Basketball:Das Gift des Misserfolgs

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Alles reine Nervensache: Münchens Topscorer Dusko Savanovic (rechts) erzielte 19 Punkte, Belgrads Stefan Jovic gelangen 19 Assists.

(Foto: Christof Stache/AFP)

Die 79:90-Niederlage des FC Bayern München gegen Roter Stern Belgrad ist die dritte in Serie - nicht nur das Euroleague-Vorhaben hat einen Dämpfer erhalten. Auch in der Bundesliga droht Ungemach - am Sonntag steht die Partie in Berlin an.

Von Ralf Tögel

Sind groß gewachsene Menschen besonders sensibel? Wird ihre Empfindsamkeit dadurch stärker ausgeprägt, dass sie im wahrsten Wortsinne aus der Masse herausragen? An dieser Frage werde sich noch etliche Wissenschaftler, Psychologen und Philosophen abarbeiten, es wäre allerdings ansatzweise eine Erklärung dafür, was den Basketballern des FC Bayern München am späten Donnerstagabend im Euroleague-Heimspiel gegen Roter Stern Belgrad passiert ist. Dafür, dass Dusko Savanovic, den man getrost als abgezockten Profi bezeichnen darf, in einer sehr wichtigen Phase zwei Freiwürfe versemmelt - in diesem Sport gibt es ja keinen einfacheren Wurf, als eben den aus kurzer Distanz ohne gegnerische Einmischung. Oder warum auf der anderen Seite Marko Simonovic, drei Viertel lang nicht sonderlich in Erscheinung getreten, in der Schlussphase jeden Wurf im Korb versenkte. Im Fallen, aus der Drehung, bedrängt aus großer Distanz, wahrscheinlich hätte er auch im Kopfstand getroffen.

Am Sonntag tritt der FCB beim souveränen Tabellenführer an

Solche Situationen können beispielhaft dafür stehen, wie schnell und unerklärlich sich der Spielverlauf im Basketball drehen kann. Dass vermeintlich vorentscheidende Spielstände nicht das Papier wert sind, auf dem sie der Beobachter notiert. Denn Minuten später kann eine Partie ob dieser seltsamen Wechselwirkung zwischen den Kontrahenten eine völlig andere sein.

Wie auch immer, am Ende dieses Spiels leuchtete schrill rot eine 79:90-Niederlage von der Anzeigentafel, die für die Bayern eine unangenehme Phase in dieser noch jungen Saison fortsetzt, die mit der unglücklichen 99:101-Niederlage in Madrid begonnen hat. Das erste Vorhaben der Münchner, der Einzug in die Runde der besten 16 kontinentalen Teams, hat einen ordentlichen Dämpfer erhalten. Dem zweiten erklärten Vorhaben, die Hauptrunde in der Basketball-Bundesliga möglichst als Erster abzuschließen, könnte schon am Sonntag Ähnliches widerfahren. Denn dann muss der Vorjahreszweite beim bislang souveränen Tabellenführer Alba Berlin antreten (17 Uhr/Sport 1). Eine Niederlage in der Hauptstadt würde sechs Minuspunkte bedeuten, die Berliner Bilanz in der Liga ist bislang makellos, Bamberg hat zwei Miese - die Bayern würden den Anschluss an die Spitze vorerst verlieren.

Das Belgrad-Spiel war wettbewerbsübergreifend die dritte Niederlage in Serie, bei Real, in Frankfurt und nun in eigener Halle gegen den serbischen Double-Sieger. Vorher hatten die Münchner fünf Partien nacheinander gewonnen, Basketball ist ein Spiel der Läufe, das Gift des Misserfolgs steigt schnell in die Köpfe der Spieler und lagert sich irgendwo in den hinteren Gehirnwindungen ab. Und entfaltet dort langsam seine Wirkung. Auffällig ist, dass die Münchner trotz guter Leistungen zuletzt immer in der Schlussphase das Geschehen aus der Hand gaben, was auch Sportdirektor Marko Pesic nicht entgangen ist. "Das ist mental natürlich nicht förderlich, wenn man viel investiert und in den letzten beiden Minuten das Spiel nicht zumacht." Pesic sieht dennoch keine Notwendigkeit, das große Ganze zu hinterfragen: "Wir haben gezeigt, dass wir sehr gut Basketball spielen können." In der Tat - beim Sieg gegen Khimki Moskau, auch bei Fenerbahce Istanbul und Real Madrid. Diese Spiele aber wurden trotz langer Dominanz verloren - in den letzten Minuten. Marco Pesic weiß aus eigener Erfahrung, wie man das Gift aus den Köpfen entfernt: mit Erfolgen. "Wenn wir in Berlin und danach gegen Istanbul gewinnen, ist die Situation wieder eine völlig neue."

Vielleicht ist es ja so einfach. Momentan aber steht die verpasste Chance wie ein Fels vor der Mannschaft. Mit einem Sieg hätte man Belgrad auf Distanz gehalten und einen Schritt hin in die nächste Euroleague-Runde getan. Das haben die Serben mit ihrer bisher wohl beste Saisonleistung verhindert. In einer rassigen und sehr intensiven Partie ließen sie den Bayern vor allem in der Anfangsphase kaum Luft zum Atmen. 13:5 führte Roter Stern, vor allem das Spiel unter den Körben bekamen die Bayern nie in den Griff. Dabei sind Vladimir Stimac, der in der vergangenen Saison noch das Münchner Trikot trug, und Maik Zirbes, zuvor in Bamberg unter Vertrag, zwei Center von hünenhaften Ausmaßen und im Grunde nur schwer zu übersehen. Dennoch durften sie immer wieder fast unbedrängt Bälle in den Münchner Korb stopfen.

Was vor allem an den Pässen von Stefan Jovic lag. Auch Belgrads Spielgestalter bekam genug Raum von der Münchner Defense zugestanden, um 19 Pässe an den Adressaten zu bringen - Euroleague-Rekord. "Der Schlüssel zum Erfolg", erkannte Bayern-Coach Svetislav Pesic, "so etwas habe ich noch nicht erlebt." Für den Serben muss die Heimniederlage besonders schmerzhaft gewesen sein, denn der Auftritt des Gegners war einer, der seiner Spielidee sehr nahe kam: "Das war moderner Basketball, so muss man spielen."

Geschlagen von einem Team, das Pesic in seiner Zeit bei Roter Stern noch mitmodelliert hatte: "Ich habe diese Spieler trainiert", sagte er später, und ja, natürlich habe er seine Akteure über deren Stärken detailliert informiert und darauf vorbereitet. Pesic hatte von den Seinen "die beste Abwehrleistung" gefordert, was der FCB in dieser Disziplin indes bot, war kaum euroleague-tauglich. Er habe bisweilen den Eindruck gehabt, dass seine Spieler dachten, das "schon irgendwie zu schaffen".

Pesic vermied es, das Wort "unterschätzen" in den Mund zu nehmen, doch gegen Belgrad war seine Auswahl Favorit gewesen. Ein anderes Gift, im Sport nicht weniger tödlich: Überheblichkeit. In Berlin erwartet die Bayern schon am Sonntag vor 13 000 Fans die nächste schwere Aufgabe, in einer deutlich feindseligeren Umgebung. Alba-Geschäftsführer Marco Baldi sieht die Chancen dennoch gleich verteilt: "Das sind erfahrenen Spieler, ein erfahrener Trainer, die Niederlage hat null Auswirkungen." Zudem sei die Partie in Berlin "die Möglichkeit, das auszumerzen".

FCB-Coach Pesic muss bis dahin die richtigen Worte finden. Vielleicht sind groß gewachsene Menschen ja tatsächlich besonders sensibel.

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