Basketball:Demütigung als Ansporn

Brose Baskets Bamberg - Bayern München

Vergnüglicher Abend: Bambergs Basketballer (nach Dunking am Korb hängend: Patrick Heckmann) hatten das Spiel zu jeder Zeit im Griff und leisteten sich manche Einlage.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Nach fünf Minuten 14:3, zur Halbzeit 49:20 am Ende 96:65: Bambergs Basketballer erteilen dem FC Bayern München eine Lehrstunde und ziehen ins Finale ein. Trainer Pesic kündigt trotzig an, weiterzumachen.

Von Ralf Tögel

Andrea Trinchieri wirkte etwas genervt, als er bei der Pressekonferenz in den Statistik-Zettel starrte. Denn neben ihm hatte der Kollege trotz einer verstörenden 65:96-Niederlage mit einem Satz alles Interesse auf sich gebündelt. Die Basketballer des FC Bayern hatten sich gerade aus dem Playoff-Halbfinale mit 0:3 gegen Brose Bamberg verabschiedet, deutlicher kann man in einer Best-of-five-Serie nicht verlieren, da stellte Pesic lapidar fest, dass er in den vergangenen Tagen nachgedacht habe: "Die Prozentzahl hat sich umgedreht." Der 66-jährige Serbe hatte bekanntlich zu 99,9 Prozent seinen Rücktritt angekündigt, nun sagte er, dass "ich zu 99,9 Prozent bleiben werde". Damit steht fest, dass sich Pesic nicht mit dieser Demütigung vom Münchner Projekt verabschieden wird, er ließ stattdessen schon einen kleinen Einblick in seine Pläne zu: "Um gegen diese Mannschaft zu bestehen, brauchen wir nicht nur mehr Qualität, sondern auch mehr Spieler."

In der Tat, der FC Bayern München musste am Sonntagabend schmerzhaft erkennen, dass ihm die Bamberger mit Siebenmeilenstiefeln enteilt sind, im Vorjahr noch waren sich diese beiden Mannschaften in einer engen Finalserie auf Augenhöhe begegnet. Bamberg hätte die ersten beiden Playoff-Runden souveräner nicht überstehen können, dem 3:0 gegen überforderte Würzburger im Viertelfinale folgte nun die Demontage des vermeintlich ersten Herausforderers in der Runde der letzten Vier. Für den bleiben nun unschöne Fragen, das Verletzungspech allein - Dusko Savanovic fehlte erneut - kann als Ursache für diese Saison ohne Titel nicht gelten. Immerhin hat sich die Trainerfrage geklärt, nun gilt es, den Kader aufzuwerten, um in der kommenden Saison dem Meister, der nun als klarer Favorit auf den Titel gelten muss, wieder aussichtsreich entgegenzutreten.

Überraschend kam diese Niederlage indes nicht, zu stark hatte sich Bamberg in der bisherigen Saison gegen nationale wie internationale Konkurrenten in der eigenen Arena präsentiert. Die Mannschaft funktioniert vor allem vor dem frenetischen Heimpublikum wie aus einem Guss, es ist beeindruckend, mit welcher Energie die Bamberger auf ihre Gegner losgehen. Davon unbeeindruckt zu bleiben, ist eine schwere Übung, sie wollte den Bayern an diesem Abend gar nicht gelingen.

Schon in den ersten Minuten produzierten die Gäste leichte Ballverluste in Serie, es war schnell klar, dass die Bamberger ihre bevorzugte Strategie verfolgten: Den Gegner in der Anfangsphase zu überrennen. Was die Münchner ihrerseits sicher nicht überrascht haben dürfte, sie waren nur nicht in der Lage, etwas dagegen zu unternehmen. Egal wer auf dem Parkett stand, es wollte nichts gelingen. Nihad Djedovic, dem ansonsten so zuverlässigen Punktesammler, rutschte der Ball mehrmals aus den Fingern, Spielgestalter Alex Renfroe, sicher nicht der schlechteste Vertreter seines Fachs, wirkte eingeschüchtert. Immerhin stemmte sich Deon Thompson, der trotz Wadenverletzung auflief, etwas dagegen.

Pesic war ratlos: Irgendwann schickte er den unerfahrenen Karim Jallow aufs Feld

Der Meister hat erneut aus seinen Fehlern gelernt. In München war Bamberg drei Viertel lang in argen Nöten und setzte sich erst im Endspurt dank seiner Guards Brad Wanamaker (9 Punkte) und Nikolaos Zisis durch, der dieses Mal lange auf der Bank blieb. Bamberg auf diese beiden Spieler zu reduzieren, wäre natürlich falsch, den Beleg wollten die Oberfranken offenbar schnell erbringen. So waren es vor allem der italienische Nationalspieler Nicolo Melli (11), der Ex-NBA-Spieler Darius Miller (10), Janis Strelnieks (11) und die Nationalspieler Elias Harris (11) und Daniel Theis (12), die Akzente setzten. Eben jene Akteure, die in München noch unter ihren Möglichkeiten geblieben waren. Es war schlichtweg beeindruckend, mit welcher Klasse die Gastgeber über den FCB hinwegfegten, nach nicht einmal fünf Minuten war der Vorsprung zweistellig (14:3), nach den ersten zehn Minuten führte Bamberg mit 24:10 Punkten.

Und die Demütigung ging ungebremst weiter, die Bayern agierten kopflos, chancenlos, geradezu verstört. Nicht nur offensiv setzten ihnen die Bamberger zu, vor allem in der Defense biss sich der Meister an den Münchnern regelrecht fest. Die Franken waren immer einen Schritt schneller, hatten immer eine bessere Antwort, sie waren schlichtweg haushoch überlegen. In jeder Beziehung. Wie ratlos sich der FC Bayern aus dem Halbfinale verabschiedete, zeigte auch die Tatsache, dass Trainer Svetislav Pesic schon vor der Halbzeit Karim Jallow aufs Feld schickte, einen Spieler, an dessen Ausbildung meist in der Regionalliga gefeilt wird. Zur Halbzeit (20:49) war das Spiel längst gelaufen, den Bayern, in deren Reihen nur Anton Gavel (13) Bryce Taylor (10) und John Bryant (12) zu gefallen wussten, bekamen bis zur Schlusssirene eine ehrabschneidende Lehrstunde.

Wer den Bambergern die Titelverteidigung verbauen will, steht noch nicht fest. Weil die Frankfurt Skyliners das geschafft haben, was die Münchner gerne hinbekommen hätten: Mit einem 85:54-Sieg haben die Hessen gegen die überraschend starken Ulmer in der Halbfinal-Serie auf 1:2 verkürzt und können nun aus eigener Kraft ins Endspiel einziehen. Der Meister indes kann in Ruhe abwarten und eine Woche Kräfte sammeln. "Wir werden uns heute freuen, morgen ist das vorbei", erinnerte Bambergs Trainer Trinchieri sofort daran, dass nichts erreicht sei.

Neben ihm saß Svetislav Pesic und hörte zu. Er wirkte völlig entspannt.

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