Australian Open:Der Mann, der den Tennisplatz revolutionieren will

2016 Hopman Cup - Day 6

Zufriedene Kundin: Sabine Lisicki lässt sich von Kemmerer einen Tennisplatz bauen.

(Foto: Getty Images)
  • Andreas Kemmerer ist der wichtigste Tennisplatzbauer Deutschlands - und sorgt nun dafür, dass der harte Platz Branchengrößen nicht mehr kaputt macht.

Von Gerald Kleffmann

Der Mann, der Sabine Lisicki einen Tennisplatz in den Garten baut, sieht blendend aus. Andreas Kemmerer, 61, ist braungebrannt, er strahlt Energie aus. Jedes Jahr ist er für ein paar Wochen in Melbourne, so wie jetzt, seine Söhne leben zudem hier, aber das Beste: Es laufen die Australian Open, die Grand-Slam-Turniere sind die größten Leistungsmessen in diesem Sport. Es ist auch Kemmerers Sport.

Er baut ja nicht nur der deutschen Spitzenspielerin einen Court. Er verlegt auch die Böden, wenn die Deutschen zu Hause im Fed Cup und Davis Cup spielen. Kemmerer kennt im deutschen Tennis im Grunde jeder, der hinter den Kulissen Einblick hat. Roger Federer hat auch schon auf einem seiner Plätze gespielt. Und ein gewisser Boris Becker hat mal einen bestellt.

"Ich bin ein Quereinsteiger", sagt Kemmerer, er sitzt im Spielerrestaurant, und ehe er über seinen kuriosen Weg hin zum wichtigsten Tennisplatzbauer Deutschlands spricht, er, der Franke aus Erlangen, zieht er ein Miniatur-Tennisplatzmodell heraus. Unten ist eine kleine Schicht Schaumstoff zu fühlen. Dann eine Schicht "mehrfach geleimtes, feinstes Holz". Oben eine "Acrylemulsion mit Quarzsand". Er spricht, als schwärme er von Sehenswürdigkeiten in Australien.

Kemmerer landete durch Zufall im Tennis

"Unsere neueste Idee ist keine Revolution, sie ist eine Evolution des Hardcourts", sagt Kemmerer. "Mein Partner Marko Seidensticker und ich haben beim Entwurf eines neuen Tennisbodenbelags nicht von oben gedacht, sondern von unten" - sie haben eine Dämpfung in Verbindung mit Leichtbetonplatten, speziell für den Outdoor-Bereich, entworfen, die ein noch gelenkschonenderes Spiel zulässt. "Dieses Modell wird ein Erfolg", ist sich der Tüftler Kemmerer sicher.

Wahrscheinlich geht es nicht ohne Feuer, ohne Überzeugung. Niemand hat auf Kemmerer gewartet, als er sich Anfang der Neunzigerjahre umorientieren wollte. Der Gymnasiallehrer für Sport und Englisch fand keine Stelle im Freistaat. Er jobbte für eine Eventagentur, die Tennis- und Golfreisen anbot, und als er einmal in Melbourne bei den Australian Open landete und merkte, wie angenehm sich der dortige Hartplatz namens Rebound Ace spielte, für die Gelenke, die Knochen, die Muskeln, kam ihm die erste Idee: Über einen Trainer nahm er Kontakt zum Hersteller in Brisbane auf - und erwarb die Lizenz zum Vertrieb für Europa. Die Erfolgsgeschichte des begeisterten Racketschwingers vom TB Erlangen in einer speziellen Nische begann.

Ihm half das Talent, Gott und die Welt zu kennen. So flogen ihm Zufälle zu. Er kannte Patrik Kühnen, und als der DTB 2004 in Alsdorf gegen Israel spielen musste, wurde Kemmerer vom damaligen Davis-Cup-Kapitän gebeten, den Platz zu gestalten. "Ich erinnere mich auch, wie alles anfing, als damals, nachdem Boris 1991 die Australian Open gewann, Manni Schwabl in unserer Agentur anrief und in seiner typisch knurrigen Art meinte: ,Du hast doch diesen Rebound Ace. Den hätte ich gerne.'" Schwabl, der frühere Fußballprofi des 1. FC Nürnberg, des FC Bayern und der Münchner Löwen, hatte in Holzkirchen eine Tennisanlage aufgebaut.

Viele Plätze wirken sich derzeit negativ auf die Gelenke aus

Der österreichische Trainer Günter Bresnik, der damals Becker betreute, wollte für den dreimaligen Wimbledon-Sieger auch einen Rebound-Ace-Platz zum Trainieren in der Nähe von München organisieren, und schon war Kemmerer in der Spur. Er hatte sich eine Art Monopolstellung erkämpft. Er ist längst international ein Begriff.

Seine Firma "AV Syntec" hat für die ATP-Turniere der Männer in St. Petersburg und Wien den Untergrund mit der neuen, elastischen Technologie geliefert. Sogar beim Abschlussfinale der besten acht Frauen in Singapur wird dieser Boden verwendet. Die Unterkonstruktion wurde von einer Firma aus Rosenheim produziert, AV Syntec beschichtete die Sperrholzplatten mit dem von den Turnierveranstaltern gewünschten Acrylbelag, bevor er verpackt und nach Asien transportiert wurde.

Kemmerer ist von Melbourne bereits wieder aufgebrochen, er wird in Leipzig gebraucht, wo das Fed-Cup-Match der deutschen Frauen gegen die Schweiz ansteht (6/7. Februar). Für die Eidgenossen ist er auch im Einsatz. 2014 hatten Roger Federer und Stan Wawrinka auf seinem Boden im Viertel- und Halbfinale gesiegt, später gewannen die beiden in Frankreich den Davis Cup.

Belastung von Muskeln, Sehnen und Gelenke reduzieren

Dass Sabine Lisicki nun auf ihn zurückgreift, ist keine Überraschung, es liegt nahe, Kemmerer anzuheuern. Er kennt die Spieler, sie kennen ihn. Der Court wird ein Ganzjahres-Platz sein. Oliver Pocher, Lisickis Freund, in dessen Garten der Platz stehen wird, hat auch Wert darauf gelegt, dass man andere Aktivitäten auf dem Platz machen kann, Fußball- oder Basketballspielen zum Beispiel.

Bei den Australian Open wird seit einigen Jahren inzwischen nicht mehr Rebound Ace verwendet. Der neue Boden heißt Plexicushion. Die Dämpfung ist allerdings nur gering. Klassische Hartplätze oder Hardcourts mit ein paar Gummianteilen unter der Acryloberschicht seien nicht unbedingt "karriereverlängernd" - Kemmerer ist überzeugt, dass man die Technologie der Hardcourts unbedingt verbessern muss, um die Belastungen von Muskeln, Sehnen, Gelenken zu reduzieren. Er zeigt auf sein Modell. Der Boden sei noch elastischer, ohne den Ballabsprung zu beeinflussen. "Er spielt sich toll", findet er.

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