Australian Open:Kerber siegt unter Helikoptergekreise

2017 Australian Open - Day 5

Angelique Kerber fegte in der dritten Runde der Australian Open über Kristyna Pliskova hinweg.

(Foto: Getty Images)
  • Angelique Kerber gewinnt locker gegen die Tschechin Kristyna Pliskova bei den Australian Open.
  • Während des Spiels kreisen Helikopter über Melbourne, weil in der Innenstadt ein Auto in eine Menschenmenge gerast ist.
  • Hier geht's zu den Ergebnissen der Australian Open

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Barbara Rittner sitzt auf dem Mäuerchen, auf dem sie hier in Melbourne jedes Jahr sitzt, um den deutschen Pressevertretern Fragen zu beantworten. Die Bundestrainerin spricht zunächst über das anstehende Fed-Cup-Duell mit den USA auf Hawaii Mitte Februar. Nach der Absage der Weltranglisten-Ersten Angelique Kerber sind drei Spielerinnen gesetzt. Rittner wird Laura Siegemund mitnehmen, aktuell zweitbeste Deutsche, Andrea Petkovic und Julia Görges.

Chancen auf den vierten Teamplatz hat Mona Barthel (ihr Match in der dritten Runde hier im Liveticker), doch noch ist intern nicht entschieden, ob die 26-Jährige die lange Reise mitmacht; sie hatte im vergangenen Jahr eine schwere Viruserkrankung zu überstehen und hat bei diesen Australian Open als Qualifikantin ja bereits die dritte Runde erreicht. Dieser Lauf kostete auch Kraft. Rittner war in jedem Fall entspannt, sie hatte gerade das Drittrundenmatch von Kerber angesehen. Dass sie so schnell auf dem Mäuerchen Platz nehmen konnte, früher als geplant, lag an Kerbers rasantem Tempo.

Die Titelverteidigerin besiegte mit 6:0, 6:4 in nur 55 Minuten die völlig überforderte Tschechin Kristyna Pliskova, die noch nie die vierte Runde bei einem Grand-Slam-Turnier erreicht hatte. Normalerweise wird in der Welt des Profisports oft sehr vorsichtig über die gegnerische Gegenwehr geredet. Rittner aber brachte es auf den Punkt: "Das war kein Maßstab heute." Das war nicht böse gemeint, nur hätte jedes mildere Urteil ihren Sachverstand tatsächlich schwer in Frage gestellt.

Schön war der jahresübergreifend zehnte Sieg bei den Australian Open für Kerber, die seit Mittwoch 29 Jahre alt ist, natürlich trotzdem. "Ich bin jetzt ein bisschen lockerer", sagte die Weltranglistenerste, die sich oft in den ersten Runden schwer tut. So war es diesmal wieder, als sie zweimal über drei Sätze gehen musste und phasenweise nicht überzeugte. "Ich habe den Rhythmus gefunden, ich weiß jetzt, wie der perfekte Tag hier für mich aussehen muss", sagte sie nun hörbar gelöster. Im Achtelfinale trifft Kerber auf die Amerikanerin Coco Vandeweghe, die etwas überraschend die Kanadierin Eugenie Bouchard dank ihres kompromisslosen Netzspieles mit 6:4, 3:6, 7:5 besiegt hatte.

Das Duell mit Pliskova, Zwilling der US-Open-Finalistin Karolina, war schon statistisch eine völlig ungleiche Begegnung gewesen. Kerber hat viel mehr Erfolge und Erfahrung vorzuweisen. Zehn Titel, zwei Grand-Slam-Trophäen, zum 37. Mal steht sie nun schon im Hauptfeld eines Grand Slams. Pliskovas Zwischenstand: ein Titel, 13 Mal im Hauptfeld, erst zwei Mal erreichte sie die dritte Runde, 2015 in Wimbledon und jetzt. Pliskova hat es bislang auch nicht geschafft, an allen vier Grand Slams innerhalb einer Saison teilzunehmen. Kerber gewann die Wahl und entschied sich für Rückschlag. Eine clevere Entscheidung, die Außenseiterin war wie erwartet derart nervös, dass ihr gleich ein Doppelfehler und drei leichte Fehler unterliefen und sie sofort das Aufschlagspiel abgab.

Kerber erwartet hartes Match im Achtelfinale

Die größte Herausforderung bestand für Kerber darin, mit den anfänglichen Windböen klarzukommen. Mit einem Doppelfehler kassierte Pliskova wieder das Break zum 0:3, da waren gerade zehn Minuten gespielt und viele Zuschauer schritten erst jetzt mit ihren Burgern, Chips, Prosecco und Bierchen in der Hand zu ihren Plätzen. Ein Vorhandkracher von Pliskova landete unerreichbar für Kerber auf der Linie, so schien es. Kerber nahm eine Challenge, sie ließ die Szene per Videobeweis überprüfen, dreimal pro Satz darf das jeder machen. Der Ball war aber tatsächlich knapp im Aus, 4:0. Ihr glückte an diesem Freitagmittag auch dieses. 6:0 dann nach 19 Minuten, das war nur 14 Minuten länger als die fünfminütige Einschlagzeit.

Vielleicht war die Taktik von Pliskova auch, Kerber mit einer 6:0, 2:0-Führung in Sicherheit zu wiegen, um dann zuzuschlagen. Plötzlich verlor Kerber ihr Aufschlagspiel, 3:2 gar für Pliskova. In dieser Phase waren immer wieder Sirenen und Hubschrauberlärm zu hören, in der Innenstadt Melbournes hatte sich ein furchtbarer Vorfall ereignet. Ein Autofahrer war absichtlich in eine Menschenmenge gerast, mindestens drei Personen starben. Die Polizei schickte rasch Meldungen über Twitter raus, die Bürger sollten die Innenstadt vorübergehend meiden. Beim Stand von 4:3 für Pliskova saßen beide Spielerinnen beim Seitenwechsel auf der Bank, sichtbar kreiste der Helikopter. Ein bizarrer Moment, den Kerber aber nicht registriert hatte unten in der Rod Laver Arena. Als sie später von dem Hergang hörte, konnte sie es kaum glauben.

Auf Mischa Zverev wartet eine schwere Aufgabe

Das Match ging weiter, Kerber schaffte das Break zum 5:4, und diesmal nutzte sie gleich den ersten Matchball, was ihr in der ersten Runde gegen die Ukrainerin Lesia Zurenko noch nicht gelungen war und sie zur Strafe in die Verlängerung musste. Auch ihr Trainer Torben Beltz sagte danach, Kerber habe ihm sehr gut gefallen, sie sei locker gewesen, habe gut geschwungen. "Gegen Coco wird es ein ähnliches Spiel", meinte er bezüglich des bevorstehenden Achtelfinals gegen Vandeweghe. "Das wird ein hartes Match, ich bin bereit und fühle mich gut", sagte Kerber.

Auch Rittner schwärmte: "Sie hatte eine bessere Länge in den Schlägen, den Aufschlag durchgezogen", sagte sie und gab zu, sie sei jetzt "selber gespannt", wie es mit Kerber in Melbourne weitergeht. Ja, an diesem Freitag kam erstmals so ein altbekanntes, vertrautes Gefühl auf. Das Gefühl, dass Kerber jetzt dieses Turnier einfach laufen lassen muss, wie sie es auch im vergangenen Jahr getan hatte.

Die Leichtigkeit des Seins lebt bei diesen Australian Open Mischa Zverev schon von Beginn des Turnieres vor, und der ältere Bruder von Alexander Zverev, der am Samstag in der dritten Runde auf den Spanier Rafael Nadal trifft, setzte auch am Freitag seine wundersame Reise fort. Mit 6:1, 4:6, 6:3, 6:0 gegen den Tunesier Malek Jaziri erreichte der 29-Jährige erstmals in seiner Karriere ein Grand-Slam-Achtelfinale. Dort trifft er auf den Weltranglisten-Ersten Andy Murray aus Schottland.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: