Basketball:Big John geht

BEKO BBL,  HAUPTRUNDE , 17.  SPIELTAG , FCB - ULM ,  FC BAYERN MUENCHEN - RATIOPHARM ULM, 2015/2016

Beeindruckende Erscheinung: John Bryant, hier gegen Ulms Pierria Henry, bleibt in Erinnerung.

(Foto: Hans Rauchensteiner)

John Bryant entfaltet sein enormes Können nur, wenn er mit sich und der Welt im Reinen ist. Beim FC Bayern tat er sich zunehmend schwer - nun startet er in Valencia einen Neuanfang.

Von Matthias Schmid

Der Basketballklub Valencia Basket hat John Bryant am Mittwoch auf seiner Webseite in katalanischer Sprache und mit einem riesigen Konterfei begrüßt: "Benvingut, John Bryant." Es folgte eine dürre Meldung über drei Zeilen, dass der Amerikaner in der nächsten Saison für den Verein in der spanischen Liga ACB auflaufen werde. Mehr nicht. Weitere Informationen über den Zugang würden nach dessen Ankunft und der medizinischen Untersuchung folgen.

Der Abschied vom FC Bayern lief dann für alle Beteiligten doch überstürzter ab als zunächst erwartet, überraschend kommt der Wechsel nach Valencia indes nicht. Nachdem die Münchner in den vergangenen Wochen in dem Amerikaner Devin Booker und dem Tschechen Ondrej Balvin zwei renommierte großgewachsene Spieler für die Center-Position verpflichtet haben, schien für John Bryant nur noch ein Platz auf der Bank übrig zu bleiben.

Der neue FCB-Trainer Djordjevic wünschte sich athletischere und jüngere Akteure unter dem Korb

Einen Wechsel nahe gelegt hätten sie ihm aber nicht, sagt Bayern-Geschäftsführer Marko Pesic: "Er ist ein guter Junge." Aber schon nach der Spielzeit habe sich in Gesprächen mit Bryant über die künftige Rollenverteilung angedeutet, "dass John eine neue Herausforderung für sich sucht". Ungelegen kommt den Machern um den neuen Trainer Sasa Djordjevic der Weggang mit Sicherheit nicht. Der Nachfolger von Svetislav Pesic suchte athletische und jüngere Spieler unterm Korb, Akteure, die beweglicher als Bryant seien, wie Marko Pesic sagt. "Das heißt aber nicht, dass John besser oder schlechter wäre, Booker und Balvin sind komplett andere Spieler."

John Bryant, 29, hatte wohl trotz gültiger Arbeitspapiere bis Sommer 2017 selbst erkannt, dass seine Dienste beim FC Bayern nicht mehr so geschätzt werden wie noch in seiner ersten Spielzeit, als er 2014 mit dem Klub auf Anhieb die Meisterschaft errang. An guten Tagen hat er mit seiner Wucht und Präzision Spiele allein entschieden. Profis mit seinen besonderen Fähigkeiten sind rar im internationalen Basketball. Obwohl der Kalifornier aus Berkeley 2,11 Meter groß ist, gehört der Korb nicht unbedingt zu seiner bevorzugten Aufenthalts- und Komfortzone. Er fühlt sich weiter weg wohler, wo er nicht in die harten Zweikämpfe verwickelt wird, sondern die Freiheit für seine Mitteldistanz- und Weitwürfe genießen kann. Für einen Spieler seiner Länge ist er ein exzellenter Dreipunktewerfer, einer mit einem feinen Händchen und einem feinfühligen Charakter. In 133 Partien für den FC Bayern kam er auf 1441 Punkte, das macht elf Zähler im Schnitt pro Spiel - niemand kann einen besseren Wert vorweisen. Bryant führt damit die interne Bestenliste im Klub an.

Diese besonderen Vorzüge ließen sich die Münchner zunächst auch einiges kosten, angeblich war Bryant nach seinem Wechsel aus Ulm der bestverdienende Profi im Kader. Sogar Cheftrainer Svetislav Pesic glaubte damals, dass er Bryant nur vorübergehend trainieren würde, bis dieser den Verein in Richtung stärkste Liga des Planeten verlässt. Doch mit der nordamerikanischen NBA, dem Sehnsuchtsort der meisten US-Spieler, hat es nie geklappt. Vielleicht aber war sie für Bryant auch nie ein Sehnsuchtsort gewesen, weil er sich in Europa aufgehobener fühlte als auf der großen, kalten NBA-Bühne. Zu seinen Collegezeiten soll Bryant aus Kummer mal so viel gegessen haben, dass er am Ende 170 Kilogramm auf die Waage brachte.

Seine Mitspieler in München nannten ihn liebevoll "Big John", Bryant ist ein harmoniesüchtiger Mensch, einer, der sein ganzes Können nur dann voll entfalten kann, wenn er mit sich und der Welt im Reinen ist. Beim FC Bayern tat er sich aber zunehmend schwer mit der direkten und bisweilen schroffen Art von Svetislav Pesic, der nach einer Niederlage in Berlin einmal monierte, dass "John mehr geweint als gespielt hat". Bryant hängen solche Aussagen länger nach. "Ein Wechsel ist jetzt für mich und meine Familie die richtige Entscheidung für meine weitere Karriere", sagt der Amerikaner nun zum Abschied.

"Dass er ein großartiger Spieler ist, zeigt doch, dass er nun in der stärksten Liga Europas spielt."

Die abgelaufene Saison war nicht seine Beste im Bayern-Dress. Bryant hatte zu Beginn ganz offensichtliche Probleme auf dem Parkett. Er verlegte Korbleger, die er ansonsten mit verbundenen Augen verwandelte, und saß manchmal so traurig und teilnahmslos draußen auf der Bank, als sei er mit seinen Gedanken ganz woanders. Bryant sei in der Vorbereitung verletzt gewesen, erzählte Svetislav Pesic damals. Doch das stimmte nicht. Bryant plagten keine körperlichen Beschwerden, sondern seelische, wie er bekannte. Die privaten Probleme waren so gravierend, dass auch sein Beruf ihn nicht von ihnen ablenken konnte. Erst als die familiäre Sache ausgestanden war, lief es bei ihm wieder besser. Doch seine alte Form aus der Meistersaison erreichte er nicht mehr. "Dass er ein großartiger Spieler ist, zeigt doch, dass er nun in der stärksten Liga Europas spielt", sagt Marko Pesic.

Für Bryant ist der Wechsel nach Spanien nicht nur sportlich ein Neuanfang. Vor ein paar Wochen kam in München sein Sohn auf die Welt. Die Fans in Valencia werden seine Vita schon bald näher erfahren.

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