Basketball:Diesel Demond

Nach einer turbulenten Jugend und viel Arbeit ist Basketballprofi Greene im Nationalteam angekommen.

Andreas Burkert

Zwischendurch schlendert Dirk Nowitzki vorbei, "der Desmond ist ja immer noch am Schaffen", ruft er dem Kumpel auf dem Weg zum Hotelaufzug zu. Der Desmond heißt eigentlich Demond Greene, aber den Namen hat er nunmal weg seit einem Jahrzehnt, so lange kennen sie sich schon. Greene ignoriert natürlich den frotzelnden Freund und erzählt einfach weiter von seiner Geschichte, die fast so spannend ist wie die von Dirk Nowitzki, dem Superstar. Nur kennen sie eben noch nicht viele, aber Demond Greene arbeitet ja gerade daran, dass sich das ändert.

Greene

Eine feste Größe im Nationalteam: Demond Greene

(Foto: Foto: AFP)

Wie wertvoll Demond Greene, 27, inzwischen für die deutschen Basketballer ist, zeigte sich bei der ersten WM-Niederlage in Hiroshima gegen Spanien, als er nicht mitspielte. 14 Punkte hatte er bis zur Pause gesammelt, mehr sogar als Nowitzki. Doch dann kassierte Greene - die Deutschen waren gerade auf 50:51 herangerückt - drei schnelle Fouls, worauf ihn Coach Dirk Bauermann vorsichtshalber vom Feld nahm. Als er zurückkehrte, war die Partie längst entschieden. Greene sagt: "Das hat in dieser Phase sicherlich geschmerzt."

Immer ruhig, immer da

Die Phase belegte, dass es Greene noch an Erfahrung mangelt, aber auch daran wird er arbeiten. Und Arbeit liegt ihm ja, damit hat er es inzwischen als Deutscher in die Starting Five des Topklubs Alba Berlin gebracht und nun zum wertvollsten Spieler des Nationalteams hinter dem NBA-Profi Nowitzki. Greene hat damit erneut die nächste Stufe erreicht, nachdem er sich zunächst in Leverkusen (2002 bis 2005) zum besten deutschen Bundesliga-Werfer entwickelte und bei seinem ersten großen Turnier, der EM 2005, mit starker Verteidigung auffiel. Er glaube nicht, dass er fleißiger sei als andere, sagt Greene zurückhaltend, doch das stimmt wohl nicht.

Denn wer seit Jahren sein Spiel verfolgt und seinen Körper betrachtet, der aus knackigen Muskelpaketen besteht, der ahnt, wie eifrig der Shooting Guard an sich arbeiten muss. Nicht nur im Kraftraum und beim asiatischen Kampfsport ("das gibt meditative Energie") legt er Sonderschichten ein. "Wenn ich allerdings in Dirks Nähe bin, bekomme ich ein schlechtes Gewissen - denn er macht noch so viel mehr."

Vater aus den Augen verloren

Natürlich ist Dirk Nowitzki ein Vorbild, seinem Jugendfreund und dessen Entdecker Holger Geschwindner hat er einiges zu verdanken. Mit 18 ist er zu ihnen nach Würzburg gezogen - zwei Jahre, nachdem der Spätstarter mit Basketball begonnen hatte. Greene ist davor Leichtathlet gewesen, mit 14 Jahren lief er die 100 Meter in 11,4 Sekunden. In Würzburg wohnte er zunächst bei Nowitzkis Oma, das legendäre Sondertraining mit Geschwinder hatte er allerdings nur sporadisch mitmachen können. Denn Greene arbeitete bereits hart an sich und seinem Weg. Er begann mit 16 eine Lehre zum Kfz-Mechaniker.

Vielleicht ist es dieser sehr Hintergrund, der Greenes Aufstieg ermöglicht hat. Geboren wurde er in Ford Hood, Texas, die Familie siedelte bald nach Aschaffenburg über. Den Vater, einen amerikanischer GI, verlor er nach der Trennung der Eltern aus den Augen. Seine Mutter, eine Deutsche, brachte ihn fortan über die Runden, mit sehr viel Arbeit. Mehrere Jobs hatte sie gleichzeitig, sie kellnerte und war Verkäuferin. "Es gibt zigtausend alleinerziehende Mütter", sagt ihr Sohn, "und ich habe unheimlichen Respekt, auch meine Mutter hat viel durchgemacht." Vor zwei Jahren hat er sich deshalb um sein linkes Handgelenk eine Tätowierung schreiben lassen: "Me and my Mom, one love", steht dort.

Geradezu introvertiert

Demond Greene unterstützt sie heute finanziell und hat nicht vergessen, wo er herkommt, ihm ist ja nie etwas geschenkt worden. "Ich habe zuhause die Hausarbeit gemacht", erzählt er und hat auch kein Problem damit, über Jugendsünden zu reden. Er sei "halt auf der Hauptschule gewesen, und jeder weiß, wie es da abgeht". Einmal ging es jedenfalls richtig ab, da zertrümmerte er einem Provokateur den Kiefer. Zehn Monatsraten à 500 Mark Schmerzensgeld brachte ihm der Volltreffer später ein, viel Geld bei 750 Mark Lehrlingsgehalt. "Es gab eben diese Zeit, in der ich so drauf gewesen bin."

Heute wirkt Greene geradezu introvertiert, auch auf dem Feld, und er lässt sich nicht mehr provozieren. Wenn ihn im Spiel jemand zum trash talk bittet, hört er nicht hin. "Ich versuche dann, den mit meiner Leistung rauszubringen und meine Aggressivität durch mein Spiel darzustellen", sagt er.

Persönlichkeit mit Übersicht

Greenes Faust gibt es nicht mehr zu sehen, Rückfall ziemlich ausgeschlossen. Er ist ja neuerdings auch verheiratet und wird im Oktober Vater, Demond Greene sagt: "Die kriegen jetzt einen Dreier ins Gesicht." Und die Distanzwürfe des Quereinsteigers fallen ja immer häufiger, im Schnitt fast zwölf Punkte hat Greene in Japan bislang erzielt, bei 57 Prozent Trefferquote. Greene ist zudem nur 1,85 Meter groß und zeigt trotzdem spektakulärste Flugeinlagen. Er habe "den besten deutschen Sprungwurf", sagt Bundestrainer Bauermann. "Und er ist unser Diesel, denn er ist ruhig und doch immer da - manchmal wünsche ich mir aber schon mehr Temperament von ihm."

Dies wird die nächste Stufe seines Weges sein: Nicht nur als athletischer Schütze aufzufallen, sondern auch als Persönlichkeit mit Übersicht. Erfahrungen wie die WM werden ihn weiterbringen, nur wie weit? Greenes Vertrag in Berlin läuft bis Sommer 2007, danach dürften ihn die Spitzenvereine aus Spanien oder Italien umgarnen. Es müsse jedoch ein Klub sein, "der erfolgreich ist und bei dem ich auch spiele", sagt er selbstbewusst. Greene hat inzwischen offenbar recht konkrete Vorstellungen von seinem Weg, der aus viel Arbeit und Talent und auch aus Disziplin besteht. Nach seiner Karriere würde er übrigens gerne als Plattenproduzent oder DJ in der eigenen Bar ("ich brauche Hip Hop und R&B") jobben. Demonds Laden wird dann vermutlich Desmond heißen.

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