkten.

Vor allem die wundersame Serie von vier geglückten Dreiern kurz nach der Pause (zweimal Roller, Greene sowie Nowitzki) zum 66:49 schockte Slowenien regelrecht. "Davon haben wir uns nicht mehr erholt", gibt deren Kapitän Nestorvic später zu, Bauermann sieht das ähnlich: "Ich denke, vor allem die zwei Dreier von Pascal waren für sie der Todesstoß." Denn geradezu verzweifelt hatten die Slowenen gegen Ende versucht, die Deutschen mit einer Ganzfeld-Presse zu Fehlern zu zwingen. Doch Roller und Demirel tänzelten souverän durch die Reihen, allenfalls auf zehn Punkte Differenz schmolz der Vorsprung (72:62/36.).

Marko Pesic kann es wenige Minuten später kaum fassen, er sagt: "Dieser Sieg ist für uns wie eine Goldmedaille, denn wir haben doch fast die halbe Mannschaft verletzt zuhause lassen müssen." Genug hätten sie deshalb aber noch lange nicht: "Jetzt wollen wir auch die echte Medaille."

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