Ballon d' Or in Zürich:Knapp am Durchmarsch vorbei

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Nur Titelverteidiger Cristiano Ronaldo, der Manuel Neuer distanziert, stört die deutsche Party in Zürich. Dafür werden Joachim Löw, Ralf Kellermann und Nadine Kessler ausgezeichnet - die Wolfsburgerin sogar mit einer besonderen Ehrung.

Von Claudio Catuogno, Zürich

Der Nationaltorwart Manuel Neuer, 28, ist ein höflicher junger Mann, wäre es am Montagabend um die Welthöflichkeits-Trophäe der globalen Fußballgemeinde gegangen, es wäre wohl wie so oft in den Strafräumen gewesen: Man wäre an Neuer nicht vorbeigekommen.

Und so ein bisschen Höflichkeit, das ist schon mal eine Menge wert: Sie haben ja beim Weltfußball-Verband Fifa zuletzt nicht die besten Erfahrungen gemacht mit Spielern des FC Bayern, die das Zürcher Kongresshaus ohne "Ballon d'Or", ohne goldenen Ball, wieder verlassen mussten. Franck Ribéry war voriges Jahr kommentarlos durch den Nebenausgang geflüchtet, nachdem er das Gala-Prozedere, an dessen Ende er Dritter wurde, mit sehr verkniffenem Gesicht über sich hatte ergehen lassen.

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Nun also ging es in Zürich um den Weltfußballer des Jahres 2014, des WM-Jahres also. Aber das Ergebnis der Kicker-Kür unterschied sich trotzdem nur in den Details vom 2013er Resultat: Cristiano Ronaldo, 29, Champions-League-Sieger mit Real Madrid, nahm seine dritte Auszeichnung nach 2008 und 2013 entgegen - er landete wie im Vorjahr vor dem Argentinier Lionel Messi, 27.

Dritter diesmal: Manuel Neuer. Franck Ribéry hatte im Trainingslager der Bayern in Doha noch diese Einschätzung hinterlassen: "Manuel muss gewinnen." Aber, ach, diese Abstimmung sei leider "komisch" - deshalb habe Neuer wohl doch keine Chance. So komisch ist die Kür allerdings gar nicht, allenfalls bisweilen unfreiwillig. Wenn man das Prozedere kennt, verwundert es eher nicht, dass Details wie ein WM-Titel oder der Umstand, dass der mitspielende, antizipierende Manuel Neuer quasi das Torwartspiel revolutioniert hat, nur eine nachrangige Rolle spielen: Je 209 Nationaltrainer und Kapitäne von Vanuatu bis Bhutan, dazu knapp über hundert von der Fifa sowie dem Magazin France Football auserwählte Journalisten dürfen jährlich drei Namen nach Zürich übermitteln.

Da sammeln sich die Punkte im Zweifel halt immer bei den gleichen, von ihren Klubs und Sponsoren zu globalen Marken aufgebauten Branchengrößen: Seit 2008 machen Ronaldo und Messi die Weltfußballer-Wahl der Fifa unter sich aus, seit der Fusion mit dem "Ballon d'Or" von France Football 2010 hat demnach auch noch kein anderer gewonnen.

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Manuel Neuer wird zwar nicht zum allerbesten Fußballer des Planeten gekürt, aber er zeigt sich trotzdem fröhlich in Zürich. Gary Lineker huldigt Cristiano Ronaldo und der "Kaiser" Joachim Löw.

Manuel Neuer hat den Abend mit einer Mischung aus untypischer Anspannung und gewohnt verschmitztem Bubenlächeln genommen. Und mit der nötigen Portion Realitätssinn, die Ribéry seinerseits gefehlt hatte. Als die Übertragung fertig war, schlenderte er gelöst durchs Foyer; Erster, Zweiter, Dritter - egal! "Ein voller Erfolg" sei doch alleine sein Vordringen in die Top drei gewesen, sagte er, "für mich, für meine Mannschaften und auch für die Torhüterschaft". Seitdem es die Weltfußballer-Wahl gibt, hat noch nie ein Torwart die Trophäe gewonnen. "Gehe da hin und habe Spaß", hatte sein Klubtrainer Pep Guardiola Neuer geraten. Und Neuer gab sich alle Mühe, was ja auch gar nicht so schwer ist bei einer Gala, die der Fifa und ihrem Publikum eine nette Abwechslung bescherte vom stetigen Zank um Ethikkommissionen und Korruptionsuntersuchungen. Gebuht wurde nur einmal, draußen am roten Teppich: um kurz nach 17 Uhr, als der Fifa-Patriarch Sepp Blatter, 78, ins Gebäude schritt. Im Presseraum wurde da eilig für ein paar Minuten der Ton abgedreht.

Abseits der Ronaldo-Messi-Show war es aber durchaus ein deutscher Abend in Zürich: Joachim Löw war als Trainer des Jahres quasi gesetzt im Dreikampf mit Carlo Ancelotti (Real Madrid) und Diego Simeone (Atlético Madrid), deren Teams das Champions-League-Finale zu einem spanischen Hauptstadt-Duell gemacht hatten.

Löw nahm den Pokal mit betonter Bescheidenheit entgegen, dankte "allen deutschen Trainern" im Profi- wie im Nachwuchsfußball ("Sie sind alle ein bisschen Trainer des Jahres"), außerdem der Bundesliga, seiner Mannschaft, Hansi Flick, dem DFB und schließlich "allen Trainern auf dieser Welt". Löw hat inzwischen Übung mit solchen Terminen, Stichwort: Ehren-Bambi 2010. In der Elf des Jahres wiederum, ausgewählt von mehr als 20 000 Profis, stehen Neuer als Torhüter, Philipp Lahm bei den Abwehrspielern und Toni Kroos im Mittelfeld.

Und dann natürlich der Frauenfußball mit gleich zwei Auszeichnungen für den VfL Wolfsburg, den Champions-League-Sieger: Nadine Keßler, 26, ist Weltfußballerin, Ralf Kellermann Trainer des Jahres. Ein "überragender Moment" (Kellermann) und einer, den insbesondere Keßler "nie in Erwägung gezogen hätte". Und doch einer, der überschattet war: vom Unfalltod des VfL-Profis Junior Malanda vor zwei Tagen. Keßler hatte also tatsächlich mehr Stimmen gesammelt als die Frauenfußball- Ikonen Abby Wambach (USA) und Marta (Brasilien) - in dieser Hinsicht unterschied sich die Frauen-Wahl substanziell von jener der Männer. Marta war auf dem roten Teppich in einem Kleid, das womöglich mal ein Tornetz war, umjubelt von Selfie zu Selfie geschritten. Dagegen Keßler: ein Lächeln für die Fachpresse - und rein ins Kongresshaus. Gewonnen hat sie trotzdem, und einen Triumphschrei, wie ihn Cristiano Ronaldo am Ende der Show ausstieß, wird man von ihr auch nie hören.

© SZ vom 13.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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