Basketball:Djordjevics Ehrfurcht

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Hoch, aber nicht hoch genug gesprungen: Der FC Bayern München Basketball verpasst die Sensation gegen Darussafaka Istanbul. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Bayern-Basketballer beweisen im Halbfinale des Eurocup ihren großen Entwicklungssprung. Doch noch hat die Entwicklung Grenzen.

Von Matthias Schmid, München

Wenige Minuten nach der Niederlage, die für die Basketballer des FC Bayern das abrupte Ende der Eurocup-Kampagne bedeutete, fand ihr Cheftrainer Aleksandar Djordjevic zu seinem Lächeln zurück. Gequält zwar, aber ehrlich anerkennend. Das Lächeln galt einer Zahl, die er kurz zuvor auf dem Blatt mit allen Zahlen zum Spiel entdeckt hatte, das die Trainer in der Pressekonferenz in die Hand gedrückt bekommen. Djordjevic schüttelte seinen Kopf, immer wieder. Der Serbe konnte einfach nicht glauben, welche Zahl er hinter dem Namen von Scottie Wilbekin las. 41 stand da.

So viele Punkte sammelte der Amerikaner von Darussafaka Istanbul am Freitagabend beim 87:83 über die Münchner Basketballer, mit dem Sieg sicherten sich die Türken den Finaleinzug gegen Krasnodar im zweitwichtigsten europäischen Klubwettbewerb. Wilbekin, 24, traf die unmöglichsten Würfe, aus kurzer Distanz, aber vor allem aus der Ferne, "vom Parkplatz aus", wie Basketballer ehrfürchtig sagen. Einmal kurz vor der Pause brachte Wilbekin fast von der Mittellinie den Ball im Korb unter. Djordjevic gab zu, dass er das einst als Spieler millionenfach probiert habe, "vergeblich", wie er bekannte: "Ich habe nie getroffen."

Djordjevic, das muss man wissen, war einer der aufregendsten europäischen Spielmacher in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, er gewann alle relevanten Titel im Basketball, er war Weltmeister, Euroleague-Sieger und lief ein Jahr in der Nordamerikanischen Basketballliga NBA für die Portland Trail Blazers auf. Er kann also überragende Leistungen einordnen. Als Trainer hat Djordjevic, 50, allerdings noch keine internationalen Titel gewonnen. Und ihn tröstete am Freitag noch etwas anderes: die mitfühlenden und aufbauenden Worte seines gegnerischen Kollegen David Blatt, einem der erfolgreichsten europäischen Trainer.

Blatt lobte die Bayern fast überschwänglich als "einen Verein, der alle Voraussetzungen für einen nachhaltigen Erfolg im europäischen Basketball hat." Titel auf europäischer Ebene zu gewinnen, das ist Ziel des FC Bayern, sie müssen nun mindestens eine weitere Saison darauf warten. Die laut Djordjevic "unglaubliche individuelle Leistung" von Scottie Wilbekin hatte den Münchnern vor Augen geführt, was ihnen auf hohem europäischem Niveau trotz aller Voraussetzungen noch fehlt.

Djordjevic hatte wirklich alles probiert, um den wie in Trance werfenden Amerikaner mit bosnischem Pass irgendwie aufhalten, ihm den Spaß am Werfen nehmen zu können. Er ließ in Jared Cunningham, Stefan Jovic, Reggie Redding und Anton Gavel vier verschiedene Spieler gegen ihn verteidigen, allesamt sehr passable Abwehrspieler. Nur: Es half nichts. "Wir hatten kein Mittel gegen ihn", musste Djordjevic feststellen. Erschwerend kam hinzu, dass Wilbekin fast alles traf - und seine Spieler kaum etwas, vor allem aus der Ferne nicht. Während Wilbekin allein zehn Dreier verwandelte, kamen die Münchner zusammen nur auf sechs. "Wir haben vor allem im Schlussviertel einige offene Würfe verfehlt", beklagte Djordjevic.

Der Trainer trauerte vor allem dem ersten Spiel der Best-of-three-Serie nach, in Istanbul hatten seine Spieler stark gespielt, phasenweise in der ersten Hälfte sogar mit 23 Punkten geführt, um am Ende mit dem letzten Wurf doch noch zu verlieren. Auch am Freitag war es zu Beginn ja noch ganz ordentlich gelaufen, die Münchner führten, einmal mit neun Punkten. Aber zu ihrem schnellen, wuchtigen Teambasketball fanden sie nicht. Vielleicht, so mutmaßte Djordjevic, fehlte einigen Profis die Erfahrung auf diesem Niveau. Er nannte allen voran den NBA-erprobten Jared Cunningham, der seltsam ermattet wirkte und bei einigen seiner Würfe weder Korb noch Brett traf.

Djordjevic gab zu, dass die Enttäuschung groß war - "auch wenn die Eurocup-Saison insgesamt positiv für uns verlaufen ist und wir einen Schritt nach vorne gemacht haben in unserer Entwicklung." Viel Zeit zur Reflexion und Regeneration bleiben den Spielern nicht, der straffe Spielplan gönnt ihnen keine Pausen. Bereits an diesem Sonntag (17.30 Uhr, Audi-Dome) empfangen die Münchner in der Bundesliga Alba Berlin, es ist das Spitzenspiel im deutschen Basketball, der Erste gegen den Zweiten. "Wenn wir gewinnen", sagt Djordjevic, "war es gut, dass wir gleich wieder gespielt haben." Über Scottie Wilbekin muss er sich dann keinen Kopf mehr zerbrechen. Im deutschen Basketball stehen Spieler, die in einer Partie auf höchstem Niveau 41 Punkte erzielen, einem Titelgewinn eher nicht im Weg.

© SZ vom 25.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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