Australian Open:Ein aktenkundiges Match

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Was geschah in der ersten Runde des Mixed-Wettbewerbes? Zwei Wettanbieter wittern Schiebung.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Andrea Hlavackova und Lukasz Kubot betraten den Raum. Ihre Augen wurden so groß, als hätten sie Marsmenschen gesehen. 50 Reporter harrten im "Interview Room 2" aus, dicht gedrängt. Sie hatten Fragen. Der Pole und die Tschechin waren in der zweiten Runde des Mixed-Wettbewerbes bei den Australian Open ausgeschieden. Normalerweise ist solch eine Pleite unbedeutend und zieht kein Interesse auf sich. Diese Pleite aber war anders. Es ging ja um ein heikles Thema, das mit dem Start der ersten Grand-Slam-Veranstaltung des Jahres aufgetaucht war: Wettbetrug im Tennis. Die Debatte dreht sich seit Montag nicht mehr um mutmaßlich verschobene Spiele in der Vergangenheit - das Turnier in Melbourne beschäftigt sich konkret mit einem Match, das unter Manipulationsverdacht steht. Kubot sowie Hlavackova waren dabei mögliche Zeugen.

Betroffen ist ihre Erstrunden-Auseinandersetzung im Mixed gegen Lara Arruabarrena und David Marrero. Die Spanier verloren 0:6, 3:6. Eigentlich ein unverdächtiges Ergebnis. Aber die Partie wurde von Merkwürdigkeiten begleitet. Bei einem der größten weltweiten Wettanbieter im Internet waren von wenigen Personen außergewöhnlich hohe Beträge gesetzt worden. Fast alle setzten auf eine Pleite von Arruabarrena/Marrero.

Marrero, der 2013 die Nummer fünf in der Doppelweltrangliste war und der bei Grand-Slam-Turnieren im Doppel schon fünfmal im Viertelfinale stand, spielte schlecht in der Partie. Returns landeten weit im Aus, Bälle gerieten auffällig kurz, so dass die Gegner sie leicht verwandeln konnten. Zwischendurch gelangen Marrero auch Punkte, das schon, einmal ballte er sogar die Faust. Im Einzel hatte es Marrero 2010 auf den 143. Weltranglistenplatz geschafft, inzwischen aber hat er sich auf die Doppel- und Mixed-Wettbewerbe spezialisiert. Bis es für ihn und seine Partnerin am Sonntag 0:6 stand, vergingen gerade einmal 20 Minuten.

Der Fall rückte in den Fokus, weil die BBC und das US-Onlinemedium Buzzfeed zum Start der Australian Open von Wettbetrügereien berichtet hatten, die ungeahndet geblieben waren. Unter den verdächtigten Spielern sollen sich auch Grand-Slam-Gewinner befinden. 16 Spieler aus den Top 50 sollen in den vergangenen zehn Jahren an Match-Absprachen beteiligt gewesen sein. Namen wurden nicht genannt.

Zwei Wettanbieter nahmen die Partie aus ihrem Angebot

Warum die Beweisführung für einen mutmaßlichen Wettbetrug schwer ist, verdeutlicht die Mixed-Causa in Melbourne. Offensichtliche Indizien liegen vor. Doch lässt sich wenig damit anstellen. Tennis-Offizielle betonten, dass Informationen - zum Beispiel eine Verletzung - auch aus dem Umfeld eines Spielers an Wetter weitergereicht werden könnten.

Marrero machte für die Niederlage seine Knieverletzung verantwortlich. Der 35-Jährige aus Las Palmas trug unterhalb des linken Knies tatsächlich ein Tape. Für einen Sportwetten-Experten indes ist er kein Unbekannter. Die New York Times, die den Mixed-Fall aufdeckte, beruft sich in ihrem am Montag publizierten Artikel auf einen Italiener, der eine kritische Homepage zu Sportthemen betreibt - und der von einem Match Marreros im vergangenen Jahr berichtet, bei dem es auffällige Wett-Bewegungen gegeben habe.

Der Wettanbieter Pinnacle Sports reagierte nun auf diese - alarmiert durch ein internes Warnsystem nahm die Firma 13 Stunden vor Beginn des Mixed-Doppels die Wette aus dem Angebot. Auch bei einem anderen Wettanbieter war es zu auffällig hohen Einsätzen gekommen. Bei Betfair wurden insgesamt 25 000 Dollar platziert. Mixed-Partien spielen in der Regel im Wettgeschäft keine große Rolle. Zum Vergleich: Bei drei vergleichbaren Mixed-Matches am Sonntag in Melbourne wurden zusammen nicht einmal 2000 Dollar bei Betfair gesetzt.

Der Tennis-Weltverband ITF teilte zu dem Auftritt von Arruabarrena und Marrero trotzdem mit, es seien keine verdächtigen Aktivitäten beobachtet worden. Die "Tennis Integrity Unit", die von der Männertour ATP, der Frauentour WTA, der ITF und den Grand-Slam-Veranstaltern 2008 gegründet worden war, gab keinen Kommentar ab. Tennis Australia, der Ausrichter der Australian Open, ließ in einer Erklärung guten Willen verlauten: Man arbeite akribisch. Pinnacle-Chef Marco Blume hat die Auffälligkeiten bei dem Mixed-Match indes der Polizei des Bundesstaates Victoria übermittelt. Damit ist das Match aktenkundig. Und auch die TIU reagierte - hinter den Kulissen. Bevor Andrea Hlavackova und Lukasz Kubot vor die Presse traten, waren sie befragt worden. Beide Profis gaben an, bei ihrem Sieg sei ihnen nichts aufgefallen.

© SZ vom 26.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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