Australian Open:Roger Federer spielt "wie früher in den alten Tagen"

Tennis Australian Open 2016

Alles sieht so einfach aus, so locker: Roger Federer spielt bei den Australian Open gerade so, als wäre er ein paar Jährchen jünger.

(Foto: dpa)
  • Roger Federer trifft im Halbfinale der Australian Open auf Novaak Djokovic.
  • Der Schweizer kann sich durchaus Chancen ausrechnen, die Nummer Eins der Weltrangliste zu schlagen - derzeit spielt er so, als wäre er wieder 24.
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Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Im lebenswerten, lebensfrohen Melbourne lässt sich vorzüglich die Zeit vertreiben, am Dienstag lag es zum Beispiel nahe, sich in den Central Business District zu stürzen. Am Nationalfeiertag war die halbe Stadt eine Parade und abends unterwegs auf der Suche nach einem Plätzchen, um den Australia Day gebührend ausklingen zu lassen. So sehr Roger Federer dieses Land mag und von seiner lässigen Art her sofort eingebürgert werden müsste - er hat es doch vorgezogen, sich vor den Fernseher zu setzen, so hatte er das jedenfalls angekündigt. Lief ja auch ein gutes Match. "Für jeden Fan ist so was interessant", sagte er, als sei er ein Unbeteiligter.

Aber das war er natürlich keineswegs. Es spielten Novak Djokovic und Kei Nishikori gegeneinander, der Weltranglisten-Erste und der -Siebte, in der Rod Laver Arena. Und Federer würde auf den Sieger treffen, im Halbfinale bei einem nicht ganz unbedeutenden Tennisturnier. Der Serbe setzte sich souverän durch gegen den Japaner, mit 6:3, 6:2, 6:4. Federer wusste da immerhin längst: Er war zuvor kaum weniger effektiv gewesen.

Federer erlebt derzeit seine Renaissance

Der 34-jährige Schweizer ist insofern eine imponierende Erscheinung in diesen Tagen der Australian Open, weil er bislang ein Tennis zeigt, das an einen richtig offensiven Spieler von früher erinnert: an den jungen Federer. 24 seiner 29 Netzangriffe in seinem Viertelfinale schloss er erfolgreich ab, mit dem ersten Aufschlag fuhr er 50 von 60 Punkten ein, zwölfmal wagte er Serve&Volley und reüssierte zehnmal.

"Er spielt großartig", sagte der bestmögliche Zeuge. Tomas Berdych, 30, seit 2010 in den Top Ten, kassierte die 6:7 (4), 2:6, 4:6-Niederlage. Federer widersprach nicht: "Ich spiele gutes Tennis, Spaßtennis für mich sowieso", so nannte er es. "Ich genieße es wirklich, öfter ans Netz zu kommen. Wie früher in den alten Tagen." Wenn das so weitergeht mit seiner Renaissance, wird er bald wieder mit seinem Zopf, den er einst trug, auftauchen.

Andererseits: Federer ist immer noch ehrgeizig, gegen einen klitzekleinen Grand-Slam-Titel hätte er nichts einzuwenden. "Er würde mir viel bedeuten, ohne Zweifel", befand er. Die letzte seiner 17 Trophäen errang er 2012 in Wimbledon.

Federer sagt: "Ich muss Djokovic schlagen."

Dass ihm nun im Halbfinale Djokovic begegnet, könnte ihm die Laune verderben, aber Federer, der kraft seiner Eloquenz jede Pressekonferenz zu Messen verkommen lässt, sieht das so: "Ob ich jetzt oder im Finale auf ihn treffe, ist egal. Ich muss ihn schlagen."

In den vergangenen beiden Grand-Slam-Endspielen, in Wimbledon und New York, gelang ihm das nicht. Er weiß, dass ihm nur der junge Federer oder der alte alleine nicht helfen - er braucht eine Mischung aus seinen besten Facetten aller Epochen. Und das sind ja nicht wenige, woran auch Djokovic erinnerte.

Djokovic sieht seine Chance in der Dauer des Spiels

Das Duell gegen Federer wird das 45. dieser Beiden sein, es steht 22:22. 47-mal trat Djokovic gegen den Spanier Rafael Nadal an (24:23). "Es sieht aus, als hätte ich die Hälfte meiner Karriere nur gegen diese Jungs gespielt", sagte der 28-jährige Serbe aus Belgrad.

Solange Federer und er - die eine Hälfte der "Big Four" genannten Branchenriesen neben Nadal und dem Schotten Andy Murray - sich weiterhin durch jedes Feld pflügen, bis sie aufeinandertreffen, behält diese Wahrnehmung tatsächlich ihre Gültigkeit. Zum Vergleich: John McEnroe und Jimmy Connors duellierten sich einst nur 34-mal (20:14). Ihr Duell gilt heute als Klassiker der Tennisgeschichte.

Beim Vorgeplänkel gaben sich Federer wie Djokovic indes freundlicher als die beiden Amerikaner früher, die meist nur Knurrlaute über den Rivalen zuwege brachten. Sie lobten einander. Nur einen Vorteil ordnete Djokovic sich zu: das Alter. "Je länger das Match dauert, desto größer wird vielleicht meine Chance."

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