Baseball:Der Internatsschüler darf sich austoben

Max Kepler

Schlagkräftig: Max Kepler hat in dieser Saison 17 Homeruns für die Minnesota Twins erzielt - eine beachtliche Zahl für einen Anfänger aus Europa.

(Foto: Paul Sancya/AP)

Profi Max Kepler hat sich in der amerikanischen Liga MLB einen Stammplatz erspielt - als erster Deutscher.

Von Christoph Leischwitz, Minneapolis/München

Im Grunde war es ein historisches Debakel, das den Minnesota Twins in ihrem letzten Heimspiel der Saison widerfuhr. Ende September verloren sie 3:4 gegen die Seattle Mariners, es war ihre 100. Saisonniederlage - eine Marke, die in der langen Geschichte der Major League Baseball (MLB) selten erreicht wurde. Drei weitere Pleiten folgten, am Ende stand die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte. Zugleich passte es aber gut ins Bild, dass Max Kepler beim letzten Spiel des Jahres im heimischen Target Field noch einen Homerun schlug. Denn der 23 Jahre alte Deutsche war einer der wenigen Twins, der für positive Szenen sorgte.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, der Berliner Maximilian Kepler-Rozycki hätte sich das denkbar schlechteste Team ausgesucht, um Profi zu werden. Von den Playoffs jedenfalls, die in dieser Woche begonnen haben, könnte das Team aus dem Norden nicht weiter entfernt sein. Doch Kepler durfte sich austoben, und er nutzte fast jede Gelegenheit: Er schlug nicht nur 17 Homeruns, er verhalf Mitspielern insgesamt 63 Mal zu Punkten und machte obendrein in der Abwehr als Outfielder so gut wie keinen Fehler. Für einen Anfänger sind das ungewöhnlich gute Zahlen, für einen europäischen Anfänger noch viel mehr. "Was er vollbracht hat, ist schon jetzt eine Meisterleistung", sagt Martin Brunner, sein früherer Trainer aus dem Regensburger Baseball-Internat. In der jüngeren Geschichte dieses Sports hat es in Donald Lutz nur einen Spieler mit deutscher Nationalität gegeben, der schon mal einen Homerun in der MLB schlug, im Mai 2013. Einen Stammspieler, wie Kepler es innerhalb eines Jahres wurde, gab es noch nie. "Es macht Spaß zuzusehen, wie so ein junger Typ zurechtkommt", sagt sein Cheftrainer bei den Twins, Paul Molitor.

Kepler - sein voller Name passt nicht auf den Rücken des Baseball-Jerseys - ist Sohn eines einst aus Polen geflohenen Vaters und einer texanischen Mutter, die beide zum Ballett-Ensemble der Deutschen Oper in Berlin gehörten. Mit 14 zog Kepler, der auch ein guter Fußballer war, an das Regensburger Baseball-Internat; nur zwei Jahre später hatten ihn die ersten MLB-Scouts im Blick. Die körperlichen Voraussetzungen - Schnelligkeit, Schlagkraft, ein gutes Auge und hohe Konzentrationsfähigkeit - brachte er damals schon mit, die Twins zahlten deshalb für seine Verpflichtung ein Handgeld von 800 000 US-Dollar. Kurioserweise war das Talent Kepler im Jahr 2009 in Deutschland medial präsenter als der Profi Kepler, der 2015 ins Allstar-Team der zweitklassigen Minor League berufen wurde und jetzt in der MLB ein Kandidat auf die Ehrung zum Neuling des Jahres ist - wenngleich nicht der heißeste.

Der Grund, warum Kepler es weiter brachte als die anderen Talente aus dem Internat, habe auch mit dem Glück zu tun, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, glaubt Brunner. Kepler hatte seine Chance bekommen, als sich der Twins-Outfielder Miguel Sano verletzte. Dann habe er die nötige mentale Stärke gezeigt, die man kaum voraussehen könne. "Wenn du dann nicht funktionierst, bist du ratzfatz wieder weg", sagt der ehemalige Coach. Doch Kepler habe eben nicht nur funktioniert, sondern sich unter der Drucksituation sogar noch verbessert. In den meisten Statistiken wie etwa den Homeruns ist er sogar besser als in den Jahren zuvor, als er für diverse Farmteams der Twins spielte.

Bei einem Playoff-Team hätte Kepler kaum eine Chance gehabt, auf sich aufmerksam zu machen

Es gab viele Angebote, womöglich sogar welche mit noch mehr Handgeld. Doch Keplers Eltern haben alles richtig gemacht, als sie sich für das Angebot der Twins entschieden. "Die Organisation legt viel Wert auf die Entwicklung eines Spielers, nicht nur aufs Ausprobieren", sagt Brunner, der regelmäßig mit amerikanischen Scouts arbeitet. Er glaubt, dass Kepler bei einem Playoff-Team kaum eine Chance gehabt hätte, dauerhaft auf sich aufmerksam zu machen. Aber die Twins sind ein Team im Umbruch, angewiesen auf den Erfolg kostengünstiger Talente. Die Gruppendynamik gefällt Kepler dem Vernehmen nach sehr. Es freue ihn, dass er mit denselben Spielern in Fünf-Sterne-Hotels absteigen kann, mit denen er vor ein paar Jahren noch 14-Stunden-Busfahrten zu Auswärtsspielen unternommen hatte, erzählt ein Freund in Deutschland.

Weil er 2016 gleich 113 Mal zum Einsatz kam, hat Kepler auch schon einen weiteren Entwicklungsschritt gemacht. Als er im Juni begann, die Liga aufzumischen, stellten sich die gegnerischen Pitcher auf ihn ein. Daraufhin sackte im Spätsommer seine Trefferquote spürbar ab. Dass er sich gegen Ende der Saison wieder verbesserte, zeigt langfristige Perspektiven auf. Nicht nur für Kepler selbst. Sondern auch dafür, dass die Twins bald wieder erfolgreicher spielen.

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