Basketball:Die Nuggets locken

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Bundestrainer Chris Fleming ist als Assistenzcoach beim NBA-Klub in Denver im Gespräch - der DBB hätte gegen das Engagement wenig einzuwenden.

Von Joachim Mölter, München

Chris Fleming weilt derzeit in seiner Heimat, an der Ostküste der USA; südlich von New York ist er im Bundesstaat New Jersey geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Fleming hat aber gerade sein Handy ausgeschaltet, was wohl klug ist angesichts der sechs Stunden Zeitverschiebung zur Mitteleuropäischen Sommerzeit, sonst wäre er in den vergangenen Tagen vermutlich von diversen Anrufen aus Deutschland aus dem Schlaf geklingelt worden. Denn seit die Zeitung Denver Post am Sonntag auf ihrer Webseite meldete, der Basketball-Bundestrainer werde im Herbst als einer von fünf Assistenten des neuen Chefcoaches Michael Malone beim NBA-Klub Denver Nuggets anfangen, ist die Aufregung hierzulande groß.

Die ersten Reaktionen des Deutschen Basketball Bundes (DBB) waren am Montag sehr vage und vieldeutig, erst am Dienstag bemühte sich Präsident Ingo Weiss um eine Klarstellung: "De facto ist noch nichts unterschrieben", sagte er; das habe ihm Fleming versichert, als dieser ihn von sich aus angerufen hatte. Dabei habe es der Amerikaner auch bedauert, dass Denvers erst seit drei Wochen im Amt befindlicher Chefcoach Malone mit der Bekanntgabe seines Trainerstabs vorgeprescht sei; das sei so nicht abgestimmt gewesen.

Gefragter Mann: Bundestrainer Chris Fleming hat wohl bald einen zweiten Job. (Foto: imago)

"Wir sind froh und stolz, wenn unser Trainer anderswo begehrt ist", sagt Verbandschef Weiss

Man kann also davon ausgehen, dass der einstige Meistercoach der Brose Baskets Bamberg (jeweils vier Titel und Pokalsiege) trotz eines noch bis zum Sommer 2016 datierten Vertrages beim DBB demnächst in seiner Heimat tätig werden wird. Der Bericht der Denver Post las sich jedenfalls schon sehr entschieden, fehlende Unterschriften hin oder her. Der 45 Jahre alte Fleming wurde bereits als "aufstrebender Basketball-Geist" in einer Reihe von "hoch angesehenen Basketball-Köpfen" willkommen geheißen. Offensichtlich hat der seit 1994 als Spieler und seit 2000 dann als Trainer in Deutschland tätige Basketballer daheim in den USA nicht nur wegen seiner Erfolge in Europa Eindruck gemacht, sondern vielmehr noch, als er vor einem Jahr beim damaligen NBA-Meister San Antonio Spurs in dessen Summer-League-Team aushalf. DBB-Chef Weiss wusste jedenfalls, dass Fleming in jüngerer Zeit mit einigen NBA-Klubs gesprochen hat, außer mit den Nuggets noch mit Utah Jazz, den Atlanta Hawks und den Boston Celtics zum Beispiel. "Wir sind froh und stolz, wenn unser Trainer anderswo begehrt ist", sagt Weiss; und wenn die Europameisterschaft im September vorbei sei, könne man Chris Fleming auch "gerne irgendwohin ausleihen".

In der NBA, der nicht nur nach eigener Einschätzung stärksten und lukrativsten Basketball-Liga der Welt, sehen sie das vermutlich eher andersherum. Nuggets-Trainer Malone soll jedenfalls signalisiert haben, dass sein neuer Assistent die deutsche Nationalmannschaft auch in Zukunft betreuen könne, falls er das möchte. Zeitlich ist das durchaus möglich, weil für die Nationalteams und ihre Wettbewerbe im aktuellen Terminkalender des Weltverbandes Fiba die Sommermonate reserviert sind, wenn alle Ligen Pause machen. Insofern sieht auch Ingo Weiss kein Hindernis für eine Doppelfunktion Flemings: "Als Bundestrainer sitzt man momentan von Oktober bis Juni sowieso nur auf der Tribüne herum, weil die Spieler bei ihren Klubs sind." Das wird sich erst frühestens im Herbst 2017 ändern, wenn eine Kalenderreform der Fiba in Kraft tritt und die Nationalteams dann auch im Herbst und Frühjahr Termine freigeräumt bekommen.

Auch wenn sich DBB-Präsident Weiss wegen der Personalie um seinen Bundestrainer "total entspannt" gibt, so kommt dem Verband die aktuelle Diskussion trotzdem ungelegen, nur zwei Monate vor der Europameisterschaft (5. bis 20. September), bei der die DBB-Auswahl ihre Gruppenspiele in Berlin austrägt. Die Mannschaft soll nicht bloß die Vorrunde überstehen, sondern sich dann bei der Endrunde in Lille/Frankreich möglichst auch schon für die Olympischen Spiele 2016 in Rio qualifizieren. Da kann sie weitere Unruhe und Ablenkung nicht gebrauchen.

Zwar haben für das Turnier die beiden NBA-Profis Dirk Nowitzki, 37, von den Dallas Mavericks und Dennis Schröder, 21, von den Atlanta Hawks zugesagt. Zuletzt hatte es aber auch eine Reihe von Absagen gegeben, welche Flemings Auswahl zunehmend schmälert. Verletzungsbedingt meldeten sich der Ulmer Spielmacher Per Günther (chronische Knieprobleme) und der Neu-Münchner Maxi Kleber (Fußoperation) ab, aus privaten Gründen verzichten Lucca Staiger (München) und Tim Ohlbrecht (Ulm) auf eine Teilnahme. Ob die frisch operierten Bamberger Daniel Theis (Schulter) und Elias Harris (Finger) einsatzfähig sein werden, ist noch fraglich. Auf einen weiteren NBA-Profi, den Center Chris Kaman, 33, von den Portland Trail Blazers, scheint der DBB von sich aus zu verzichten. Die jüngsten Gespräche hatten jedenfalls zu keinem Ergebnis geführt.

Am 19. Juli beginnt die EM-Vorbereitung mit einem einwöchigen Lehrgang in Bonn, zu dem Chris Fleming 16 Spieler eingeladen hat. Die NBA-Profis Schröder und Nowitzki dürfen noch etwas urlauben, sie stoßen erst Anfang August zur Mannschaft. "Chris konzentriert sich jetzt erst einmal ganz auf die EM", sagt Ingo Weiss. Danach sehe man weiter.

© SZ vom 08.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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