Barça-Trainer Luis Enrique:Auf den Triumph folgen Rätsel

Barça-Trainer Luis Enrique: Was wird nun aus ihm? Luis Enrique feierte mit Barcelona das Triple - sein Verbleib im Verein ist aber offen.

Was wird nun aus ihm? Luis Enrique feierte mit Barcelona das Triple - sein Verbleib im Verein ist aber offen.

(Foto: AP)
  • Das gab es zuletzt unter Pep Guardiola: Barcelonas Trainer Luis Enrique beschert dem Klub mit dem Triple einen Riesenerfolg.
  • Sein Wirken ist beeindruckend - trotzdem lässt der große Sieger offen, ob er seinen Vertrag erfüllt.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der Sonntag war fast schon zwei Stunden alt, als sich die siegreiche Expedition des FC Barcelona auf dem Areal des stillgelegten Flughafens Berlin Tempelhof eingefunden hatte. Nach dem Champions-League-Finalsieg gegen Juventus Turin war die Reisegruppe lange im Olympiastadion aufgehalten worden; wegen der Feierlichkeiten auf dem Rasen, die sich eine gute Stunde lang hinzogen.

Vor allem aber wegen der langen Zeit, die Linksverteidiger Jordi Alba brauchte, um seine Dopingprobe abzugeben. Und so waren dann nur eine Handvoll Journalisten zugegen, als Barcelonas Superstar Lionel Messi in Tempelhof den Mannschaftsbus verließ: Sohn Tiago auf einem Arm, den Henkelpott in der Hand des anderen Arms.

Übermäßig lange ging die Party nicht - einerseits, weil Messi bei weitem nicht der einzige Spieler war, der mit Frau und Kind angereist war, andererseits, weil die Saison für nahezu alle Werktätigen des Triple-Siegers noch nicht so richtig vorüber ist. Für die europäischen Spieler stehen Freundschafts- und EM-Qualifikationsspiele an; die Südamerikaner wie Messi und Javier Mascherano (Argentinien) oder Dani Alves und Neymar (Brasilien) tragen ab Donnerstag mit ihren jeweiligen Nationalteams in der chilenischen Heimat ihres Torwartkollegen Claudio Bravo die Copa América aus, das Pendant zur hiesigen EM.

Gegen halb vier, als die Schranken zum ursprünglich für die Spieler und ihre Familien reservierten Areal im oberen Stock fielen, war nur noch Barcelonas deutscher Keeper Marc-André ter Stegen zu sehen. Der Rest der Belegschaft lag da bereits im Hotel. Und es passte durchaus, dass die Party in Tempelhof nicht völlig abhob.

Denn der Smalltalk an den Tischen kreiste nicht nur um den 3:1-Erfolg gegen Juventus Turin. Sondern auch um die Zukunft von Meistertrainer Luis Enrique, 45. Nachdem er monatelang jeden Kommentar zu Fragen nach seiner beruflichen Zukunft abgelehnt hatte, ergoss sich der Asturier in Berlin in rätselhaften Äußerungen: "Ich habe das noch nicht entschieden", sagte er. "Das einzige, was ich bezüglich meiner Zukunft bestätigen kann, ist, dass gefeiert wird."

Reise-Probleme

Champions-League-Sieger FC Barcelona hat sich bei der europäischen Fußball-Union Uefa über die Zustände am Flughafen Berlin-Schönefeld beschwert und eine offizielle Entschuldigung gefordert. Grund: "schwerwiegende Zwischenfälle" bei der Abreise der Fans vom "veralteten" Airport. Wie es in einer am Sonntag verbreiteten Mitteilung des Klubs hieß, hätten Tausende Anhänger im Morgengrauen stundenlang auf ihre Abflüge warten müssen, Flughafenverantwortliche seien für Barça-Offizielle nicht erreichbar gewesen. Ein Vorwurf: Für mehr als 5000 Passagiere allein aus Spanien seien nur vier Zubringer-Busse eingesetzt worden. Besonders betroffen seien Menschen mit körperlichen Behinderungen gewesen. SZ

Nicht nur Barças Vereinsikone Luis Suárez, der im Jahr 1960 der erste und bis heute einzige Spanier wurde, der sich mit dem Titel Europas Fußballer des Jahres schmücken darf, war darüber einigermaßen baff: "Ich weiß nicht, warum er diese Zweifel hat. Die anderen dürften sie nicht haben", sagte Suárez. Doch Vereinsboss Josep Maria Bartomeu machte das Mysterium nicht eben kleiner.

"Er ist ein Trainer, der sich die Anerkennung aller Barça-Mitglieder gesichert hat. Aber heute geht es darum, diesen Triumph zu feiern", sagte Bartomeu. Dann sagte der Präsident noch etwas, was in Luis Enriques Ohren möglicherweise von einem höhnischen Bass grundiert war: "Er hat das Vertrauen, das wir in ihn gesetzt haben, gerechtfertigt."

Es geht um Vertrauen

Richtig daran ist, dass die Ergebnisse, die der im Sommer als Nachfolger des heutigen argentinischen Nationaltrainers Tata Martino installierte Luis Enrique vorweisen kann, jedes Vertrauen der Welt rechtfertigen. Mit der gleichen Kühle, mit der Geschäftsführer bei Jahreshauptversammlungen Bilanzsummen verlesen, brach Enrique auf dem Rasen seine erste Saison auf die Essenz herunter: "Sechzig Spiele, fünfzig Siege, vier Unentschieden, sechs Niederlagen." Aber er weiß nur zu gut, dass ihm das Vertrauen weniger vom Vorstand als vielmehr von seinem früheren Nationalmannschaftskollegen Andoni Zubizarreta entgegengebracht wurde.

Zubi, wie er im Volksmund genannt wird, war auch für die Zusammenstellung des Kaders verantwortlich, das heißt: für die von vielen Barça- Honoratioren zunächst skeptisch beäugten Einkäufe ter Stegen, Ivan Rakitic und Luis Suárez. Zubi freilich wurde im Januar geschasst; sehr zum Verdruss von Luis Enrique, der kaum einen Hehl daraus machte, dass er sich ob dieser Entscheidung schutzlos fühlte. Nun zollte ihm Luis Enrique Tribut: "Es ist nur gerecht, heute an Zubi und sein Team zu denken."

In Barcelonas Umfeld mag eigentlich niemand daran denken, dass Luis Enrique wirklich die Brocken hinwirft. Zumal er ja eigentlich vor der reizvollen Herausforderung steht, wie einst Guardiola auch noch die Klub-WM sowie den europäischen und den spanischen Supercup zu gewinnen, also sechs Titel in einem Jahr. Das wiegt fast noch schwerer als der Umstand, dass sein Vertrag bis 2016 läuft. Ein Restzweifel aber bleibt.

Weil Enrique alles andere als einfach zu durchschauen ist. Selbst in der Euphorie des Triple-Erfolgs, der ihn immerhin mit seinem Freund und heutigen Bayern-Coach Pep Guardiola gleichstellt, dem das Kunststück 2008/2009 glückte, war in seinem Gesicht kaum eine Regung zu erkennen. Der FC Barcelona blickt ganz generell einem spannenden Sommer entgegen. In dieser Woche wird Interims-Präsident Bartomeu zurücktreten, um den Weg für Neuwahlen im Juli freizumachen.

Zockt Luis Enrique, um seine Position bei der Personalpolitik zu stärken, bei Transfers einen Gestaltungsspielraum zu haben, wie ihn Guardiola einst hatte? In Barcelona ist bekannt, wie unzufrieden Luis Enrique mit dem Zubi-Nachfolger Ariedo Braida ist. Mit ihm wechselt er kein Wort.

Was aber, wenn ihn doch das Gefühl beschleichen sollte, dass er nicht genug Rückhalt im Klub hat, um auch Sträuße mit den Dreizack-Mächten Messi, Neymar und Suárez (122 Pflichtspieltore) auszufechten? Auch das ist ja denkbar. Mit Messi jedenfalls, der ihm noch im Januar nach einer Auswechslung das Wort entzogen hatte, zelebrierte er auf dem Rasen des Berliner Olympiastadions eine Szene, die Versöhnung verströmte: Sie fielen sich auf dem Rasen in die Arme. Das sah fast wie das Bild zum Statement aus, das der scheidende Kapitän Xavi Hernández von sich gab: "Luis Enrique ist die beste Option fürs kommende Jahr."

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