Austria Salzburg:Das Ende der Romantik

Innsbruck 02 11 2015 Tivoli Stadion Innsbruck AUT 2 FBL FC Wacker Innsbruck vs SV Austria Salz; Salzburg

Fans von Austria Salzburg beim Spiel gegen Wacker Innsbruck. Der Verein steht nun vor dem Aus.

(Foto: imago/Eibner Europa)

Es sollte der Gegenentwurf zum Red-Bull-Fußball werden. Austria, von Fans gegründet, stieg in zehn Jahren fünfmal auf. Doch jetzt steht das Fan-Projekt in Liga 2 vor dem finanziellen K.o.

Von Thomas Gröbner, Salzburg

Sechs Monate ist es nur her, da eilte ein wuchtiger Mann über den Rasen eines Salzburger Fußballstadions. In der zitternden Hand hielt er ein Blatt Papier. Walter Windischbauer, damals Präsident von Austria Salzburg, hielt das Stadionmikrofon ganz dicht an seinen grauen Vollbart und verlas eine ausgedruckte E-Mail. Absender war die österreichische Bundesliga. Windischbauers Vortrag begann mit "gemäß Satzung bla bla bla" und endete mit: "Zugelassen!" Lauter Jubel erstickte seine Worte.

Kaum ein Fan-Verein ist in Europa so schnell in den Profifußball aufgestiegen wie Austria Salzburg. Als 2005 Red Bull als Sponsor in Salzburg einstieg, träumten die Fans zunächst wieder von Champions League und Meisterschaft. Doch anders als von den Anhängern erhofft, wollte der Brausekonzern keine alte Marke wiederbeleben, sondern seine eigene schaffen. Die Vereinsfarben der Austria wurden getilgt, das Violett verschwand. Also gründeten die Fans den SV Austria Salzburg vor zehn Jahren einfach neu, in der siebtklassigen Landesliga. Im vergangenen Sommer, nach dem fünften Aufstieg in zehn Jahren, war die Austria zurück im professionellen Fußball. Doch nun, nach nur 19 Spielen in der zweiten österreichischen Liga, steht der Klub vor der Auflösung. Vor einer Woche beantragte die Austria ein Insolvenzverfahren. Der Jubel ist verstummt.

Täglich wartet Salzburg, das sich in den letzten Jahren am eigenen Aufstieg so berauscht hatte, auf die Nachricht vom Ende. Darauf, dass die Erste Liga, so heißt die zweitklassige Liga in Österreich, den Zwangsabstieg verkündet, nachdem sich der Verein als zahlungsunfähig erklärt hatte. Die Austria drückt ein Schuldenberg von rund einer Million Euro. Gehälter wurden zuletzt nur in Teilen bezahlt, Gläubiger warten auf ihr Geld. Der Verein hat kein Stadion, das den Ligavorschriften für Risikospiele genügt. Sechs Punkte wurden der Austria abgezogen. Der Klub ist Vorletzter, elf Punkte beträgt bereits der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz.

Erst ging der Sportdirektor, dann der Trainer. Bald sollen Spieler folgen

Längst hat sich die Euphorie der Fußballromantiker in einen Überlebenskampf verwandelt. Präsident Windischbauer, der den Gästefans nach dem Aufstieg Freibier spendierte und seinen Verein in bierseliger Stimmung die "Gallier des 21. Jahrhunderts" nannte, ist aus gesundheitlichen Gründen schon im Sommer zurückgetreten. Und der Sportdirektor, das Gründungsmitglied Gerhard Stöger, wurde letzte Woche entlassen. Zwei Tage später ging auch Aufstiegstrainer Jørn Andersen. Bald sollen die ersten Spieler auf dem Transfermarkt feilgeboten werden. Die Austria müht sich, die Trennungen nicht als Zugeständnis an die Fans darzustellen. Die hatten in den sozialen Netzwerken angekündigt: "Alle Schuldigen werden bezahlen." Doch vielleicht war die 6:2-Niederlage am vergangenen Wochenende das letzte Spiel des Fan-Vereins Austria Salzburg. Am 15. Dezember entscheidet das Landgericht Salzburg, ob der Verein den Spielbetrieb fortführen darf.

Es gibt wohl noch eine kleine Chance, eine Art juristischer Winkelzug, der allerdings einer wackligen Argumentationskette folgt. Der Zwangsabstieg sei kontraproduktiv für die Sanierung und Entschädigung der Gläubiger, deshalb müsse das Insolvenzrecht die Statuten der Liga überstimmen. Die wirtschaftliche Not soll also gewissermaßen die Gesetze des Fußballs außer Kraft setzen. Moritz Grobovschek glaubt nicht daran. "Es ist das letzte Zucken", sagt der Mann, der den Verein mit gegründet hat und die Markenrechte am Verein hält. Für 700 Euro hatte er 2005 die Rechte an Wort und Bild erworben, als Red Bull sich eingekauft hatte. Längst habe er die Fans hinter sich versammelt, die sich von der Vereinsführung entfremdet haben, sagt er.

Bei der Mitgliederversammlung im Januar will er die Kontrolle wieder in die Hände der Fans holen - "sollte sie noch stattfinden". Es beruhige ihn zu wissen, dass er den Verein immer wieder auferstehen lassen könnte: "Wenn es sein muss, dann machen wir diese Sisyphusarbeit noch einmal."

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