Australian Open:Friedsam rockt Melbourne

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Anna-Lena Friedsam: Unverkrampft in Melbourne (Foto: REUTERS)
  • Die Deutsche Anna-Lena Friedsam zieht ins Achtelfinale der Australian Open ein.
  • Damit ist sie nach Laura Siegemund und Annika Beck die nächste deutsche Überraschung.
  • Alle Ergebnisse der Australian Open finden Sie hier.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Sie nahm den Stift und schritt hinüber zu einer Gruppe Zuschauer, die ihr verschiedene Dinge hinhielten, Fotos, Bälle, Kappen. Anna-Lena Friedsam unterschrieb einen Gegenstand nach dem anderen. Da ertönte mehrmals von der Seite eine Stimme: "Anna, here!" Sie schreckte auf, als sie sah, worum es ging. Friedsam sollte, das ist seit langem Brauch bei großen Tennisturnieren, eine Glasscheibe unterschreiben, die vor der Fernsehkamera befestigt war. So sind in der Regel Serena Williams und Maria Scharapowa und die vielen anderen Topspielerinnen ganz nah zu sehen. "Sorry", sagte Friedsam.

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Es war ja das allererste Mal, dass sie dieses Ritual selbst ausführen durfte. Die Deutsche aus der Osteifel hatte den größten Erfolg ihrer Karriere gerade geschafft. Mit dem kuriosen Ergebnis von 0:6, 6:4, 6:4 gegen Roberta Vinci aus Italien erreichte sie das Achtelfinale bei diesen Australian Open. Sie hatte tatsächlich die US-Open-Finalistin 2015 ausgeschaltet.

Als wäre sie schon zehn Jahre auf der Tour

Nicht die Etablierten wie Andrea Petkovic oder Sabine Lisicki rocken in Melbourne. Sondern Laura Siegemund aus Metzingen, die nach ihrem Sieg gegen die frühere Weltranglisten-Erste Jelena Janković am Samstag ihr Drittrundenmatch bestreitet. Siegemund trifft dann auf Annika Beck, ihre gute Freundin, die ebenfalls überraschte, mit einem Triumph gegen die starke Schweizerin Timea Bacsinszky. Und nun also Friedsam.

21 Jahre alt ist sie. Sie wirkte wie eine erfahrene Spielerin, als sie den Schlusssatz in der Hisense Arena absolvierte, dem zweitgrößten Stadion. Als wäre sie seit zehn Jahren auf der WTA-Tour. Dabei sind es erst drei, in denen sie fester damit planen kann, in ein Hauptfeld der obersten Kategorie zu gelangen.

Wie neu Friedsam auf dieser Bühne ist, zeigte sich zu Wochenbeginn, als sie ihre erste Pressekonferenz nach dem Erfolg gegen die Spanierin Lourdes Domínguez Lino abhalten durfte. Sie stellte sich erst mal vor. In einem Dorf namens Oberdürenbach in der Eifel wohnt sie nun, 300 Einwohner hat der Ort. "Da gibt es nichts. Keinen Bäcker, kein Restaurant, keine Kneipe", erzählte Friedsam. Und präzisierte: "Wenn ich in meinem eigenen Bett liege, dann höre ich nichts. Höchstens ein bisschen Vogelgezwitscher."

Bei den deutschen Tennis-Verantwortlichen ist Friedsam natürlich keine Unbekannte. Sie ist ja Mitglied im Talenteteam des nationalen Verbandes. Bislang ist Carina Witthöft aus Hamburg die Beste in dieser Auswahlgruppe, als derzeit 62. in der Weltrangliste. Friedsam rückt immer näher. 82. ist sie, aber sie wird nun einen Satz machen. Den ihr schon vor Melbourne Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner zugetraut hat. "Mit Anna-Lena wird in diesem Jahr zu rechnen sein", sagte die frühere Profispielerin. "Sie hat sich gut vorbereitet und schon bei den deutschen Meisterschaften beeindruckt."

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In Biberach holte sie sich Ende 2015 zum zweiten Mal nach 2013 den Titel. Im Halbfinale hatte sie dort die erfahrene Julia Görges besiegt, im Finale dann mit 6:0, 6:1 ihre Porsche-Talent-Team-Deutschland-Kollegin Katharina Hobgarski abgespeist. Friedsam hat einen sehr guten Aufschlag, ihre Kraft ermöglicht ihr, hart von der Grundlinie zu schlagen, gegen Vinci griff sie oft an, rannte ans Netz, wagte etwas.

Nächste Chance gegen Agnieszka Radwańska

Das 0:6 im ersten Satz war schon umkämpfter als die Zahlen klingen. "Bleib dran, hab Spaß, sei entspannter, beweg dich besser", das hatte sie sich gesagt. Siegemund war auch mit einer erfrischenden, natürlichen, unverkrampften Art aufgefallen, hatte die Zuschauer mit ihrem Temperament vor allem beim verwandelten Matchball begeistert, als sie euphorisiert ein wildes Tänzchen hinlegte. Friedsam bot die nächste "German show" - und hüpfte mit einem spitzen Schrei nach dem Handschlag in die Platzmitte. "Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte", sagte sie verdutzt, als sie vom Platz-Interviewer gefragt wurde, wie Siegemund, Beck und sie ihre Siege errungen haben.

Ihre beiden schönsten Momente bislang hatte Friedsam zuvor so benannt: das Zweitrundenmatch gegen Serena Williams bei den French Open im vergangenen Jahr, wo sie überraschend den ersten Satz gewann. Und die Finalteilnahme danach in Linz. Aber Melbourne toppt jetzt alles. Gegen Agnieszka Radwańska hat sie nun die Chance, eine noch größere Überraschung zu schaffen. Die Polin darf sich ja seit November WTA-Champion nennen, als sie in Singapur den Abschlusstitel holte. "Es ist noch nicht zu Ende", sagte Friedsam. "Ich habe nichts zu verlieren."

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