Basketball:Das Gaspedal klemmt

03 10 2017 Basketball Saison 2017 2018 1 Bundesliga easycredit BBL 2 Spieltag Brose Bambe

Soll für Ruhe und Gelassenheit sorgen: Spielgestalter Ricky Hickman, 32, einer der Neuen in Bamberg.

(Foto: Imago/Zink)

Vor dem Euroleague-Auftakt ist der deutsche Basketball-Meister Bamberg immer noch dabei, seine namhaften Neulinge zu integrieren.

Von Matthias Schmid, Bamberg/München

20 Sekunden nur. Dann wusste jeder im TD Garden zu Boston, wer dieser weiße, im Vergleich zu den anderen relativ schmächtige Spieler mit der Rückennummer 27 ist, den sie nie zuvor im weiß-grünen Celtics-Jersey gesehen hatten. Nur 20 Sekunden nach seiner Einwechslung stopfte Daniel Theis den Ball mit Wucht in den Korb - die amerikanischen Zuschauer waren entzückt, sie lieben diese spektakulären Aktionen so sehr wie ihr Popcorn mit zerlassener Butter.

Mit einem Slam Dunk und zwölf Punkten gegen die Charlotte Hornets hat sich der deutsche Basketball-Nationalspieler vor ein paar Tagen dem Publikum bei seinem Debüt in der nordamerikanischen Profiliga NBA vorgestellt. Bilder des bemerkenswerten Auftritts in dem Vorbereitungsspiel erreichten natürlich auch Andrea Trinchieri in Bamberg. Trinchieri ist ziemlich stolz auf Daniel Theis, den er zu dem gemacht hat, was er heute ist: ein Profi, der es direkt aus der Bundesliga in die beste Basketballliga des Planeten geschafft hat. Das kommt selten vor. "Ich bin sehr glücklich für alle Spieler und auch für uns, dass es uns gelungen ist, sie auf ein solches Niveau geführt zu haben", sagt der Italiener. Es ist nicht nur Theis, den er im Sommer hat gehen lassen müssen, auch Darius Miller (New Orleans), Janis Strelnieks (Piräus), Fabien Causeur (Real Madrid) und Nicoló Melli (Fenerbahce) schlossen sich Klubs an, die größere Ambitionen und mehr Geld haben. In Bamberg sind sie ein Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Nach drei Meistertiteln in Serie müssen sie nun einen größeren Umbruch moderieren, und der ist längst nicht abgeschlossen, wenn sie am Donnerstag zu Hause gegen Maccabi Tel Aviv in die Euroleague starten.

Bei Quincy Miller deutet sich schon wieder der Abschied an

Es ist ein Neuanfang mit Turbulenzen. Weil die Bamberger in der Liga gleich ihr erstes Spiel in Würzburg verloren; und weil die durchaus namhaften Zugänge noch Leistungsschwankungen offenbaren, der Italiener Daniel Hackett zum Beispiel oder der Amerikaner Quincy Miller. Sechs neue Spieler einzubauen ist immer eine Herausforderung, sportlich und menschlich. Das sieht auch Trinchieri so, "aber ein Problem", wie er hervorhebt, könne er nicht erkennen. Der 49-Jährige, der gerne in Bildern spricht, vergleicht die Integration deshalb lieber mit einem neuen Motor: "Wir können jetzt richtig Gas geben und uns auf ein neues Level bringen."

Bislang hat der Motor noch ein paar Macken, um im Bild zu bleiben, es klemmt das Gaspedal. Das ist auch Trinchieri nicht entgangen. Beim Start in den wichtigsten europäischen Klubwettbewerb wird sich nun zeigen, wie weit der deutsche Meister noch von seinem Spiel entfernt ist, mit dem er in den vergangenen Jahren den Basketball hierzulande geprägt hat. Es war ein selbstloser Stil mit lästiger Defensive und schnellen Pässen in der Offensive, Teamspiel, das aber auch Freigeistern wie Miller und Causeur genug Entfaltungsmöglichkeiten bot.

Einer, der dem Bamberger Spiel nun Struktur und Präzision geben soll, ist Richard Marciano "Ricky" Hickman. Der Amerikaner ist ein weit gereister Profi, der vor dreieinhalb Jahren mit Tel Aviv die Euroleague gewann und dabei im Finale gegen Madrid die zweitmeisten Punkte für sein Team sammelte (18). "Wir brauchen Zeit", mahnt der Spielmacher. Er strahlt die Ruhe und Gelassenheit aus, die die Bamberger nun dringend benötigen. "Es ist ganz normal, dass wir uns noch alle suchen und kennenlernen sowie die Spielsysteme des Trainers verstehen müssen", fügt der 32-Jährige hinzu: "Wir machen aber in jedem Training Fortschritte."

Der Niederlage in Würzburg ließen die Bamberger nun drei Siege in der Bundesliga folgen, überzeugend waren sie nicht. Vor allem in der Defensive "sind wir noch keine Mannschaft", hat Trinchieri erkannt: "Wir müssen daran arbeiten, alle Spieler auf das gleiche Niveau zu bekommen."

Die vergangenen Spiele in Erfurt und in Tübingen hatte der Italiener am Fernsehen verfolgt, weil er aus familiären Gründen in seiner Heimat war. Quincy Miller hat dabei ebenso im Kader gefehlt wie davor schon gegen Gießen. Begründet wurde seine Absenz mit der Ausländerregel, die in der Bundesliga nur sechs fremde Facharbeiter erlaubt. Dabei war der NBA-erprobte Flügelspieler als Attraktion angekündigt worden; doch der 25-Jährige gilt auch als schwieriger Charakter. Wegen einer Knieverletzung konnte er in der vergangenen Saison nur viermal für Tel Aviv in der Euroleague auflaufen. Das beschäftigte ihn, dem auch ein Hang zum Phlegma nachgesagt wird. "Ich brauche ab und zu jemanden, der mir in den Hintern tritt", sagte Miller bei seiner Präsentation in Bamberg.

Obwohl er erst einmal mitspielte, deutet sich nun bereits sein Abschied an. Auch Hackett, 29, läuft nach diversen Verletzungen seiner Form hinterher, die ihn einst zu einem der aufregendsten europäischen Basketballer machte. "Es ist nie leicht für einen Spieler, mit einer neuen Situation umzugehen", sagt Hickman. Er will nicht über die Probleme seiner Mitspieler reden: "Es ist besser mit Leistung zu sprechen als mit Worten."

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