Baseball-Rekord:Rekord mit Fragezeichen

Der unter Dopingverdacht stehende Barry Bonds stellt eine neue Homerun-Bestmarke auf. Seine Fans feiern ihn, Kritiker wollen den Rekord nicht voll anerkennen.

Als Barry Bonds den 756. Homerun seiner Karriere in den kalifornischen Nachthimmel hämmerte, machte er sich im amerikanischen Sport unsterblich - und einen Fan wahrscheinlich zum Millionär. Der unter Dopingverdacht stehende Baseballspieler überbot am Dienstag bei der 6:8-Niederlage der San Francisco Giants gegen die Washington Nationals die 33 Jahre alte Bestmarke von Hank Aaron. Der von einem New Yorker Besucher gefangene Ball könnte nach Ansicht von Experten bei einer Versteigerung bis zu drei Millionen Dollar einbringen.

Barry Bonds Baseball Homerun Rekord

Nummer 756: Barry Bonds trifft den von Pitcher Mike Bacsik geworfenen Ball ...

(Foto: Foto: Reuters)

Als der Druck gewichen war, flossen sogar bei dem sonst als arrogant verrufenen Bonds die Tränen. Nach der obligatorischen Umrundung des Infields blieb er auf der Homebase stehen, streckte beide Hände gen Himmel und wischte sich über die Augen. "Danke für alles, was du für mich getan hast", rief er seinem im August 2003 gestorbenen Vater Bobby zu. Anschließend dankte er seinem Team, seiner Familie und vor allem den heimischen Fans.

Während Bonds auch nach der Spielunterbrechung von den Rängen minutenlang gefeiert wurde, intensivierten sich auf den Sportkanälen praktisch mit dem Rekordschlag die Diskussionen über die Legitimität der Bestmarke. Nach letzten Umfragen gönnt nur ein Drittel der Amerikaner dem Outfielder den Rekord, der Rest möchte die Statistiken mit einem Doping-Vermerk versehen.

Bonds, dessen Schuh- und Helmgröße in den letzten fünf Jahren drastisch anstieg, soll seiner Muskelkraft nicht erst seit seiner Verwicklung in den Balco-Skandal per Anabolika nachgeholfen haben. Fakten erhärten den Verdacht, denn seit dem Jahr 2000 schaffte Bonds - damals immerhin schon im reifen Alter von 35 - unglaubliche 311 Homeruns.

Doch weil Bonds' persönlicher Trainer Greg Anderson seit Monaten vor Gericht die Aussage und dafür sogar den Rekord aus dem Gefängnis verfolgen musste, konnte der 43-Jährige bisher trotz der monatelangen Arbeit eines Untersuchungsausschusses nicht überführt werden. Pikanterweise und vielleicht nicht ganz ungeplant blieb der Commissioner der Major League Baseball (MLB), Bud Selig, am Dienstag der Begegnung fern, um sich nach unbestätigten Berichten mit George Mitchell zu treffen. Der frühere Abgeordnete des US-Senats befasst sich im Auftrag der Liga mit dem immer größer werdenden Dopingproblem.

Auch Aaron, der am 8. April 1974 den alten Rekord aufgestellt hatte, erlebte den Rekord nicht im Stadion. Allerdings schickte "Hank the Hammer" eine Videobotschaft, in der er Bonds gratulierte. Der heute 73-jährige Aaron dürfte zumindest wissen, welcher Druck auf seinem Nachfolger lastete. Als Aaron in den 70ern den Rekord aufstellte, schlug ihm wie Bonds in vielen Stadien offener Hass entgegen. Viele Amerikaner wollten es nicht wahrhaben, dass ein schwarzer Spieler die Leistung des deutschstämmigen Volkshelden Babe Ruth in den Schatten stellte. Der hatte sich 39 Jahre zuvor mit 714 Homeruns in die Rekordbücher eingetragen.

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