Baseball:Aus Großvaters Zeiten

MLB: Washington Nationals at Baltimore Orioles

Nur Zuschauer: Washingtons Werfer Max Scherzer.

(Foto: Tommy Gilligan/USA Today Sports)

Das All-Star-Spiel, bei dem die Besten fehlen, steht beispielhaft für die Probleme der amerikanischen Baseball-Liga MLB.

Von Jürgen Schmieder

Bei der Beurteilung eines Bildes lohnt es sich manchmal, nicht auf das Vorhandene zu achten - sondern auf das, was fehlt. Wer die Relevanz des All-Star-Spiels in der nordamerikanischen Baseball-Liga MLB an diesem Dienstag in Cincinnati bewerten möchte, der sollte beim Teilnehmerfoto deshalb nach jenen Spielen suchen, die nicht abgebildet sind: Der derzeit beste Schläger der Liga, Bryce Harper von den Washington Nationals, will nicht beim Home-Run-Derby mitmachen. Der beste Werfer, Max Scherzer (ebenfalls Nationals), wird nicht auf dem Wurfhügel stehen, weil er am Sonntag lieber noch einmal für seinen Klub antrat und zwei Einsätze innerhalb so kurzer Zeit riskant sind; üblicherweise bekommen die Werfer mindestens vier, fünf Tage Pause, damit ihr Arm nicht überstrapaziert wird. Und die kontroverseste Figur der kompletten Liga, Alex Rodriguez von den New York Yankees, wurde trotz formidabler Leistungen in den vergangenen Wochen gar nicht erst eingeladen.

Die Treffen der begabtesten Spieler in der Saisonmitte haben mittlerweile Tradition im amerikanischen Sport, es sind Veranstaltungen, die eher an Zirkus erinnern denn an Wettkämpfe, der Showanteil liegt bei mehr als 90 Prozent. Die MLB dagegen versucht seit einem Jahrzehnt, dem All-Star-Spiel sportliche Relevanz zu verleihen: Da duellieren sich ja Auswahlteams aus der American League und der National League, aus denen sich die MLB zusammensetzt und deren jeweilige Gewinner am Ende der Saison auch den MLB-Champion ermitteln; und der Klub aus der beim All-Star-Spiel siegreichen Liga erhält bei der Finalserie im Herbst den Heimvorteil. Die Liga verweist in diesem Zusammenhang gern darauf, dass dieser Heimvorteil in den vergangenen zehn Jahren sieben Mal zum Titelgewinn genutzt worden ist.

Die MLB bemüht sich gerade heftig um Aufmerksamkeit, damit die Einnahmen von derzeit neun Milliarden Dollar pro Saison nicht weniger werden. Es gibt alarmierende Studien wie jene des Marktforschungsinstituts Nielsen, das kürzlich veröffentlichte, dass das Zuschauer-Durchschnittsalter der jüngsten World Series bei 55,4 Jahren lag; vor fünf Jahren waren es noch 49,9 Jahre gewesen, was den Komiker Chris Rock zu dem Satz inspirierte: "Baseball stirbt aus - wortwörtlich."

162 Saisonspiele pro Team, die in der vergangenen Saison durchschnittlich länger als drei Stunden dauerten und erst nach dem All-Star-Spiel wegen des Bemühens um einen Platz in der Playoff-Runde wirklich interessant werden - das klingt nicht nach einem dynamischen Sport, sondern eher wie einer aus Großvaters Zeiten. Zudem wird der Liga häufig vorgeworfen, auch beim Kampf gegen Doping so zu testen wie zu Großvaters Zeiten: Die Nichtberücksichtigung von Rodriguez wird deshalb als späte aber zu verschmerzende Strafe für dessen Vergehen gesehen.

Die Liga versucht nun über Regeländerungen, den Spielfluss zu beschleunigen - in dieser Saison sind die Partien durchschnittlich neun Minuten kürzer als noch vor einem Jahr. Sie will junge Menschen mit zahlreichen technischen Applikationen und fortgeschrittenen Statistiken für den Sport begeistern, in allen Stadien gibt es mittlerweile kostenloses W-Lan für die Besucher, so mancher Klub wie etwa die Seattle Mariners wirbt auch mit verbesserter Bierqualität.

Vor allem aber will die MLB mit einer aufwendigen Marketing-Kampagne eine neue Geschichte dieses Sports schreiben, das ist in zahlreichen Werbespots zu sehen: weg von einer Liga der Doper zu einer Ansammlung netter Jungs ohne Skandale. Sie wollen keine Nachrichten mehr über Alex Rodriguez verbreiten, sie wollen nun den dauerlächelnden Bryce Harper vermarkten oder den Baseball-Nerd Max Scherzer. Nur: Die beiden fehlen nun entweder beim Home-Run-Derby oder beim All-Star-Spiel; die meisten Menschen debattierten dann doch eher über das Fehlen von Rodriguez als die Anwesenheit aller anderen. Genau deshalb steht dieses Spiel so symbolhaft für die gesamte Punkterunde: schon irgendwie bedeutsam, aber nur bedingt interessant oder gar spannend.

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