Man könnte natürlich mal eine kleine Umfrage starten in den Fußgängerzonen der Innenstädte: Na, wer ist die beste deutsche Tennisspielerin? Locker 30 Prozent der Befragten würden wohl auf Andrea Petkovic tippen. Einfach nur, weil sie die eloquente und intellektuell gewitzte Petkovic eben kennen. Ein paar mindestens ebenso falsche Kreuzchen würden womöglich hinter dem Namen von Sabine Lisicki gesetzt. Einfach nur, weil in den Köpfen der Fußballfreunde irgendwie hängen geblieben ist, dass Lisicki mal als beim Boulevard beliebte "Bum-Bum-Bine" vor vier Jahren im Wimbledon-Finale gestanden hatte (und mal zusammen war mit dem Fernsehclown Oliver Pocher, von dem sie sich sehr tränenreich trennte, was dem Boulevard ebenfalls nicht verborgen blieb). Locker 60 Prozent würden garantiert auf Angelique Kerber tippen. Und sei es einfach nur deshalb, weil Kerber Anfang des Jahres noch die Nummer eins der Tenniswelt war, nach ihren Grand-Slam-Siegen bei den Australian Open und den US Open im Vorjahr.
Erinnert sich noch jemand an Julia Görges? Das ist jene deutsche Spielerin, die immer dann am besten ist, wenn sie möglichst unbemerkt unter dem Radar der Öffentlichkeit fliegen darf und nicht allzu viele Interviews geben muss.
Das 6:3, 6:3 gegen Sevastova war Görges' achter Sieg nacheinander
Am Samstag ist die 29-jährige Fed-Cup-Spielerin souverän ins Finale der WTA Elite Trophy in Zhuhai eingezogen und darf von ihrem vierten Turniersieg auf der Tennis-Tour träumen. Die Weltranglisten-18. ist inzwischen einen Platz weiter oben gelistet als Kerber - nun besiegte bei ihrer ersten Teilnahme an der sogenannten B-WM im Halbfinale die Lettin Anastasija Sevastova 6:3, 6:3 und feierte damit ihren achten Sieg nacheinander.
Für Görges ist es die längste Erfolgsserie seit 2011, als sie nach dem Titelgewinn in Stuttgart und dem Halbfinaleinzug in Madrid neun Spiele in Serie gewonnen hatte. Im Endspiel des mit 2,28 Millionen Dollar dotierten Hartplatzevents trifft die 29-Jährige am Sonntag auf die an Position zwei gesetzte US-Open-Halbfinalistin Coco Vandeweghe aus den USA, die die Australierin Ashleigh Barty ebenfalls mit 6:3, 6:3 besiegte.
Den geplanten Urlaub in Dubai musste Görges absagen
"Das war mein bestes Match im Turnier. Ich bin sehr glücklich, hier das Finale erreicht zu haben", sagte Görges: "Ich freue mich auf ein gutes Match am Sonntag." Auf den Tag genau zwei Wochen nach ihrem Turniersieg in Moskau gelang ihr im Hengqin Tennis Center jeweils zu Beginn der Sätze ein Break. Bei eigenem Aufschlag blieb Deutschlands neue Nummer eins souverän, Sevastova kam in der gesamten Partie zu keinem Breakball. Ende Juni hatte Görges im Finale bei den Mallorca Open noch gegen die Lettin in drei Sätzen verloren. Vor zwei Wochen in der russischen Hauptstadt hatte sie dann mit ihrem Turniersieg den letzten freien Platz in Zhuhai ergattert. Den geplanten Urlaub in Dubai musste sie daraufhin absagen. Die an Position acht gesetzte Kerber war nach zwei Niederlagen in ihren beiden Gruppenspielen ausgeschieden.
"Ich freue mich auf das Finale", sagte Görges nach ihrem 71-minütigen Auftritt gegen Sevastova und prognostizierte: "Es wird ein schwieriges Finale." Die 25 Jahre alte Vandeweghe spiele sehr variabel. "Für mich ist es einfach wichtig, dass ich mich auf mich fokussiere, aggressiv mein Spiel durchziehe, aber gleichzeitig auch das letzte Match der Saison genieße." Sollte Görges gewinnen, könnte sie zum Saisonende sogar auf Rang 14 klettern. Dies wäre ein Rekord. Allerdings nur ein persönlicher. Kein allgemeiner, der dabei helfen könnte, eine Sportlerin mal ein bisschen berühmter zu machen in den deutschen Fußgängerzonen.