Australian Open:Der Erstrundentag der Deutschen

Tennis - Australian Open - Melbourne Park, Melbourne, Australia

Titelverteidigerin Angelique Kerber musste in Melbourne schon zum Auftakt an ihre Grenzen gehen.

(Foto: REUTERS)

Teufelchen besucht Kerber: Die deutsche Nummer eins begegnet einer ungebetenen Bekannten, Mona Barthel bekommt es mit einer 16-Jährigen zu tun.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Der Mann mit der Matte bahnte sich seinen Weg durch den Gang, flink wie ein Otter (nur schlechter rasiert), verschwitzt, er hatte ja gerade ziemlich geschuftet. Er musste auf der Tribüne sitzen, motivieren, predigen, analysieren, stöhnen, jubeln. Irgendwann hatte er ein Handtuch auf der Brüstung ausgelegt, sicher als Schutzmaßnahme. Falls er beim ständigen Nachvornespringen doch kopfüber stürzen würde auf den Hauptplatz in der Rod Laver Arena. Er wusste ja, dass die von ihm betreute Spielerin manchmal ein Teufelchen im Kopf haben kann, nur hatte sich das Teufelchen lange nicht mehr blicken lassen. Magische zwölf Monate nicht. An diesem Abend aber war es zu Besuch. Zermürbt wie nach einem Ringkampf sah der Otter-Mann aus. Aber im Vorbeigehen rief er, die Faust hebend, leuchtende Augen: "Ich habe immer an Angie geglaubt!"

Kann es sein, dass dieser Torben Beltz einer der gerissensten Kerle überhaupt ist?

Die Dramaturgie dieses ersten Auftrittes seiner Spielerin Angelique Kerber beinhaltete schließlich bizarre Elemente, die einem dem Glauben manchmal hätte rauben können. Nur knapp schrammte die Titelverteidigerin am sportlichen Drama vorbei, zumindest waren am Horizont Konturen davon auf sehr spezielle Art sichtbar.

Australian Open 2016, erste Runde, Kerber gegen Misaki Doi, Matchball für die Japanerin. Eine Rückhand landet im Aus. Die Wende. Am Ende wird Kerber als erste Deutsche nach 17 Jahren Grand-Slam-Champion. Australian Open 2017, erste Runde, Kerber gegen Lesia Zurenko, zweiter Satz, 5:4, 40:30. Matchball für die Kielerin. Eine Rückhand landet im Netz. Die Ukrainerin schafft das 7:5. Die Wende?

Das war der Moment, als das Teufelchen einen gepflegten australischen Gruß an Kerber überbrachte.

"Um ehrlich zu sein, dachte ich da an das vergangene Jahr", gestand sie sofort beim Sieger-Interview auf dem Platz mit der früheren Spielerin Rennae Stubbs. Aber dann gab sie dem ungebetenen Gast im Kopf einen Kick, der üble Gedanke war weg. "Ich hoffte nur, dass mir nicht dasselbe passiert", erzählte sie, "das war nur ein kurzer Moment."

Als sie das 6:2, 5:7, 6:2 später ausgiebiger sezierte und sogar Dankbarkeit dafür äußerte, dass sie derart an ihre Grenzen gehen musste ("Es ist gut, ein solches Match in den ersten Runden zu haben"), wirkte das fast wie die Beschwörung eines vertrauten Gefühls vom Vorjahr, nach ihrem Doi-Erlebnis. "Mein Kämpfen wieder zu finden", das sei im dritten Satz ihr Antrieb gewesen. Wenn Kerber diese Fähigkeit spürt, ist sie bei sich. Sie lag 1:2 zurück und wehrte einen Breakball mit einem gewagten Schuss ab. "Ich bin schon zufrieden mit mir, wie ich das hinbekommen habe", sagte sie daher auch. Viele leichte Fehler, die sie vor allem Ende des zweiten Satzes hadern ließen, hatten ihr den lange makellosen Auftritt plötzlich erschwert.

"Platz 19 ist sicher nicht der schönste"

Dieses Match hatte sich etwas anders angefühlt. Es war ja ihr allererstes an jener Stelle - dem Center Court -, wo sie ihren Durchbruch im Januar 2016 so eindrucksvoll geschafft hatte. Dabei will sie aber gar nicht, dass es sich zu sehr anders anfühlt. Schon bei ihrer ersten Auftakt-Pressekonferenz am Sonntag fiel auf, dass sie ein wenig strampelt, um sich frei zu machen vom Druck, als Weltbeste andere, höhere Erwartungen erfüllen zu müssen. Sie sei immer noch die Kämpferin, beschwor sie nun, "das hat sich nicht geändert, nur weil ich die Nummer eins bin".

Die Gedanken, die Rituale, das Spiel einfacher, bewusst simpler zu gestalten während eines Turniers, das hat sie zur Nummer eins gemacht, diese Strategie versucht sie wieder zu beherzigen. Bezeichnend: Zu ihrer nächsten Gegnerin wollte sie nichts sagen, brauchte sie aber auch nicht, denn es ist eine gute Bekannte von ihr, die Hamburgerin Carina Witthöft. Die 21-Jährige, die die Japanerin Eri Hozumi 7:5, 7:6 (6) besiegte, unterlag Kerber zweimal in Wimbledon.

Deutschlands Sportlerin des Jahres folgten zwei weitere DTB-Kolleginnen. Julia Görges (Bad Oldesloe) besiegte Katerina Siniakova 3:6, 6:3, 6:4. Ihr Match war rasch aufgearbeitet, schlechter Start, dann stellte sie sich besser auf die flach gespielten Bälle der Tschechin ein. Mehr beschäftigten sie im Nachhinein die Zustände um ihren Spielort. "So gut das Turnier ist, Platz 19 ist sicher nicht der schönste", klagte sie und schilderte die Widrigkeiten, die damit begonnen hatten, dass der Security-Mann offenbar nicht mal wusste, wo dieser abgelegene Court sei, als er die beiden Profis dorthin geleiten sollte.

Ein ständiges Kommen und Gehen sorgte während der Partie für Unruhe, hinter dem Platz ratterten Bimmelbahnen, schließlich kippte jemand bei der Hitze um, 15 Minuten mussten Görges und Siniakova warten, ohne zu wissen, was genau passierte. Görges kündigte sogar an, sich offiziell zu beschweren.

Diese Probleme hätten Laura Siegemund (Metzingen) und Annika Beck (Bonn) sicher gerne gehabt, Siegemund unterlag der Serbin Jelena Jankovic mit 1:6, 6:1, 4:6, die nun Gegnerin von Görges sein wird. Beck, kürzlich nach dem Ziehen ihrer Weisheitszähne auch noch krank geworden, verlor gegen die Australierin Ashley Barty 4:6, 5:7.

Mona Barthel setzte dafür nach drei Erfolgen in der Qualifikation ihre Serie fort und wies die jüngste Spielerin im Feld in ihre Grenzen. Destanee Aiava, 16, aus Melbourne wehrte sich aber energisch beim 3:6, 6:7 (4). Barthel, die vor einem Jahr eine mysteriöse Viruserkrankung erlitten hatte und sich erst seit vergangenem Dezember fit fühlt, trifft nun auf Olympiasiegerin Monica Puig aus Puerto Rico.

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