Barça-Coach Guardiola tritt zurück:Abgewetzt von der harten Zeit

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Der allseits beliebte Trainer Pep Guardiola sorgt mit der Ankündigung seines Abschieds für schwere Trauer beim FC Barcelona. Bis zuletzt hatte der Verein mit den tollsten Angeboten versucht, den erfolgreichsten Coach der Klubgeschichte zum Weitermachen zu überreden. Doch der 41-Jährige fühlt sich ausgebrannt - sein Nachfolger ist eine kleine Überraschung.

Javier Cáceres, Madrid

Morgens um kurz vor neun kam auch Pere Guardiola, der Bruder von Pep, in die Sportstadt des FC Barcelona. Und wer ihn kannte, der konnte ihm ansehen, wie dramatisch die vergangenen Tage in der Familie gewesen sein müssen. Bis zum Schluss rang sein Bruder, der erfolgreichste Trainer der Klubgeschichte, mit sich und dem Verein um die Frage, ob er weitermachen solle. Doch auch das letzte verzweifelte Angebot - Barça soll offeriert haben, nicht nur die Dotierung, sondern auch den Inhalt eines neuen Kontrakts komplett selbst bestimmen zu dürfen - schlug Guardiola aus.

Vor dem Vormittagstraining am Freitag teilte er es der Mannschaft mit, dann der Öffentlichkeit - in einer Pressekonferenz im Camp-Nou-Stadion. Zum Saisonende ist Schluss, und Millionen Barça-Fans trauern wie Witwen, die ihren Gatten wirklich liebten. Die Nachfolge ist geregelt: Neuer Trainer wird, wie Sportdirektor Andoni Zubizarreta erklärte, Guardiolas bisheriger Assistent Tito Vilanova. Die Entscheidung war so logisch, naheliegend und simpel, dass sie eine gewaltige Überraschung darstellt.

Tito repräsentiert alles: Die Idee, das Spiel, die Vorbereitung, die Werte, Charakter, Persönlichkeit. "Er ist anders als Pep. Aber er ist Tito", sagte Zubizarreta. Guardiola ergänzte: "Der Klub hat ins Schwarze getroffen. Er ist mehr als nur befähigt, die Spieler kennen ihn." Das kann man sagen, vor zehn Jahren war er der Trainer von Cesc Fàbregas, Piqué und einem gewissen Lionel Messi, der zu den wenigen Spielern zählte, die an der Pressekonferenz nicht teilnahmen.

"Ich gehe mit dem Gefühl, eine gute Arbeit geleistet zu haben. Und das sage ich, nachdem ich zwei Titel in nur einer Woche verloren habe", erklärte Guardiola mit Blick auf die an Real Madrid verlorene Meisterschaft und das Aus in der Champions League gegen den FC Chelsea. Dass diese Pleiten relevant gewesen sein könnten für seine Entscheidung, würde dem Naturell Guardiolas nicht entsprechen. Er betonte, dass er bereits im Oktober seine Entscheidung getroffen und dem Klub angedeutet habe.

Klar ist: Sein Arbeitsnachweis kann sich sehen lassen. 13 Titel in knapp vier Jahren holte er, darunter je zwei Champions-League- und Weltpokalerfolge. Ende Mai spielt Barcelona noch gegen Athletic Bilbao das spanische Pokalfinale. Darüber hinaus steht er für eine Reihe von unberührbaren Werten. Keine Mannschaft hat zuletzt einen derart revolutionären Fußball gespielt wie Guardiolas Barça.

Er selbst hat dies stets seinen Spielern gedankt, auch am Freitag: "Es war ein großes Privileg, diese Fußballer trainiert zu haben, sie haben mich diese Arbeit genießen lassen. Ich kann ihnen nur für Millionen Spielzüge und erträumte Spiele danken, die sie Wirklichkeit werden ließen. Das ist unbezahlbar."

Spanischer Clásico Barça gegen Real
:Khedira und Özil kapern Camp Nou

Was für eine Wendung im spanischen Spitzenspiel: Ein Treffer von Sami Khedira sowie eine glänzende Vorlage von Mesut Özil verhelfen Real Madrid zum umjubelten 2:1-Sieg in Barcelona. Für Barça ist die Meisterschaft damit vom Tisch, während die "Königlichen" fast schon am Ziel sind. Das Team von José Mourinho zeigt: Die Bayern werden es schwer haben im Bernabeu.

Jonas Beckenkamp

All dies geriet dem Portugiesen José Mourinho zum Ärger, seinem großen Widerpart bei Real Madrid. Eládio Paramés, der als persönlicher Sprecher Mourinhos offenbar dafür bezahlt wird, nicht mehr allein zu denken, interpretierte den Abschied Guardiolas als Erfolg Mourinhos. Darüber hinaus erklärte er, dass Guardiolas Abschied eine Frage des Geldes gewesen sei.

Spaniens Nationalcoach Vicente del Bosque, ein einstiger Real-Madrid-Coach, sagte hingegen der SZ: "Guardiola hat dem spanischen Fußball enorm viel gegeben." Für Guardiolas Entscheidung zeigte er großes Verständnis: "An vorderster Front zu stehen, ist hart. Sehr hart." Guardiola sagte: "Vier Jahre als Barça-Trainer sind eine Ewigkeit. Ich bin leer, und muss mich wieder aufladen." Und: "Die Zeit wetzt alles ab."

Guardiola war das seit längerer Zeit anzusehen. Seit dem Amtsantritt vor vier Jahren hat er 75 Prozent der Spiele (176 von 242) gewonnen, aber 75 Prozent seiner Haare verloren. Er selbst hatte stets gesagt, dass sein Zyklus als Barça-Trainer nicht zu lang sein werde. Was damit zu tun hatte, dass niemand besser wusste als er, welche sportlichen, politischen und medialen Mächte an einem zerren, der für den FC Barcelona tätig ist. Denn dort war er Fan, Balljunge, Spieler (1990 bis 2001), verjagter Mythos.

Als er 2008 zum Trainer der ersten Elf wurde, war er in der eigenen Stadt, im Klub umstritten. Was ihm sein einstiger Spieler Zlatan Ibrahimovic voller Verachtung an den Kopf warf ("dieser Philosoph") dachten nicht wenige Barça-Anhänger. Guardiola galt ihnen als verdächtig: wegen seiner Interessen jenseits des Platzes für Literatur, Musik, Kunst. Auch Präsident Sandro Rossell, ein Business-School-Absolvent und früherer Nike-Manager mit mitunter dubiosem Geschäftsgebaren, galt als Guardiola-Gegner. Am Freitag sagte er: "Danke, Pep." Zubizarreta sagte: "Wenn über den Fußball im 21. Jahrhundert gesprochen werden sollte, wird von Pep gesprochen werden."

Und nun? "Die Trauer dauert nur eine Nacht, der Klub ist bei guter Gesundheit. Er wird neuen Ideen und Herausforderungen begegnen. Fürchtet Euch nicht!", sagte Guardiola. Er selbst will eine Pause einlegen. Als Spieler ließ er die Laufbahn in Italien und Mexiko ausklingen, alles keine Ziele, die man ihm seinerzeit unterstellt hätte. "Als man mir vor fünf Jahren die zweite Mannschaft Barcelonas anbot, hab ich Luftsprünge gemacht. Diese Freude muss ich zurückerobern", sagte er.

© SZ vom 28.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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