Baseball:Die traurigsten Baseball-Klubs spielen um den Titel

Baseball: Ende der Traurigkeit: Francisco Lindor steht mit den Cleveland Indians in den World Series.

Ende der Traurigkeit: Francisco Lindor steht mit den Cleveland Indians in den World Series.

(Foto: AP)

Seit Jahrzehnten warten die Chicago Cubs und die Cleveland Indians auf einen Meistertitel - jetzt ringen sie im MLB-Finale gegeneinander. Für die einen geht es auch darum, einen alten Fluch zu besiegen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt Tage, da meint es der liebe Gott besonders gut mit einigen Menschen. Er sorgt mit einem freundlichen Zwinkern dafür, dass die Würfel dieser Leute mal die richtige Zahl zeigen. In diesem Herbst hat der liebe Gott gleich den Einwohnern zweier amerikanischer Städte freundlich zugezwinkert. Warum sonst haben es in die World Series, also in das US-Baseball-Finale, ausgerechnet die Cleveland Indians und die Chicago Cubs geschafft, die traurigsten Klubs der Profiliga MLB?

In der Nacht zu diesem Mittwoch (1.30 Uhr MESZ/Sport 1 US) bestreiten die beiden Teams das erste von maximal sieben Spielen um den Titel der nordamerikanischen Baseball-Profiliga. Für den Sportsender ESPN ist es die "ultimative World Series". Die Cubs haben den Titel im Jahr 1908 zuletzt gewonnen, die Indians triumphierten zum letzten Mal 1948. Eine der beiden Leidensgeschichten wird nun ein Ende haben.

Wie groß die Sehnsucht vor allem in Chicago ist, lässt sich daran erkennen, dass ein Cubs-Fan für das erste Rendezvous mit der Geschichte vier Eintrittskarten hinter der Bank seiner Idole für sagenhafte 24 500 Dollar erstand - pro Stück. Gegen die Indians geht es für die Cubs nicht nur um den Titel. Es geht für sie auch darum, endlich, endlich diesen blöden Ziegen-Fluch zu besiegen.

1945 standen die Cubs zum letzten Mal in der Endspielserie. Beim Stand von 2:1 gegen die Detroit Tigers wollte der fanatische Fan Billy Sianis unbedingt mit seiner Ziege Murphy ins Stadion, er hatte sogar eine Eintrittskarte für das Tier gekauft. Der damalige Klub-Besitzer P. K. Wrigley aber hatte etwas dagegen. Er störte sich an Murphys Geruch, woraufhin deren Besitzer einen Fluch ausstieß: "Die Cubs werden nie mehr gewinnen!" Der Zauber wirkte lange.

Nun aber wirken die Cubs wie befreit. Das entscheidende Spiel um den Finaleinzug gegen die Los Angeles Dodgers war um 19.08 Uhr angesetzt worden. Vor dem Vergleich hatte Gäste-Trainer Dave Roberts unter den 8190 Restaurants, die es in Chicago gibt, ein ganz besonderes fürs Team-Essen ausgewählt: Die "Billy Goat Tavern", die einst Billy Sianis gehört hatte - dem Mann mit der abgewiesenen Ziege. Das Spiel endete 5:0 für die Chicago Cubs, die die Serie 4:2 gewannen, woraufhin unter anderem First Lady Michelle Obama gratulierte: "Mein Vater ist der Grund, warum ich ein echter Cubs-Fan bin. Er wäre sehr stolz." Der aktuelle Klub-Eigentümer Tom Rickett jubelte: "Noch vier Siege!"

Clevelands Finaleinzug ist sportlich noch spektakulärer

Sollten die glücken, wäre es der dritte Titel nach 1907 und 1908. Mit Magie aber hätte der wenig zu tun. Cubs-Manager Theo Epstein hat über wissenschaftliche Analysen einen Kader zusammengestellt, der sich nach 103 Siegen in der Hauptrunde und souveränem Auftreten in den Playoffs nur selbst besiegen kann. Epstein hatte dafür allerdings einen Etat von mehr als 186 Millionen Dollar zur Verfügung, weshalb der Finaleinzug von Gegner Cleveland sportlich noch spektakulärer klingt.

Manager Mike Chernoff verfügt über keinen Geldspeicher. Er bezahlt seinen Akteuren in dieser Saison 100 Millionen Dollar; treffsichere Schlagmänner wie Francisco Lindor und Jason Kipnis oder zuverlässige Werfer wie Cody Allen und Josh Tomlin hat der Klub selbst ausgebildet. Dazu verbesserten sich die Indians kurz vor dem Ende der hektischen Transferperiode im Sommer cool mit durchdachten Transfers. Aktuell bekamen sie noch den Werfer Andrew Miller von den New York Yankees - und alles fügte sich zu einem stabilen Gebilde.

Als der Final-Einzug perfekt war, stand Chernoff in Unterhosen in der Umkleide. Er sollte was zum Erfolg sagen, doch er brabbelte nur drei Buchstaben: "WAR". Wins Above Replacement ist eine Statistik für Spezialisten, die grob gesagt die Anzahl der Siege ausdrückt, die ein Team aufgrund eines oder mehrerer Transfers nun mehr schafft. Ganz oben stehen in diesem Jahr: die Indians und die Cubs.

Die Zuschauer dürfen nun wählen, welchem Klub sie den Titel eher gönnen: jenem, der seine letzte Meisterschaft gewann, als der legendäre Gangster Al Capone neun war - oder dem mit der kreativen Planung.

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